Audi fährt mit dem neuen 640 PS starken RS Q8 die schnellste SUV-Runde auf der Nordschleife. Damit bricht Pilot Frank Stippler auch einen eigenen Rekord.
Audi hat seinem großen SUV Q8 ein umfangreiches Facelift spendiert. Auch das Flaggschiff der Baureihe – der RS Q8 – darf davon profitieren. Statt 600 PS leistet er nun 640 PS und ist gerade in der "performance"-Version zu extremer Fahrdynamik imstande. Das beweist spätestens der neue Rundenrekord für SUVs auf der Nordschleife des Nürburgrings.
In 7:36,698 Minuten mit 2,4 Tonnen um den Ring
Mit Pilot Frank Stippler hinter dem Steuer umrundet der neue RS Q8 das 20,832 Kilometer lange Asphaltband durch die bergige Eifel in 7:36,698 Minuten. Das sind mehr als zwei Sekunden schneller als das bisher schnellste Fahrzeug in der Klasse der SUVs, Geländewagen, Vans sowie Pick-ups – der Porsche Cayenne Coupé Turbo GT. Auch seinen alten Rekord im bisherigen RS Q8 konnte Stippler brechen. Das Facelift ist ganze sechs Sekunden schneller.
Jetzt darf man davon ausgehen, dass auch Porsche mit dem überarbeiteten Cayenne Turbo GT zurückschlagen wird. Die Trophäe bleibt solange aber wahrscheinlich bei Audi. Wie sich so eine Fahrt im Riesen-SUV anfühlt, durfte Test-Redakteur Jens Dralle im Jahr 2019 erfahren. Hier seine Eindrücke von damals – im 600 PS starken Audi RS Q8:
Rundenrekord-Mitfahrt im Vorgänger (2019)
Es ginge. Bis zu 40 Sekunden lang, bei bis zu 22 km/h. Okay, das sind die Werte des RS6, die des RS Q8 liegen auf vergleichbarem Niveau. Dann wäre es still im mächtigen SUV, denn dann würde er segeln. Besser gesagt: Das tun, was die Automobilindustrie unter segeln versteht. Eigentlich: Segeln 2.0. Denn aufgrund des Riemen-Starter-Generators im Mild-Hybrid-Antriebsstrang kann der V8-Biturbomotor nicht nur bei Leerlaufdrehzahl arbeiten, sondern gleich ganz abgeschaltet werden. Heute: Ausgeschlossen.
Heute kommt dem 48 Volt-System vor allem die Aufgabe zu, der elektromechanischen Wankstabilisierung schnellstmöglich die bis zu drei Kilowatt Leistung zur Verfügung zu stellen, um den Audi RS Q8 eine möglichst flotte Runde auf der Nordschleife zu ermöglichen. Der zweite SUV der Audi Sport GmbH nach dem kompakten RS Q3 soll es hier richtig krachen lassen. "Zusammen mit RS6 und RS7 bedeutet der RS Q8 den ersten Schritt in Richtung Elektrifizierung unserer Marke", sagt Julius Seebach, Geschäftsführer der Audi Sport GmbH. Also teilen sich die Modelle einen Antriebsstrang? "Nicht ganz. Einige Komponenten des RS Q8-Triebwerks sind wegen der höheren Masse des Fahrzeugs robuster ausgelegt", erklärt Seebach. "Victor Underberg, Leiter Technische Entwicklung bei der Audi Sport GmbH ergänzt: "Die Kolben und die Turbolader beispielsweise". Fein, dann sollte heute ja nichts schiefgehen.
Ein erheblicher Teppich aus Bindemittel und umfangreiche Reparaturarbeiten an Leitplanke und Fangzaun der Hohenrain-Schikane erzählen stumm davon, dass gestern im regnerischen Touristenverkehr und vorgestern im hitzigen VLN-Saisonfinale sehr wohl das eine oder andere schief ging. "Richtig ans Gas kann ich heute sowieso nicht gehen", sagt Frank Stippler, Entwicklungs-Ingenieur und Rennfahrer, der zuletzt dieses Jahr auf einem R8 LMS hier das 24-Stunden-Rennen gewann. Wieso denn nicht? Die Eifel explodiert gerade in Herbstfarben, von der Sonne beschienen. Okay, die Außentemperatur von sieben Grad pisakt vermutlich die Reifen. Aber sonst? "Siehst du gleich", sagt Frank als er den Audi nach der T13 in den Hatzenbachbogen fallen lässt, danach sehr wohl den Hahn aufreißt, denn das Vierliter-Triebwerk donnert bebend. Vor dem Kilometer-zwei-Schild ziehen sich die dunklen Flecken auf dem Asphalt zur Fahrbahnmitte zusammen – Feuchtigkeit. Bei der Kälte. Öha. "Wird noch glatter", kündigt Frank an. Er stammt aus der Region, spürt also vermutlich im kleinen Zeh, wenn sich der Reibwert ändert.
Später, zurück in der Prototypen-Werkstatt in Meuspath, wird Roland Waschkau ein Gewirr aus Datenkurven an die Wand projizieren. Der Fahrwerksentwickler erklärt: "Bei optimalen Grip-Verhältnissen biegen Frank und der RS Q8 mit knapp 150 km/h in den Rechtsknick. Hier hilft die Wankstabilisierung immens, da die Kurve leicht hängt". Beim Einbiegen ins Hatzenbach-Geschlängel, die erste Rechts nach der welligen Anbremszone, verflüchtigt sich der Grip an der Vorderachse des Prototypen noch stärker. Die nächste Wechselkurve geht wieder mit mächtig Dampf, die letzte Links vor Hocheichen über den Curb, der Audi bleibt stabil. Stippler redet nicht lange herum: "Klar, wenn du Sportwagen und richtige Rennwagen gewohnt bist, bist du für so einen SUV nicht gleich Feuer und Flamme. Aber hey, was der kann, das ist schon irre". Wohl wahr.
Alte Rekordzeit von 7:42 Minuten
Den Rundenrekord für SUV haben sich die Audi Sport-Buben mit dem RS Q8 gesichert. Die Zeit: 7:42 Minuten auf der 20,832 Kilometer langen Strecke. Und heute? Keine Chance. Auch wenn Frank gerade das Rekord-Auto bewegt. Eingang Flugplatz, wieder feucht, wieder leichtes Untersteuern. Dann wieder Volllast, in Richtung Schwedenkreuz, Tempo 240 steigend. Auf der Rekordrunde brach der SUV mit 260 km/h über die Kuppe, danach verzögerte Frank mit 85 bar Bremsdruck, also fast voll. Dann wieder aufs Gas bis Aremberg, runter in die Fuchsröhre. Oben im Adenauer Forst ist’s wieder glatt. Der Audi fährt im "Auto"-Modus. Weshalb keiner der beiden, individuell konfigurierbaren RS-Modi? Ein Klick an der Lenkradtaste reicht, um sie abzurufen. "Bei den Verhältnissen arbeitet dann vor allem das Sportdifferenzial zu aggressiv. Da kommst du dann aus einigen Ecken massiv quer raus, kein Witz", sagt Frank. Das Differenzial jongliert mit den Kräften zwischen den Rädern. Roland Waschkau zeigt später auch dazu einen Datensatz. "Das Differenzial kann ein Raddrehmoment von bis zu 1.000 Newtonmeter übertragen. Bei der Rechtskurve nach der ganz engen Links bei Wehrseifen beispielsweise neutralisiert das Differenzial sehr effektiv untersteuern. Hier werden rund 800 Newtonmeter auf das linke Hinterrad verschoben".
Das klappt sogar jetzt, der Audi fliegt auf die Brücke zu, Stippler wirft den Anker, mein Helm tippt kurz an die obere Querstrebe des Sicherheitskäfigs. Davon und von den Schalensitzen mit Fünfpunktgurten entspricht der Audi RS Q8 der Serie, wiegt so rund 2,4 Tonnen. Die montierten Räder der Dimension 295/35 ZR23 stehen allerdings in der Aufpreisliste, Serie sind 22-Zoll-Räder. "Das ist ein Pirelli P Zero, eigentlich auf Trockenheit optimiert, aber kein Cup-Reifen oder so. Umso beeindruckender ist der Grip bei diesen Verhältnissen", referiert Stippler, als er den Audi in die schattige Anbremszone beim Bergwerk schickt. Jetzt kommt die lange, schnelle Bergaufpassage Richtung Steilstrecke, kurz unterbrochen von der Mutkurve, die der Profi lieber defensiv angeht. Der Druck, mit dem der SUV dann weiter bergauf stapft, lastet schwer auf Brust und Magen. Schub, 800 Newtonmeter, immer, immer mit voller Wucht. Der Audi plumpst ins Karusell, in der Lage, hier eine Querbeschleunigung von 1,6 g aufzubauen.
Ein zentrales Steuergerät verarbeitet derweil die Informationen der Sensoren, befehligt auf dieser Basis Dämpferrate, Hinterachsdifferenzial, Wankstabilisierung und Hinterachslenkung – in Sekundenbruchteilen. Aus dem Karussell springt der Audi RS Q8 nicht heraus, er dampfwalzt weiter zur Hohen Acht, dumpf brüllend. Stippler wirft ihn in die Rechts Hedwigshöhe. Gut, dass der enge Sitz und der Helm den Körper von Fliehkraft-bedingten Verformungen abhalten. Wippermann, Eschbach, Brünnchen, Eiskurve. Mit leisen Bewegungen am Lenkrad zaubert Stippler den SUV über die wechselnden Reibwerte. Er spricht dabei, doch du merkst ihm die Konzentration an. Im Pflanzgarten ist das Tempo schon wieder derart hoch, dass nur vor der Kuppe bremsen nicht reicht. Nach der Kuppe ebenfalls, dann rein in die Rechts, umsetzen nach Links, alles ohne spürbare Karosseriebewegungen. Absurd? Vielleicht.
Doch Absurdität ist essentieller Bestandteil des Motorsports. Wie wäre es also mal mit einem RS Q8 Markenpokal? Jetzt brät der Prototyp durch das Bellof-S, Anfahrt Schwalbenschwanz, kurz auf die Bremse, dann kneift wieder die Seitenwange des Sitzes in die Rippen. Ausrollen auf der Döttinger Höhe, zurück in die Werkstatt. Wieso muss ein SUV das können? Reicht die Agilität eines SQ8 denn nicht, wo denn ohnehin kein Kunde mit so einem Apparat auf die Rennstrecke geht? "Wir haben den RS Q8 ja nicht ausschließlich für die Rennstrecke entwickelt. In erster Linie soll er voll alltagstauglich sein und ein Maximum an Fahrspaß bieten", sagt Julius Seebach. Projektleiter Michael Barma ergänzt: "Als wir Ende letzten Jahres bei der Dauerlauferprobung gemerkt haben, dass wir relativ schnell in einen Bereich von unter acht Minuten kommen, haben wir daran weitergearbeitet". Dabei könnte der SUV ja auch anders. Bis zu 40 Sekunden und 22 km/h. Aber das ist eine andere Geschichte. © auto motor und sport
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