Ostfildern - Selbst schalten ist beim Autofahren nicht mehr angesagt. Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschland sind immer öfter in einem Wagen mit Automatikgetriebe unterwegs.
Von den Neufahrzeugen aus dem aktuellen Baujahr sind nach Angaben der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) gut zwei Drittel (66,4 Prozent) damit ausgestattet. Im Jahr 2000 war es erst ein Fünftel (19,6 Prozent).
"Diese Entwicklung wird begünstigt durch die zunehmende Elektrifizierung der Antriebe", sagte ein Sprecher des Marktbeobachtungsunternehmens der Deutschen Presse-Agentur. Reine Elektroautos und Plug-in-Hybride gebe es nicht mit Handschaltung. Aber auch die Zahl der anderen Modelle, die noch mit Handschaltung zu bestellen sei, werde immer geringer. "Über kurz oder lang wird sich das Automatikgetriebe vermutlich durchsetzen", so der DAT-Sprecher.
Oberklasse zu 100 Prozent mit Automatik
Dabei gilt der Grundsatz: Je stärker ein Auto motorisiert ist, desto höher ist der Anteil von Automatikgetrieben. "Wenn wir das nach Klassen betrachten, ist die Oberklasse heute zu 100 Prozent mit Automatik ausgestattet", sagte der DAT-Experte. "Auch die Klasse der SUV und Geländewagen verfügt weitgehend über Automatik."
Der ADAC teilt diese Einschätzung: "Schaltgetriebe entfallen zunehmend aus den Ausstattungslisten vieler Hersteller, vor allem bei größeren Fahrzeugen", so eine Sprecherin. Der Automobilclub bewertet die Entwicklung positiv. Der Fahrkomfort mit Automatik sei deutlich höher. Durch hohe Stückzahlen sei das Automatikgetriebe außerdem günstiger geworden.
Spritsparendes Fahren problemlos möglich
Und auch der früher häufig diskutierte Nachteil, eine Automatikschaltung sei mit höherem Verbrauch verbunden, stimme nicht mehr. Das schätzt auch die DAT so ein: "Heute sind Automatikgetriebe mit 7, 8 oder 9 Gängen ausgestattet, das heißt spritsparendes Fahren ist problemlos möglich."
Insbesondere Fahranfänger legen inzwischen keinen Wert mehr auf Handschaltung: "Der Trend ist eindeutig", sagte der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU), Rainer Zeltwanger. "Vor 20 Jahren war das noch anders, das hat sich völlig gedreht." Führerscheinprüfungen würden immer häufiger mit einem Automatikauto gemacht. In Zeltwangers eigener Fahrschule in Stuttgart gibt es keine Führerscheinprüfungen mit Schaltwagen mehr.
Autos mit Schaltgetriebe wird es nicht mehr geben
Dazu hat beigetragen, dass Prüfungen mit Automatikauto seit April 2021 auch für Schaltgetriebe gelten, wenn die Fahrschüler 10 Fahrstunden und eine 15-minütige Testfahrt mit einem Schaltfahrzeug nachweisen. "Welchen Sinn macht es, einen Schaltwagen zu fahren? Eigentlich gar keinen", so der Verbandspräsident. Autos mit Schaltgetriebe werde es in wenigen Jahren nicht mehr geben - schon wegen des Trends zur E-Mobilität.
Die Hersteller haben der Entwicklung Rechnung getragen. Was noch vor einem Vierteljahrhundert kaum denkbar schien, ist längst Wirklichkeit: Bei vielen Modellen ist die Handschaltung nicht mehr im Angebot. Bei BMW etwa liegt der Automatik-Anteil bei den Neuwagen in Deutschland inzwischen bei über 90 Prozent.
In der 3er-Baureihe beispielsweise oder beim neuen BMW 2er Active Tourer wird dem Hersteller zufolge gar kein Schaltgetriebe mehr angeboten. Die Varianten mit Handschaltung seien noch bei den Einstiegsvarianten wie der 1er-Baureihe zu finden - oder am anderen Ende der automobilen Produktpalette im PS-starken M4.
Daimler setzt Schaltgetriebe aktuell nur noch in Kompaktfahrzeugen wie der A-Klasse und B-Klasse ein. "Mittelfristig werden wir in unserem Pkw-Portfolio keine Schaltgetriebe mehr anbieten", so der Hersteller. "Mit der zunehmenden Elektrifizierung unserer Produktpalette setzen wir auf automatisierte Getriebe."
Volkswagen hat im vergangenen Jahr in Deutschland den Angaben nach gut drei Viertel aller Fahrzeuge mit Automatikgetriebe verkauft. Beim Golf liege der Anteil bei rund 70 Prozent. Die Nachfrage nach Schaltgetrieben bei den Kunden hat VW zufolge über die vergangenen zehn Jahre ständig abgenommen: Hatten es 2012 noch rund 70 Prozent der ausgelieferten Fahrzeuge, waren es 2021 weniger als ein Viertel.
Die Entwicklung dürfte sich fortsetzen. Aufseiten der Autohersteller sei vieles schon für den Weg zum autonomen Fahren vorgezeichnet, so der DAT-Sprecher. "Und das geht nur mit Automatik."
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