Wie heißt es so schön: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Die treuen Leser unter Ihnen erinnern sich bestimmt: Vor ziemlich genau sechs Jahren lasen Sie an dieser Stelle den Fahrbericht zum X2 aus Lissabon. Das Fazit damals: Viel Geld für einen unpraktischeren X1 mit kaum Federungskomfort, weniger Platz und betagter Fahrassistenz. Fast 400.000 Käufer hat das bis heute offensichtlich nicht abgeschreckt. Und doch ändert sich bei der zweiten Generation einiges: Die baut 19 cm länger als der Vorgänger, übertrifft somit den aktuellen X1, duckt sich aber fünf Zentimeter flacher. Statt Shooting-Brake-Heck mit Logo auf der C-Säule fällt die Heckpartie nun wie bei X4 und X6 flach ab.
Der Stromer liegt besser im Wind
Klar, das hilft dem cw-Wert von 0,25 beim Elektro-iX2 (X2: 0,26), mit dem wir gleich durch Portugal stromern. Der E-SUV unterscheidet sich optisch lediglich durch die geschlossene Front von den Verbrennern, und natürlich fehlende Endrohre. Dafür umleuchten die Bayern beim Topmodell X2 M35i die Riesenschnauze serienmäßig. Bei Tageslicht ist das SUV-Coupé dagegen kaum zu übersehen. Gegen die bescheidene Rundumsicht installiert BMW eine Rückfahrkamera ab Werk in Regensburg.
Die inneren Infotainment-Werte zählen
Unübersehbar sind die Verwandtschaftsverhältnisse zum X1 im Innenraum: Das Display curvt sich dem Fahrer entgegen und spart sich leider den Drehdrücker. Bedientechnisch setzt der X2 so trotz guter Online-Sprachsteuerung keine Glanzpunkte – ja, das war früher besser. BMW installiert nun das aktuelle OS9-Betriebssystem. Das unterscheidet sich optisch zwar kaum vom Vorgänger 8.5, technisch bedeutet es jedoch einen Umbruch. Die Software basiert nun nicht mehr auf Linux, sondern auf Android. Allerdings ist deutlich mehr Rechenleistung nötig, weshalb das Infotainment in den Vorserienfahrzeugen noch nicht so reibungslos läuft wie gewohnt. Tatsächlich reagiert es auf Berührungen oft nur zögerlich oder lädt länger. Aber warum das Ganze? Nun, künftig spart BMW sich durch Außer-Haus-Entwicklungen eigene Kapazitäten und kann sich darüber hinaus Third-Party-Apps ins Auto holen.
Video: Der neue BMW X2 M35i im Fahrbericht
Der Fahrer kuschelt sich angenehm tief in den elektrisch verstellbaren Integralsitz. Der bietet im M35i mehr Seitenhalt als im iX2. Dessen Sitz lässt sich dafür aber ebenso gut feinjustieren. Hinten müssen Sie allerdings beim Einsteigen den Kopf einziehen, und wer größer als 1,74 Meter gewachsen ist, streift am Dachhimmel. Durch die Batterie im Unterboden stehen die Knie beim Stromer etwas höher.
Kaum Unterschiede beim Kofferaumvolumen
Üppig ist der Platz im Heck samt großem Ladeboden, zumindest den Litern nach, es sind 515 bis 560. In der Realität begrenzt das Schrägheck den Nutzwert, auch wenn die dreiteilig umklappbare Rücksitzlehne (ohne Fernentriegelung) das Volumen auf 1.470 Liter erweitert. Beim iX2 sind’s 70 Liter weniger. Die Ladekabel kommen zwar immer noch geräumig im Kofferraumboden unter, ein Frunk fehlt jedoch. Dafür darf der Stromer bis zu 1.200 Kilogramm an den Haken nehmen. Der X2 trägt als M35i nur eine AHK für Fahrradträger.
X2 M35i: Weniger Power, mehr Klang
Alles sicher verstaut? Dann starten wir jetzt den X2 M35i. Sein 300 PS starker 2,0-Liter-Benziner ist ein echter Reißer. Auch wenn er mit maximal 400 Nm Drehmoment gegenüber dem Vorgänger 50 Nm eingebüßt hat, drückt er schon unter 2.000/min kräftig. Der Sound stimmt nach außen dank Klappenauspuffanlage – und innen, wenn Sie die "IconicSounds" deaktivieren. Das Siebengang-DKG findet in der "Sport"-Stellung zielsicher den richtigen Gang, doch mit den Paddles aus dem M3 selbst zu schalten, ist ebenfalls ein Riesenspaß.
Mit den adaptiven Dämpfern, die sich jedoch nicht mehr vom Fahrer verstellen lassen, bleibt der X2 komforttechnisch ganz der Alte: Ein übertrieben harter Knochen, der in Kurven wenig wankt. Auch die Lenkung überzeugt nicht: Auf der Landstraße meldet sie wenig von der Vorderachse zurück, und auf der Autobahn tänzelt das Auto unruhig über die Spur. Anders als früher dienen Fahrmodi nicht mehr zwangsläufig zur Steigerung der Performance, sondern lenken mit "Relax" oder "Digital Art" vom Wesentlichen ab.
Gut also, dass der Sprung vom Vorgänger in puncto Fahrassistenz ein großer ist. Diese Helfer unterstützen den Fahrer souverän im dichten Stadtverkehr Lissabons und rangieren bis zu 50 Meter selbstständig rückwärts.
iX2: mehr Komfort, längere Pausen
Das alles beherrscht auch der elektrische iX2. Mit zwei je 140 kW starken E-Maschinen der fünften Generation schiebt der Elektro-SUV aus dem Stand mit 494 Nm Drehmoment noch kräftiger an. Via Boost-Taste vereint sich die Bimotor-Leistung für zehn Sekunden zu 230 kW, 0–100-Sprints werden laut BMW in 5,6 Sekunden abgehakt. Den Topspeed limitieren die Bayern jedoch auf 180 km/h – der M35i läuft 250 km/h. Immerhin verhelfen die 2,1 Tonnen Gewicht und das weichere Fahrwerk dem E-SUV zu etwas ausgewogenerem Federungskomfort.
Ist der E-SUV damit sogar der bessere X2? Jein, denn mit maximal 130 kW Ladeleistung dauert es schon im besten Fall 29 Minuten, bis der SOC im 64,8-kWh-Akku von 10 auf 80 Prozent steigt. Serienmäßig lädt der BMW mit 11 kW an der Wallbox in sechseinhalb Stunden, optional mit 22 kW in weniger als vier Stunden von 0 auf 100 Prozent. Dann wären 449 km nach WLTP drin. Eigentlich genug, und trotzdem ist es gut, dass das Navi bei der Routenplanung Ladestopps inkludiert.
Abgehobene Preise
Bleiben noch die Preise: Mit 56.500 Euro für den iX2 und 63.800 Euro für den X2 M35i sind die besonders deftig. Trotzdem sieht man sich bestimmt auch ein drittes Mal wieder. Der Diesel sowie die jeweils zwei Benziner und E-Varianten kosten rund 1.500 Euro mehr als beim X1 – so viel Kaufberatung muss an dieser Stelle sein. Warum es den X2 nicht als Plug-in gibt? Da lässt uns BMW im Dunkeln tappen. © auto motor und sport
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