Seit 2019 lagen die neuen Regelungen in Sachen "Rad/Reifenkombinationen an Krafträdern" schon auf dem Tisch, die ab 2025 bindende Vorgabe für Prüforganisationen bei der Hauptuntersuchung sind. Das bringt Probleme bei Motorrädern ohne EU-Zulassung mit sich. Aber auch Lösungen.
Reifen müssen zu einem Motorrad passen – dafür sorgt die EU-Typengenehmigung. Bei der kommt es unter anderem zur Prüfung der größten zulassungsfähigen Reifen- und Felgenbreiten in einem Motorrad. Erfüllen neue Reifen diese Vorgaben, dürfen Motorradfahrer sie auch nutzen. Das ist der große Vorteil der seit 2019 auf den Weg gebrachten neuen "Rad/Reifenkombinationen an Krafträdern".
Neue Regelung hat auch Vorteile
Der deutsche Weg, bei allen neuen Reifen als Nachrüst-Erlaubnis ein Gutachten mitzuführen, entfällt damit im Zuge einer EU-Harmonisierung. Die gute Nachricht: Wer ein Motorrad mit einer EU-Zulassung fährt, was zumeist auf Modelle mit einer Erstzulassung ab 2000 zutrifft, darf mit dem Wegfall der Reifenbindung seit 2019 jeden passenden Pneu in selber Größe aufziehen – bei gleichem Aufbau und gleichem oder besserem Geschwindigkeits- und Tragfähigkeitsindex. Erst bei Größenänderungen wird’s schwieriger.
Probleme bei Erstzulassung bis 2000
Doch bleiben wir bei den Dimensionen, die auch im Fahrzeugschein stehen. Hier bekommen Fahrer von Motorrädern bis zu einer Erstzulassung im Jahr 2000 Probleme. Gut am Feld "K" in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 zu sehen. Taucht dort eine E-Nummer auf, scheint in Sachen Reifenbindung die Sonne, wenn nicht, steigt der Stresslevel. Vor allem, weil bei diesen Fahrzeugen oft noch folgender Passus vermerkt ist: "Reifenfabrikatsbindung gemäß Betriebserlaubnis beachten." Die liegt aber kaum jemandem vor. Und selbst wenn: Wer will heutzutage schon 25 Jahre alte Pneus fahren und wo gibt es die noch?
Bericht aus der Praxis mit einer 1999er Honda VTR 1000 F
Genau auf diese Probleme traf auch der Autor dieses Artikels. Ein spontaner Kauf einer 1999er Honda VTR 1000 F sollte alte Zweiradträume auffrischen, brachte aber mit einem notwendigen TÜV-Termin für die Zulassung Probleme mit sich. Auf der Honda lieferten Bridgestones S 22 tollen Grip, nur entsprachen die nicht der Betriebserlaubnis. Mit der aktuell von vielen Reifenherstellern zur Verfügung gestellten "Serviceinformation für Reifenumrüstungen" (oder ähnlich) lässt sich zwar nachweisen, dass der Reifenhersteller beim Beispiel den S 22 auf der VTR 1000 F für eine adäquate Ausrüstung hält, das muss der jeweilige Prüfer aber auch so sehen.
Bedeutet im Einzelfall: Mit den Reifen und der Serviceinformation bei der Prüforganisation vorstellig werden, das Vorhaben erklären und nachfragen, ob es möglich wäre, diese Reifenkombination einzutragen. In der Regel gelingt das ohne Zwischenfälle. Eine Korrektur der Zulassungsbescheinigung Teil 1 bei der Zulassungsstelle ist dann noch nötig. Da kommen dann schnell 150 Euro und mehr zusammen, nur um eine (!) Reifenpaarung einzutragen, die vielleicht in fünf Jahren nicht mehr aktuell oder aus dem Programm geflogen ist.
Ändern der Zulassungsbescheinigung Teil 1
Im Falle der VTR ist dieses Vorgehen besonders bitter, weil das Motorrad ohne wesentliche Änderungen an Fahrwerk und Felgen nach 1999 weitergebaut wurde. Sprich: Mit der EU-Zulassung ab 2000 verschwinden alle Probleme, die beim geschilderten Fall viel Geld und Aufwand kosten. Geht das nicht auch anders? Um das zu klären, gab’s ein Vorgespräch bei der TÜV-Station des Vertrauens in Tübingen. Anstatt nur eine Reifenpaarung einzutragen, wurde darum gebeten, doch gleich drei Modelle in den Größen 120/70 ZR 17 (58W) TL vorne und 180/55 ZR 17 (73 W) TL hinten abzunehmen. Entsprechende Serviceunterlagen wie beim S 22 von Bridgestone lagen als Grundlage für die Beurteilung vor, Größe, Tubeless-Aufbau sowie Tragfähigkeit und Geschwindigkeitsindex (bspw. 58 W beim Vorderreifen) wurden eingehalten oder übertroffen.
"Herstellerbescheinigung der Reifenkombination ist mitzuführen"
Der TÜV schlug jedoch ein anderes Vorgehen vor. Er würde den Passus: "Reifenfabrikatsbindung gemäß Betriebserlaubnis beachten" streichen und stattdessen "Herstellerbescheinigung der Reifenkombination ist mitzuführen" eintragen. Dadurch erreicht die Honda VTR 1000 F zwar nicht den Stand eines EU-homologierten Motorrads, sie darf in Zukunft aber alle Pneus auf ihren Felgen tragen, für die es bei gleichbleibender Größe eine Herstellerbescheinigung oder Serviceinformation gibt. Zusammen mit der Eintragung der Änderung der Leistung der VTR verlangte der TÜV-Servicepartner für diese Arbeit 80 Euro. Ein doch fairer Kurs.
Auf Nachfrage bestätigte der TÜV Service-Partner dabei, dass dieses Austragen der Reifenbindung samt Festlegung des neuen Passus generell im Ermessensspielraum einer Prüforganisation liegt. Sprich: Eigentlich dürften das alle Dekras, TÜVs, GTÜs und wie sie alle heißen dieser Welt. Wichtig bleibt nur: Die Reifenparameter ändern sich nicht.
MOTORRAD macht den Polizei-Check
Da der geänderte Passus in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 nur ein Part ist, haben wir noch bei der Verkehrspolizei in Stuttgart nachgehakt, wie sie eine Kontrolle handhabt, wenn in den Papieren der geänderte Zusatz des Beispiels der Honda VTR 1000 F "Herstellerbescheinigung der Reifenkombination ist mitzuführen" auftaucht. Vor allem deshalb, weil in vielen Reifenfreigaben oder -Serviceinformationen ergänzend steht: "Sollte der Fahrzeugschein bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil 1 bei Fahrzeugen ohne EU-Betriebserlaubnis Einschränkungen oder Reifenbindungen beinhalten, so ist eine Begutachtung gem. § 19 Abs. 2 i. V. m. § 21 StVZO notwendig." Dreht man sich mit dem neuen Passus in den Honda-Dokumenten nur im Kreis oder ist der Polizei bei einer Kontrolle klar, dass damit eine Begutachtung entfällt?
Grundsätzlich, so die Stuttgarter Experten, ist die Empfehlung der Prüforganisationen bekannt, welche die mögliche Streichung der Reifenbindung vorsieht. Stimmen alle wichtigen Daten des Reifens mit den Angaben in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 überein, passt die Freigängigkeit, dann dürften bei einer Kontrolle durch die Polizei keine Probleme auftreten. Die nicht ganz klare Formulierung in den Serviceinformationen der Reifenhersteller, die teils von einem möglichen Erlöschen der Betriebserlaubnis sprechen, bieten im Einzelfall laut Polizei aber Raum für Missverständnisse. Hier gilt wie bei den Prüforganisationen, dass sich das neue Vorgehen in Sachen Reifenbindung bei älteren Motorrädern erst flächendeckend durchsetzen muss.
Fazit
Die EU-Typengenehmigung ermöglicht seit 2019 eine flexiblere Reifenwahl für Motorräder mit EU-Zulassung ab 2000. Bei älteren Modellen bleibt die Reifenbindung problematisch. Eine Änderung der Zulassungsbescheinigung kann Abhilfe schaffen, erfordert jedoch Aufwand und Kosten. Prüforganisationen bieten Lösungen an. © Motorrad-Online