Bigfoot, Nessie, Yeti: Gibt es diese Wesen wirklich oder gehören sie ins Reich der Fantasie? Kryptozoologen suchen nach Beweisen für ihre Existenz. Einer der bekanntesten Forscher erzählt, wie das vor sich geht.

Ein Interview

Eine Bisonherde grast friedlich auf einer schneebedeckten Wiese, im Hintergrund stehen ein paar Bäume. Doch plötzlich passiert hinter den Stämmen etwas: Mehrere große Gestalten auf zwei Beinen huschen vorbei. Dieses Video einer Überwachungskamera aus dem US-amerikanischen Yellowstone-Nationalpark gab Anfang des Jahres einem alten Mythos neue Nahrung. Viele Menschen sind sich sicher: Das ist der Beweis, dass Bigfoot existiert. Bei dem Wesen handelt es sich angeblich um eine Kreuzung aus Mensch und Affe. Der scheue Waldbewohner soll schon mehrfach gesichtet worden sein, und zwar in fast allen Gebirgen der USA und Kanadas, wo er Sasquatch genannt wird. Er zeichnet sich durch eine starke Fellbehaarung aus und ist deutlich größer als ein Mensch.

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Der Bigfoot-Mythos hält sich hartnäckig: Schon in den 1850er-Jahren tauchte das Geschöpf erstmals in Legenden auf. Indianer berichteten, sie hätten es in Kalifornien entdeckt. Viele Menschen suchen auch heute weiterhin nach dem behaarten Waldbewohner, und immer wieder werden angebliche Sichtungen des Wesens oder seiner Spuren gemeldet. Vor einigen Wochen erst hat ein Augenzeuge beim Gassigehen in North Carolina angeblich einen Bigfoot in den Wald flüchten sehen. Und in Washington behauptet eine Frau, sie unterhalte seit fast zehn Jahren eine sexuelle Beziehung mit einem Exemplar. Bislang stellten sich alle Funde, Videos oder Sichtungen entweder als Fälschung heraus oder es gab keine eindeutigen Beweise.

Kryptozoologen suchen nach verborgenen Tieren

Die Pseudowissenschaft, die sich der Suche nach verborgenen Tieren verschrieben hat, nennt sich Kryptozoologie. Sie entstand in den 1950er-Jahren und versteht sich als Teilgebiet der Zoologie. Das Interesse gilt Tieren oder tierähnlichen Wesen, über die aus unterschiedlichen Quellen Informationen vorliegen, deren Existenz aber nicht bewiesen ist. Solche Arten nennen die Kryptozoologen Kryptiden.

Diese lassen sich in mehrere Gruppen einteilen: Tiere, die als völlig unbekannt eingestuft werden, die aber biologisch nicht unmöglich sind. Oder bekannte Tierarten, die als ausgestorben gelten, die aber Menschen gesehen haben wollen. Ein Beispiel ist der australisch-tasmanische Beutelwolf, dessen letztes Exemplar zwar 1936 im Zoo starb, von dem aber seitdem Hunderte Sichtungsberichte vorliegen. Zudem gibt es Tiere, die auf dem falschen Kontinent entdeckt wurden. Und als letzte Gruppe beschäftigen sich Kryptozoologen mit "echten Monstern". Wesen dieser Art "muten in ihrer Erscheinung skurril oder abstrus an und widersprechen zum Teil biologischen Regeln", erklärt der Kryptozoologe Hans-Jörg Vogel. "Dennoch gibt es auch aus dieser Kategorie Hunderte von Augenzeugenberichten, die von Menschen mit Flügeln, Echsenmenschen, Zyklopen oder Zentauren handeln. Beispiele sind der in Mittel- und Zentralamerika bekannte Chupacabras oder der Jersey-Devil des US-Staates New Jersey." Oder eben Bigfoot.

Bigfoot könnte nach Meinung vieler Kryptozoologen ein Überlebender der ausgestorbenen Gattung Gigantopithecus sein. Bisher wurden von der Affenart nur sieben Millionen Jahre alte Kieferteile und Zähne gefunden. Die Tiere könnten bis zu drei Meter groß gewesen sein.

Hans-Jörg Vogel, geboren 1959 und studierter Jurist, ist Herausgeber der privaten Zeitschrift "Der Kryptozoologie-Report" und beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Thema. Er ist einer der bekanntesten Kryptozoologen in Deutschland. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Wie gehen Sie auf der Suche nach Kryptiden vor?

Hans-Jörg Vogel: Wir nutzen hauptsächlich drei Quellen: naturwissenschaftliche und kulturelle sowie Augenzeugenberichte. Naturwissenschaftlich heißt, dass in besonders günstigen Fällen von einem Kryptiden physische Spuren in Form von Haar- oder Fellresten, Trittsiegeln, Exkrementen oder Nahrungsresten vorliegen. Spuren dieser Art sind mit naturwissenschaftlichen Methoden wie DNA-Analysen gut zu untersuchen und machen unter Umständen einen Kryptiden schon vor seiner eigentlichen Entdeckung physisch fassbar.

In vielen Kulturgütern der Vergangenheit und Gegenwart wird Bezug auf Tiere und tierähnliche Wesen genommen, die als Kryptiden angesehen werden können. So finden sich in alten Texten, Erzählungen und Sagen sowie im allgemeinen "Volksglauben" oft Beschreibungen unbekannter Tiere, die üblicherweise als Fabeltiere eingestuft werden. Hinzu kommen bildliche Darstellungen und Skulpturen, die zuweilen ein nicht zu bestimmendes Tier abbilden.

Die Quellengattung, die quantitativ die meisten Informationen liefert, sind die Tausenden von Augenzeugenberichten, die weltweit von Begegnungen mit unbekannten oder vermeintlich ausgestorbenen Tieren erzählen. Die Auswertung dieser Quellen gestaltet sich jedoch am schwierigsten. Angefangen bei Problemen der Wahrnehmungspsychologie bis hin zu Problemen der Interview- und Dokumentationstechnik. Zur Prüfung und Analyse von Film- und Fotoaufnahmen werden wiederum naturwissenschaftlich-technische Methoden angewendet.

Gibt es Beispiele für Tiere, an deren Existenz die etablierte Wissenschaft zunächst nicht glauben wollte?

Ja, mehrere. Dass Sagen und kulturelle Quellen wertvolle Informationen über unentdeckte Tiere liefern können, beweist das Okapi. Dieses ist ein fester Bestandteil in den Sagen der Ituri-Pygmäen, in denen es als Waldesel beschrieben wird. Wissenschaftler taten das Tier als nichtexistentes Fabeltier ab, bis 1901 das erste Exemplar gefangen wurde. Eine Beachtung und Auswertung der Sagen hätte zu einer früheren Entdeckung führen können.

So auch beim Komodowaran: Erst als der sogenannte Holotypus den Wissenschaftlern vorlag, existierten diese Tiere auch offiziell. Ähnlich ist es auch beim Quastenflosser gewesen. Er galt für die Wissenschaft seit Jahrmillionen als ausgestorben, und doch hat man ihn 1938 im Indischen Ozean lebendig entdeckt. Weitere entdeckte Kryptide sind der Riesenpanda, das Zwergflusspferd oder der Waldelefant.

Natürlich muss man bei den Untersuchungen die biologischen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten abwägen und dabei auch bestimmte angebliche Kryptide in ihrer tatsächlichen Existenz ausschließen. Was sicherlich nicht einfach ist und unter Kryptozoologen sehr oft zu heftigen Diskussionen führt.

Eines der Wesen, die Kryptozoologen am meisten interessieren, ist Bigfoot. Sind Sie seiner Entdeckung einen Schritt näher gekommen?

Bigfoot, Yeti, Almasty und wie auch immer die sogenannten möglichen Relikthominiden regional unterschiedlich genannt werden, stehen noch immer im Mittelpunkt der kryptozoologischen Forschungen. Nur, das muss ich ehrlich sagen, haben wir einen richtigen wissenschaftlich greifbaren und anerkannten Erfolg auf der Suche nach ihnen bisher noch nicht erreicht. Es gibt in der letzten Zeit wieder etwas mehr Sichtungen und Filme bei YouTube, wobei aber viele davon wohl nur gut gemachte Gags sind.

Das ist leider auch ein Problem, mit dem sich Kryptozoologen konfrontiert sehen: Fälschungen! Aber auch der richtige Umgang mit solchen "Beweisen" ist nicht immer gegeben. Und wenn endlich jemand angebliche Beweise wissenschaftlich untersucht, werden gravierende Fehler gemacht, die dazu führen, dass die Ergebnisse von der etablierten Wissenschaft, sicherlich auch zu Recht, nicht anerkannt werden.

So hat eine US-Wissenschaftlerin, Dr. Melba Ketchum, Haare und Blut auf DNA-Spuren untersucht. Sie hat in ihren Analysen festgestellt, dass es Anzeichen für eine bislang unbekannte Primatenart gibt - das wäre natürlich eine Sensation. Aber in der Endphase der Untersuchung wurde nicht korrekt gearbeitet. Das ist ein herber Rückschlag. Es heißt also für uns, weiter die Augen offenzuhalten und bei den Analysen angeblicher Beweise besser zu arbeiten

Womit beschäftigen Sie sich als nächstes?

Neben den Forschungen, wie dem Literaturstudium, Analysen von Sichtungen unterschiedlicher Kryptide zu Wasser, Land und in der Luft, organisieren einzelne Kryptozoologen auch in Deutschland Exkursionen auf den Spuren verschiedener Kryptiden, etwa das Projekt "Auf der Suche nach dem Tatzelwurm [alpenländisches Fabelwesen, das als kleiner Verwandter des Drachens und des Lindwurms gilt; Anm.d.Red.]".

Zudem ist es uns in diesem Jahr gelungen, im "Museum Tor zur Urzeit e.V." in Brügge (Schleswig-Holstein) den Bereich Kryptozoologie vorzustellen. Es ist eine kleine Dauerausstellung, die in unregelmäßigen Abständen erweitert und geändert wird. Damit wollen wir auch unter der Bevölkerung das teilweise negative Bild der Kryptozoologie in eine positive Richtung lenken. Wir veranstalten jedes Jahr ein Themenwochenende. 2016 steht dabei die Frage im Mittelpunkt: "Haben Dinosaurier vielleicht doch bis heute überlebt? - Auf der Suche nach Mokélé Mbembe".

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