In Hochgebirgen steigt die Temperatur noch viel rasanter als im globalen Durchschnitt. Mit verheerenden Folgen. Was bedeutet der Klimawandel für die Berge?
In den Gebirgen führt der Klimawandel zu einem besonders schnellen Temperaturanstieg. Ein Grund ist, dass bei höheren Temperaturen weniger Schnee fällt, dunkles Gestein zum Vorschein kommt und weniger Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird. Das passiert in den Alpen ebenso wie im Himalaya in Asien, den Anden in Südamerika und anderen Gebirgsregionen.
"Die größte Herausforderung für Wissenschaft und Gesellschaft ist es, mit den momentan enorm schnell ablaufenden Veränderungen umzugehen", sagt Nadine Salzmann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) anlässlich des Internationalen Tages der Berge am kommenden Montag.
Es gebe aus der Vergangenheit kaum Erfahrungen mit extremen meteorologischen Ereignissen wie Trockenheit und Starkniederschlägen. "Wir müssen auch versuchen, das "Undenkbare" zu denken, um auf plausible aber höchst unwahrscheinliche schlimmste Szenarien vorbereitet zu sein, ohne aber zu alarmistisch zu wirken", ergänzt Salzmann, die am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos arbeitet.
Gerade wird auf der Weltklimakonferenz in Dubai um Wege gerungen, die Klimaerwärmung so weit möglich zu bremsen. Doch schon jetzt sind die Folgen des Klimawandels in den Bergen offensichtlich. Drei Beispiele:
Gletschersterben gefährdet Trinkwasserversorgung
Überall schwindet Eis, und mangels Schnee bekommen die Gebirgsgletscher zu wenig Nachschub. Aus Sicht der Weltwetterorganisation (WMO) ist der Kampf um Gebirgsgletscher schon verloren. Sie dürften bis Ende des Jahrhunderts verschwunden sein, sagt ihr Chef Petteri Taalas.
Die Schweizer Gletscher haben zwischen 1931 und 2016 die Hälfte ihres Volumens verloren. 2022 und 2023 waren dann Extremjahre. Das Gletschervolumen schrumpfte nach Angaben der Schweizerischen Kommission für Kryosphärenbeobachtung um weitere zehn Prozent. In Deutschland ist ihre Zahl sogar schon von fünf auf vier geschrumpft. Der Südliche Schneeferner verlor 2022 seinen Status als Gletscher.
Der Gletscherschwund hat dramatische Folgen. Zum einen können sich Schmelzwasserseen bilden, die sich dann plötzlich ins Tal ergießen, wie im Mai 2022 in Pakistan. Die Wassermassen mit Geröll haben im Tal darunter Häuser und Felder zerstört. Aber ohne Gletscher ist auch die Trinkwasserversorgung gefährdet: mehr als eine Million Menschen hängen vom Wasser aus den Flüssen Indus, Ganges und Brahmaputra ab, die von Schnee- und Gletscherwasser des Himalayas genährt werden.
Gefährliche Felsstürze
Hochgebirge werden auch vom Permafrost zusammengehalten, der dafür sorgt, dass das Gestein ganzjährig gefroren ist. Der Permafrost taut, und das Gebirge wird instabiler.
Das zeigte sich im Juni am Fluchthorn in Tirol. Dort brach ein ganzer Gipfel weg und gewaltige Gesteinsmassen, insgesamt eine Million Kubikmeter, rutschten ab. Die Region war abgelegen, es ist nichts passiert, aber andernorts kann so etwas ganze Dörfer bedrohen. Und die Bergsportler: Beim Schweizer Alpen-Club SAC heißt es, dass früher oft gegangene Touren heute im Sommer "Todesfallen" seien. Loses Geröll und abgerutschte Blöcke "so groß wie Einfamilienhäuser" machten das Gelände zu gefährlich.
Bedrohte Tier- und Pflanzenwelt
Die größte Artenvielfalt außerhalb der Meere ist in Gebirgsregionen: Sie beherbergen nach einer Studie 85 Prozent aller Amphibien-, Vogel- und Säugetierarten der Welt. Viele kommen ausschließlich in den Bergen vor.
Der Klimawandel bedroht ihre Lebensräume: der Amboseli National Park in Kenia mit 420 Vogelarten und 50 großen Säugetieren wie Elefanten ist auf Schmelzwasser vom Kilimandscharo angewiesen, wie Rob Marchant berichtet, Professor für Tropenökologie an der Universität York. Steile Hänge schafften einmalige Mikro-Lebensräume, wo nur wenige Pflanzen einer Art blühten. Viele seien durch höhere Temperaturen bedroht. Auch Baumarten sind gefährdet.
Gebirgsflüsse werden durch den Klimawandel immer wärmer, nicht nur im Sommer, wie eine Studie der Universität Innsbruck dieses Jahr zeigte. Ausgewertet wurden langfristige Temperaturmessungen an der Großache in Tirol in Österreich und am Inn, der durch die Schweiz, Österreich und Bayern fließt. Wissenschaftler haben gezeigt, dass höhere Temperaturen den Sauerstoffgehalt verändern, was auch zum Aussterben von Fischarten führen kann. Die Temperatur hat auch Auswirkungen darauf, wann und wo Fische laichen, und welche Parasiten sich ausbreiten. (dpa/fab) © dpa
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