Braucht man wirklich ein extra Anti-Schlingersystem für Anhänger, wenn das eigene Auto bereits ein Zugfahrzeug-ESP hat? Der ADAC hat drei Systeme zum Nachrüsten getestet – und gibt eine eindeutige Antwort.

Mehr zum Thema Mobilität

Bereits seit fast zehn Jahren müssen in der EU verkaufte Neuwagen ein elektronisches Stabiliätsprogramm an Bord haben. Viele ESP-Systeme verhindern inzwischen nicht nur ein Schleudern des Autos, sondern auch eines Anhängers, falls sich einer am Haken befindet – zum Beispiel, in der aktuellen Urlaubszeit, in Form eines Wohnwagens. Dennoch bieten verschiedene Hersteller Anti-Schlingersysteme für Anhänger zum Nachrüsten an. Da stellt sich die Frage: Bringt der extra Schleuderschutz überhaupt mehr Sicherheit beim Gespannfahren? Der ADAC ist genau dieser Frage nachgegangen und hat die drei gängigsten Systeme am Markt getestet.

Video: Fahrbericht

Die Antwort der Sicherheitsexperten des Automobilclubs ist eindeutig: Obwohl ein gutes Zugfahrzeug-ESP ein Aufschaukeln rechtzeitig unterbinden kann, zeigen die Tests, dass die untersuchten Anti-Schlingersysteme das Sicherheitsniveau noch einmal deutlich anheben. So können sie das typische Schlingern eines Anhängers jeweils wirksam verhindern. Dabei arbeiten alle drei Produkte mit derselben Funktionsweise: Sie analysieren die Anhängerbewegungen und betätigen dessen Bremse, wenn sie die Situation als kritisch einschätzen, sich der Trailer also zu stark aufschaukelt und damit droht, das Gespann zu sehr zu destabilisieren.

Große Unterschiede beim Ausweichtest

Die ADAC-Prüfer erkannten bei ihrem Test, bei dem zur besseren Vergleichbarkeit ein Roboter die Lenkbewegungen im Zugfahrzeug ausgeführt hat, dennoch klare Unterschiede zwischen den Systemen. Den Schlingerversuch, bei dem das Testfahrzeug wellenförmig nach links und rechts fährt, um den Versuchs-Wohnanhänger ins Schlingern zu zwingen und so das Gespann aufzuschaukeln, haben alle Produkte problemlos absolviert. Den herausfordernden Spurwechsel- beziehungsweise Ausweichtest mit kurzem, aber starkem Lenkimpuls bestanden dagegen nicht alle Systeme.

Der Testsieger AL-KO ATC 2.0, mit 965 Euro Kaufpreis der teuerste Schleuderschutz im Vergleich, leistet sich keinerlei Schwächen: Er ist sauber verarbeitet und regelt in allen Testszenarien zuverlässig, was in der starken Testnote 1,5 mündet. Das preisgünstige LEAS-System von BL-Trading kann bei den Fahrversuchen überzeugen, zeigt jedoch qualitative Schwächen in der Verarbeitung. Mit der Gesamtnote 2,0 schneidet es dennoch gut ab. Das ETS Plus von Knott landet mit der Bewertung 2,8 auf dem letzten Platz, weil es beim Ausweichtest zu spät eingegriffen hat. Es siedelt sich preislich zwischen den Konkurrenz-Systemen an.

Viele Vorteile mit ams+
Erhalten Sie werbereduzierten Zugang zu allen Inhalten von auto-motor-und-sport.de inkl. der digitalen Zeitschrift als E-Paper. Monatlich kündbar.

Tipps für die Wahl des richtigen Systems

Allerdings gibt es für Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Auswahl der passenden Anti-Schlingersysteme für Anhänger einiges zu beachten. Deshalb hier einige Tipps vom ADAC, wie man das beste Produkt für das eigene Gespann findet:

  • Beim Kauf auf die Kompatibilität der Systeme achten: Das Knott-System passt zu Knott- und AL-KO-Achsen, das System von AL-KO wiederum passt nur an AL-KO-Achsen. LEAS von BL-Trading funktioniert mit allen Achsen.
  • Fachgerechter Einbau: Der Einbau von Stabilisierungssystemen sollte nur dann selbst vorgenommen werden, wenn ausreichende Kenntnisse über die Wirkungsweise einer Anhängerbremse vorhanden sind. Ansonsten sollte eine Fachwerkstatt beauftragt werden.
  • Positionierung der LEDs: Die Status-LEDs von Knott und AL-KO sollten an der Vorderseite des Caravans angebracht werden, damit sie im Rückspiegel des Zugfahrzeugs sichtbar sind.
  • Korrekte Beladung und Gewichtsverteilung: Der Anhänger sollte so beladen werden, dass die Stabilität bringende Stützlast möglichst exakt am erlaubten Maximum liegt. Selbst das beste System kann eine zu geringe Stützlast nicht ausgleichen.
  • Geschwindigkeit reduzieren: Gerät ein Anhänger ins Schlingern, sollte das Lenkrad ruhig gehalten und behutsam gebremst werden. Besondere Vorsicht ist beim Überholen von Lkw, auf Brücken und bei Wind geboten. Eine reduzierte Geschwindigkeit hilft, die Schleudergefahr zu minimieren.

Gleichzeitig wendet sich der ADAC mit einer Forderung an die Autohersteller. Die Sicherheitsexperten verlangen von ihnen, die Gespann-Erkennung im Pkw serienmäßig einzubauen – unabhängig davon, ob eine Anhängerkupplung ab Werk installiert ist oder nicht. Die Fahrzeughersteller sollten ihren Kundinnen und Kunden zudem eindeutige Informationen bereitstellen, ob das Fahrzeug mit Anhänger-ESP ausgestattet ist und auch, ob diese Funktion aktiviert ist. An die Anbieter der Anti-Schlingersysteme zum Nachrüsten richtet der ADAC den Appell, die Technik solle "nicht nur schlingern, sondern auch andere kritische Fahrsituationen wie ein plötzliches Ausweichmanöver erkennen und entsprechend regeln". Den Testern zufolge sei das Knott ETS Plus für diese Anforderung nicht ausgelegt – "was bedauerlich ist".  © auto motor und sport

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.