Immer mehr Deutsche schwingen sich aufs Rad - doch haben sie auch genug Platz? Nein, sagen in seltener Einigkeit Auto- und Fahrradlobbyisten. Die meisten Radwege sind zu schmal, wie der ADAC anhand von Stichproben darlegt.
Fahrradfahren wird immer beliebter in Deutschland, dieser Trend hat sich in der Coronakrise verstärkt: Laut dem "Mobilitätsmonitor 2020" wollen mehr Bürgerinnen und Bürger künftig öfter aufs Fahrrad steigen.
- 2019 nutzten noch 17 Prozent täglich das Fahrrad, dieses Jahr sind es 22 Prozent.
- 27 Prozent der Befragten möchten auch nach der Krise öfter mit dem Fahrrad fahren.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech.
Umso wichtiger scheint da eine geeignete Infrastruktur samt guter Radwege. Diese kritisieren aktuell aber in seltener Einigkeit Auto- und Fahrrad-Lobbyisten klar und deutlich. Rund jeder dritte Radweg (36 Prozent) erfülle nicht einmal die jeweilige Mindestbreite, teilte der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) mit, der dazu aktuell Stichproben durchgeführt hat. "Die Regelbreiten erreichte oder überschritt sogar nur jeder fünfte Radweg."
Genug Platz für Fahrräder?
120 Routen in zehn Städten hatte der ADAC getestet, und zwar die fünf Landeshauptstädte mit dem höchsten sowie die fünf Landeshauptstädte mit dem niedrigsten Radanteil am Verkehr. Untersucht wurde, ob die bestehenden Radwege dem immer größer werdenden Andrang gewachsen sind. Maßstab waren dabei die geltenden Empfehlungen: ein nur in einer Richtung zu befahrender Radweg sollte mindestens 1,60 Meter, im Regelfall aber zwei Meter breit sein.
Radwege geprüft: Ergebnisse im Detail
Kiel schneidet am besten ab
59 der 120 Teststrecken, also knapp die Hälfte, schnitten mit "Ausreichend" ab. 21 Routen (gut ein Sechstel), erreichten ein "Gut" oder "Sehr gut". Doch 28 Routen (fast ein Viertel) fielen mit "Mangelhaft" oder "Sehr mangelhaft" im Test durch.
Einzig Kiel erreichte bei dem Test ein gutes Gesamturteil: dort fiel keine einzige Route durch. Bremen, Dresden, Erfurt, München, Saarbrücken, Stuttgart und Wiesbaden erhielten nur ein "ausreichend". Hannover und Mainz bekamen ein "mangelhaft" quittiert. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt bewerteten die Prüfer 70 Prozent der Routen als "mangelhaft" oder "sehr mangelhaft".
36 Prozent aller getesteten Radwege waren schmaler als die jeweiligen Mindestbreiten aus den ERA-Empfehlungen, weitere 43 Prozent erreichten die empfohlenen (größeren) Regelbreiten nicht. Von den kombinierten Geh- und Radwegen lagen "nur" 19 Prozent unter den empfohlenen Mindestbreiten, auch wurden häufige Hindernisse bemängelt wie Schilder, Gestrüpp und Bäume - vor allem in Mainz, Wiesbaden und Stuttgart sowie in Dresden und Erfurt.
Kritik: Zwei Meter Breite zu wenig?
"Selbst die Sollbreite von 2,00 Metern halten wir noch deutlich für zu schmal. 2,50 Meter sind für uns die Mindestbreite, 3,00 Meter die Sollbreite", betont der Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Burkhard Stork. Er bemängelte nicht nur den Platz auf den Radwegen: "Fast alle Radwege sind nicht in Asphalt ausgeführt, sondern mit Steinen gepflastert. Sie sind oft in ganz, ganz schlechtem Zustand, häufig sind sie von Wurzeln aufgebrochen."
Des Weiteren betonte Stork auf Anfrage: "Unseres Wissens gibt es keine Stadt in Deutschland, die auf den Radwegen vernünftig Schnee räumt. Und wenn jetzt der Herbst da ist, räumt auch annähernd keine Stadt das Laub vernünftig. Das ist gefährlich, das ist rutschig, man sieht oft gar nicht, wo genau der Radweg ist." (af)
Verwendete Quellen:
- ADAC
- dpa
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