Mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, weniger für Autos – genau das haben die Pariserinnen und Pariser am Wochenende in einer Bürgerbefragung entschieden. Unsere Autorin fragt sich: Warum nicht auch bei uns?

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Diese Schlagzeile ging gestern durch die Medien: In Paris sollen 500 Straßen autofrei werden. In einer Bürgerbefragung hat sich eine Mehrheit dafür ausgesprochen, dass mehr Straßen zu grünen Fußgängerzonen und Fahrradstraßen werden. Durchfahrtsverbote, Zehntausende wegfallende Parkplätze, eine Metropole sperrt ihre Autofahrer aus – die Nachricht sorgt in Deutschland für große Augen.

Paris zeigt: Wer will, der kann!

Der aktuelle Vorstoß reiht sich ein in eine große Zahl von Veränderungen in die Pariser Infrastruktur. Seit 2002 ist der Autoverkehr in Paris um fast 50 Prozent gesunken. Möglich gemacht hat das Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die die Stadt konsequent umgebaut hat. Neue Fahrradspuren, Durchfahrtsverbote, Tempo 30 auf fast allen Straßen – und siehe da: Die Menschen kommen trotzdem an ihr Ziel. Wer vor zehn Jahren noch dachte, er sei auf sein Auto angewiesen, fährt heute Rad, E-Bike oder nutzt den ÖPNV. Warum? Weil die Stadt die richtigen Bedingungen geschaffen hat. Es geht also – wenn man nur will.

Das Märchen von den "Autofahrern in Not"

Kaum gibt es eine Verkehrswende, werden reflexartig die "armen Menschen" ins Feld geführt, die wirklich auf ihr Auto angewiesen sind. Aber ist es wirklich so schwer, Ausnahmen für Handwerker, Senioren oder Lieferdienste zu regeln? Natürlich nicht. Die Wahrheit ist: Die lautesten Kritiker sind oft genau die, die einfach keine Lust haben, ihr bequemes System zu hinterfragen. "Ich bin auf mein Auto angewiesen." ist oft nur ein Code für "Ich will nicht umsteigen".

Warum nicht auch in Deutschland?

Liest man die Berichterstattung in Deutschland, wird immer schnell betont, dass eine solche Umwidmung von Straßen per Bürgerbefragung bei uns nicht möglich wäre. Aber warum eigentlich nicht? Warum dürfen die Menschen, die täglich auf den Straßen unterwegs sind, nicht mitbestimmen, wie sie genutzt werden? Stattdessen entscheiden Autolobbys und konservative Politiker über eine Verkehrspolitik, die sich seit Jahrzehnten kaum bewegt.

Und was ist mit der geringen Wahlbeteiligung in Paris? Nur vier Prozent der Wahlberechtigten haben abgestimmt, was oft als Zeichen für eine geringe Aussagekraft interpretiert wird. Dabei zeigt die niedrige Beteiligung vor allem eins: Die meisten sind zufrieden. Wenn das Projekt ein Aufstandsthema wäre, hätten mehr Leute dagegen gestimmt. Aber das ist eben nicht passiert.

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Die Revolution, die Deutschland braucht

Ich wünsche mir, dass deutsche Städte endlich den Mut haben, Paris nachzueifern. Dass sie nicht nur über Verkehrswende reden, sondern sie aktiv gestalten. Dass sie den Mut haben, die Autodominanz in unseren Innenstädten zu hinterfragen und durch echte Alternativen zu ersetzen. Die Realität ist: Veränderung geht schneller, als viele glauben – wenn man sie zulässt. Paris zeigt, dass es möglich ist. Jetzt ist Deutschland dran.  © Bike-X