Mit der Lonewolf 800 legt Xiangshuai die Latte hoch. Und das ist kein Kompliment: Dem 800er-V2 mit 310er-Reifen, fehlt es an nichts. Nur an Stil.

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Wem die Xiangshuai Wolverine 800 mit ihrem 360er-Schlappen hinten zu fett ist, dem bietet der chinesische Hersteller mit der neuen Lonewolf eine gemäßigtere Version, denn der einsame China-Wolf hat hinten nur einen 310-Reifen verbaut.

Xiangshuai Lonewolf 800 mit 310er-Reifen

In der deutschen Customszene ist der Spruch verbreitet: "You can't buy Brotherhood." 'Hold my beer', dachte sich da wohl Xiangshuai und bietet kurzerhand unter dem Label 'Brotherhood' extreme Custombikes ab Werk an. Neben der fetten Wolverine steht die neue Lonewolf 800. Technisch unterscheiden sich die Brotherhood-Schwestern im Grunde kaum. Im Stahlrahmen steht ein V2 mit 800 Kubik, mit wohl maximal 61 PS und 66 Nm. Also deutlich zu schwach für einen 800er-Motor und für das Motorradkonzept mit einem Reifen in 310/30-18 in der Einarmschwinge ohnehin zu wenig.

Einarmschwinge aus Deutschland

Aufmerksamen Custombikern dürfte die Einarmschwinge bekannt vorkommen. Sie stammt oder basiert auf einem Custombuilt von 'No Limit Custom' aus dem deutschen Hüffenhardt. Sie beeindruckt durch ihre Streitaxt-Optik und verbindet das Hinterrad mit dem Motorrad. Unterm Strich: Die Schwinge ist zwar ebenfalls nicht wirklich hübsch, doch im Gesamtmachwerk der Lonewolf klar ein Leuchtturm des guten Geschmacks.

Grausame Würfel-Optik aus China

Im Jahr 2024 urteilt das China-erfahrene Auge bisweilen milde über die Designs der Hersteller, denn die lassen sich mit der verwöhnten europäischen Meinung, mittlerweile recht gut in Einklang bringen. Vielleicht sticht die Xiangshuai Lonewolf 800 deshalb so heraus. Denn an ihrem Design stimmt im Grunde nichts. Brachiale Custom-Optik meets Japan-Cruiser und Naked Bike. So gesehen eine mit Potenzial geladene Mischung, aber eben nicht gut. Das Naked Bike darf die Front übernehmen: Dicke USD-Gabel mit Doppelscheibe und radial verschraubten Bremssätteln, zum Lenkopf abgeschlossen mit einem elliptischen LED-Scheinwerfer im Yamaha MT-Style, Modell "Anno 2015". Dahinter: Ein viel zu hoch bauender, viel zu verkleideter Tank, der keine echte Linie hat und so schmerzhaft an die V2-Modelle aus Japan erinnert, die nur in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends ansatzweise geil waren. Und auch nur wegen der Tendenz zu zwei Litern Hubraum. Unterm Strich: Da ist eigentlich viel einzeln Schönes dabei, nur gelingt Xiangshuai nicht, etwas komplett Schönes draus zu machen. Ernstgemeinter Höhepunkt des Lonewolf: Der hintere Krümmer schlängelt sich um die Kupplungsglocke nach vorn in Richtung zur rechten Fußraste zum Sammler.

Custombike mit Luftfederung

Wer sich fragt, wie Xiangshuai das breite Rad Lonewolf 800 mit 310er federt: Zwischen Getriebe und Schwinge liegt ein Luftfederbein, das per Kompressor in der Länge und Härte verstellt wird. Wahlweise per Knopfdruck am Lenker und wohl mit einer Funktion zum automatischen Absenken im Stand. Ein Feature, das uns von der mittlerweile wohl in Deutschland erhältlichen Benda LFC 700 bekannt ist und in beiden Modellen nur dem großen Ziel eines chinesischen Motorrads in China dient: Man will und muss auffallen. Mission accomplished.

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Kleiner Cruiser, großes Gewicht

Wo so viel Motorräder auf einem breiten Hinterrad steht, überrascht eine hohe Kilozahl auf der Waage nicht. Trotzdem entlocken die echt vielen 288 Kilo Leergewicht der Xiangshuai Lonewolf dem Leser und dem 800er-Motor kein Juchzen. Zum Vergleich: Die kleinste Big-Twin-Harley Softail Standard mit gut einem Liter mehr Hubraum wiegt 297 Kilo. Wobei zur Ehrerettung beiträgt: Die Lonewolf hat einen Tank mit 22 Liter Volumen.
Immerhin sollte die Lonewolf leicht zu rangieren sein, denn mit entlüftetem Federbein stehen nur 750 Millimeter Sitzhöhe gegenüber. Wobei selbst die für einen Cruiser hoch sind, was am riesigen Hinterrad liegen dürfte, denn das misst allein 56 Zentimeter im Durchmesser, inklusive Reifen. Immerhin: Xiangshuai bremst den Lonewolf mit einem 2-Kanal-ABS ein.

Xiangshuai Lonewolf 800 ab 7.800 Euro für Europa?

Hoffentlich nicht. Und das aus vielen Gründen. Von denen einer der Preis wäre, denn mit umgerechnet 7.800 Euro ist der Xiangshuai Lonewolf 800 ein recht teures Modell auf dem heimischen Markt in China. Sprich: Unter 10.000 Euro könnte das Modell nicht in Europa angeboten werden, und dafür gibt es schon eine echte, gebrauchte Harley vom Schlage einer Sportster, einer vielgefahrenen Dyna mit Twin-Cam oder der guten, alten VRod. Interessant: Mit den beiden 808 Modelle, die es auch in Europa gibt, zeigt Xiangshuai, dass sie Cruiser eigentlich können.

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Fazit

Xiangshuai zeigte mit der Lonewolf 800 einen weiteren Breitbau-Cruiser für den heimischen Markt in China. Wie die großer Schwester Wolverine, mit 800er-V2 und fetter Einarmschwinge, nebst Breitreifen. Im Falle der Lonewolf ein 310er-Reifen mit Luftfederung hinten. Dazu eine dicke USD-Gabel vorn. So fett die Optik, so mager die Leistung. Trotz Wasserkühlung stemmt der 800er-V2 nur magere 61 PS und 66 Nm und muss 288 Kilo bewegen. Passend dazu ist der Preis mit umgerechnet 7.800 Euro in China hoch und daher die Chancen auf einen Auftritt in Europa klein. Zum Glück, denn in Gänze ist die Lonewolf 800 kein stimmiges Motorrad. Linien, Proportionen und Stil passen nicht zusammen, alles wirkt gestückelt und aus der Not heraus kombiniert.  © Motorrad-Online

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