Internationale Forschungsteams haben nach jahrzehntelangen Analysen Hinweise auf extrem langwellige Gravitationswellen gefunden. Demnach sind Raum und Zeit offenbar von einem steten Rauschen erfüllt. Bei ihrer Arbeit halfen ihnen sehr genaue kosmische Uhren.

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Raum und Zeit lassen sich in Schwingungen versetzen - und diese breiten sich als Gravitationswellen im Kosmos mit Lichtgeschwindigkeit aus. Daran gibt es bereits seit 2015 keine Zweifel mehr: Damals wies der kilometergroße Detektor LIGO in den USA erstmals Gravitationswellen nach, die aus der Kollision zweier großer Schwarzer Löcher in einer fernen Galaxie stammten.

Nun haben gleich fünf internationale Forschungsteams unabhängig voneinander ein weiteres Phänomen nachgewiesen: Raum und Zeit sind offenbar von einem stetigen Rauschen extrem langwelliger Gravitationswellen erfüllt.

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Gravitationswellen liegen im Bereich von Lichtjahren

Während LIGO und ähnliche Detektoren auf der Erde Gravitationswellen messen, die im Meterbereich liegen, geht es bei dem nun aufgespürten raumzeitlichen Rauschen um Wellenlängen im Bereich von Lichtjahren. Wie aber kann man Schwankungen mit solch extremen Wellenlängen nachweisen? Zum Glück für die Forscher liefert die Natur eine Lösung: Sie hat überall im Kosmos extrem genaue Uhren platziert, die sogenannten Millisekunden-Pulsare.

Niederfrequente Gravitationswellen
Extrem massereiche schwarze Löcher im fernen Universum sind die wahrscheinlichste Ursache des Gravitationswellen-Hintergrunds. Pulsare sind kosmische Uhren, mit denen sich kleinste Entfernungsänderungen messen lassen. (Illustration) © dpa / Aurore Simonnet for the NANOGrav Collaboration

Pulsare sind Neutronensterne - also extrem dichte Überreste zusammengestürzter Sterne -, die mit hoher Geschwindigkeit rotieren und starke Magnetfelder besitzen. Entlang der Achse des Magnetfelds sendet ein solcher Neutronenstern stark gebündelt Radiostrahlung aus.

Da die Achse des Magnetfelds meist gegen die Rotationsachse gekippt ist, streicht dieser gebündelte Strahl ähnlich dem Kegel eines Leuchtturms durchs All. Trifft dieser Kegel bei seiner Rotation auf die Erde, so empfangen die Astronomen von dem Neutronenstern regelmäßig eintreffende Strahlungspulse - daher die Bezeichnung "Pulsare".

Experte: "Pulsare sind hervorragende natürliche Uhren"

Besonders extrem sind dabei die Millisekunden-Pulsare, die sich mehrere hundert Mal pro Sekunde drehen. "Diese Pulsare sind hervorragende natürliche Uhren", erklärt David Champion vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "Wir nutzen die unglaubliche Regelmäßigkeit ihrer Signale, um nach winzigen Veränderungen in ihrem Ticken zu suchen und so die minimalen Dehnungen und Stauchungen der Raumzeit durch Gravitationswellen nachzuweisen."

Allerdings reicht es nicht, dafür einen einzigen Pulsar zu beobachten. Denn die Natur stellt den Forschern auch Hindernisse in den Weg: Eine Vielzahl von Effekten führt zu zufälligen Schwankungen der Signale, die den erwarteten Veränderungen durch Gravitationswellen ähneln können.

Deshalb verwenden die Astronomen sogenannte Pulsar Timing Arrays, eine große Zahl von über den Himmel verteilten Pulsaren, deren Ticken sie über viele Jahre hinweg beobachten. Die Idee dabei: Je näher sich zwei Pulsare stehen, umso ähnlicher müssten die durch Gravitationswellen verursachten Schwankungen sein.

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Fünf Forschergruppen suchten nach langwelligen Gravitationswellen

Insgesamt fünf Forschergruppen auf der ganzen Welt suchen seit Jahren mithilfe solcher Pulsar Timing Arrays unabhängig nach langwelligen Gravitationswellen. Eines davon ist das Europäische Pulsar Timing Array (EPTA), an dem Champion maßgeblich beteiligt ist. Mit insgesamt fünf großen Radioteleskopen hat das EPTA-Team innerhalb von 25 Jahren 60.000 Messungen an 25 stabilen Millisekunden-Pulsaren durchgeführt.

Zeitgleich mit den anderen vier Forschergruppen - dem Indian Pulsar Timing Array (InPTA), dem amerikanischen Projekt NanoGRAV, dem Parkes Pulsar Timing Array (PPTA) in Australien und dem Chinesischen Pulsar Timing Array (CPTA) - hat das EPTA-Team nun die Ergebnisse der bislang gesammelten Daten veröffentlicht.

Die im Fachblatt "Astrophysical Journal Letters" publizierten Ergebnisse der Teams stimmen überein: Das Ticken der Pulsare schwankt so, wie es aufgrund eines Gravitationswellen-Rauschens zu erwarten ist.

Teams wollen alle Daten zusammenführen

Während Detektoren auf der Erde Gravitationswellen empfangen, die ihre Ursache in kosmischen Katastrophen haben – dem Zusammenstoß Schwarzer Löcher –, hat das jetzt beobachtete Rauschen eine andere Ursache: Paare von supermassereichen Schwarzen Löchern, die sich in Zentren ferner Galaxien auf engen Bahnen umkreisen. Die Forscher hoffen deshalb, aus der Beobachtung der langwelligen Gravitationswellen etwas über die Entstehung und Entwicklung dieser Schwarzen Löcher zu lernen.

Deshalb wollen die Teams nun im Rahmen eines International Pulsar Timing Arrays alle Daten zusammenführen. Über hundert Pulsare sollen dann mit dreizehn Radioteleskopen beobachtet werden, um noch genauere Daten zu erhalten. (ff/dpa)

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Teaserbild: © dpa / Daniëlle Futselaar / Max-Planck-Institut für Radioastronomie