Die neue "Multi" tritt 2025 mit dem neuen, 115 PS starken V2-Motor an. Und laut Ducati hat sie 18 Kilo abgespeckt. Unsere erste Tour mit der neuen Ducati Multistrada V2 S.
Für treueste Traditionalisten mag die neue Multistrada-Generation ein Tabubruch sein: Sie ist eine der aktuellen Ducatis ohne Gitterrohrrahmen und Desmodromik. Doch 18 Kilogramm Gewichtsersparnis, federleichtes Handling und bessere Alltagstugenden überzeugen.
Neuer Motor für die neue Ducati Multistrada V2
22 Jahre nach der 1000er-Ur-Multi und 15 Jahre nach der ersten 1200er schickt die für 2025 komplett neue Ducati Multistrada V2 die zuletzt erfolgreiche 950er, eigentlich korrekt 937er, in Rente. Die "kleine" Multi gewann Vergleichstests am laufenden Band, begeisterte zehntausende Käufer. Beim komplett erneuerten Nachfolger blieb kein Stein auf dem anderen. Trotzdem ist das Familiengesicht zu den Vorgängern und zur aktuellen V4 S bestens gewahrt. Ja, der neue 890er-Motor mit Ventilfedern statt Desmodromik hat einen Tick weniger Hubraum, er generiert dafür einen Hauch mehr Spitzenleistung: 115 PS (bisher 113 PS).
V2 oder L2 mit 115 PS
Die 115 PS der neuen Ducati Multistrada V2 sind vielen Motorrad-Reisenden schnurzpiepegal, und auf Landstraßen sind sie tatsächlich ohne Belang. Viel wichtiger ist doch die Frage: Kann der neue, mit 54,4 Kilogramm leichteste (L-)Twin der Firmengeschichte auch Touring? Immerhin hält ja fast nur noch Ducati die Tradition der charakterstarken, aber aufwendigeren 90-Grad-V2 in der oberen Mittelklasse hoch – zusammen mit Suzuki und der V-Strom 1050 übrigens. Beide kosten auch ähnlich viel – ab 15.990 Euro die Ducati, 16.100 Euro die deutlich schwerere Suzuki.
Video: Fahrbericht: Ducati Multistrada V2 S (2025)
Leichtbau aus Bologna – 18 Kilo leichter
Die Leichtbau-Spezialisten in Bologna wollen ihr neues Universalwerkzeug, die Ducati Multistrada V2, um 18 Kilogramm erleichtert haben. 214 Kilogramm fahrbereit soll die Standard-Version wiegen. Die zum Fahrtermin angetretene S-Version bringt wegen ihres semi-aktiv arbeitenden Fahrwerks 2 Kilos mehr auf die Waage. Nun, wir tippen eher auf 222 Kilogramm, denn die 950er wog als S-Version 240 Kilogramm. Egal, einigen wir uns auf leicht, richtig leicht. Das merkt man bereits beim Rangieren und dann gleich nochmal beim Losfahren.
Multistrada-Gefühl gleich beim Losfahren
Vom ersten Meter an stellt sich auch auf der neuen Ducati Multistrada V2 das typische "Multistrada-Gefühl" ein. Das würde man sogar mit verbundenen Augen spüren: Hier sitzt du nicht auf, sondern in einem Motorrad, perfekt ins Geschehen integriert. Dabei liegt der breite Lenker nicht mehr ganz so nah vor der Brust. Etwas mehr Abstand lässt langen Kerls auf der nun plüschiger gepolsterten Sitzbank spürbar mehr Platz und Bewegungsfreiheit.
Fahrwerk mitsamt Sitzhöhe einstellbar
Der Fahrersitz der neuen Ducati Multistrada V2 ruht wahlweise in 830 oder 850 Millimeter Höhe. Das passt locker von 1,70 Meter bis 1,95 Meter Statur. Kleinere Fahrer können das Heck per "Minimum Preload"-Funktion sogar noch um 8 weitere Millimeter absenken – bei Tempo 110 fährt es automatisch wieder hoch. Es gäbe, ganz nach Bedarf, auch 2 Zentimeter höhere oder noch niedrigere Sitzmöbel. Sogar an eine Drossel-Variante mit 48 PS (35 kW) für Fahranfänger mit Führerschein A2 ist gedacht. Ducati macht ernst, will mit der neuen Multi unterschiedlichste Fahrer und Fahrerinnen abholen.
Schwungmasse und variable Ventilsteuerung
Spielt der neue Motor der Ducati Multistrada V2 da mit? Oh ja! Er läuft früher rund, gibt sich für einen V-Twin mit immerhin jeweils 445 Kubik großen Pötten richtig umgänglich: Er hackt nicht mehr so heftig in der tiefsten Etage des Drehzahlkellers. Der noch kurzhubiger ausgelegte 890er verträgt den 5. Gang ruckelfrei bei 50 km/h und meistert 60 km/h im 6. Gang ohne zu hacken. Sein Geheimnis? Gut gewählte Schwungmasse. Plus die variable Ventilsteuerung an den Einlass-Nockenwellen. Sie variiert die Steuerzeiten je nach Lastzustand, Drehzahl und eingelegtem Gang/Fahrmodus. Das optimiert die Füllung selbst im Teillastbereich. Funktioniert unmerklich-gut.
Sanfter V-Twin-Sound
"Unser straßentauglichster Motor" nennt Pressesprecher Giulio Fabbri die Fein-Abstimmung für die neue Ducati Multistrada V2. Okay, am Ortsausgang im hohen Gang drückt der V2 nicht überbordend, wird aber rasch quicklebendig. Bereits bei 3.000/min sollen 70 Prozent des maximalen Drehmoments von 92 Nm parat stehen, also um 65 Nm. Ein, zwei Gänge heruntergesteppt, und das angenehm sanft klingende L von einem Motor ändert Tonlage und Charakter: Nun geht es wirklich spritzig voran, untermalt von sattem, tiefem Klang aus dem hochovalen Schalldämpfer – er räumt so dem optionalen Koffer mehr Raum ein – mit den 2 Auslassöffnungen.
Video: Test-Talk: Neuer Ducati V2-Motor
Quickshifter mit Blipper
Stichwort Schaltung: Ein Traum ist der serienmäßige Quickshift-Blipper der neuen Ducati Multistrada V2, mit Sensor im Getriebe, nicht mehr an der Schalt-Kinematik: Er wechselt die Gänge kupplungslos kinderleicht und exakt. Vermutlich reicht Husten nach links unten, um hoch- oder runterzuschalten. Bei Tempo 100 im 6. Gang rotiert die Kurbelwelle gut 4.000 Mal pro Minute. Da steht der V2 bereits gut im Saft. Der Rotlichtbezirk beginnt bei 10.000 Touren. Den werden wir heute nie entern. Runter von der Bahn, rein ins Vergnügen. Geraden kannten die Straßenbauer hier nicht. Hier kann man sich schwindelig fahren. Willkommen im Kurven-Multistrudel.
Volles Elektronik-Programm
3. und 4. Gang mit der neuen Ducati Multistrada V2 – und der Tag ist dein Freund. Da geht was! Gleich 5 Fahrmodi wachen per 6-Achsen-IMU über allzeit stabile (oder offroad auch mal kontrolliert leicht instabile) Fahrzustände: "Sport", "Touring", "Urban", "Wet" und "Enduro". Sie koppeln Leistungsabgabe (maximal 95 PS im Regen-Modus), Gasannahme (progressiv, linear, degressiv) 8-stufig einstellbare Traktionskontrolle, 3 Level fürs Kurven-ABS (offroad auch abschaltbar), Wheelie-Kontrolle und "Motorbremse" (Schleppmoment). Puh, so viele Wahlmöglichkeiten, denn zudem ist vieles auch frei kombinierbar.
Pirelli Scorpion Trail II – a perfect match
Nun, wenn man sich bei 6 Grad Celsius, anfänglichem Regen (jawohl) und böigem Wind auf – oder besser "in" – seinem Motorrad wunderbar geborgen fühlt, dann ist das schon ein dickes Kompliment für sich. Das gilt nicht nur für die neue Ducati Multistrada V2, sondern auch für die Pirelli-Pneus: Die Scorpion Trail II aus deutscher Produktion (vorn Sonderkennung "D", hinten "U") haften selbst unter widrigen Bedingungen einfach himmlisch.
3 Kilo leichtere Räder machen die Multi noch agiler
Bei der heiligen Madonna der gesegneten Geschwindigkeit – diese Fahr-Maschine aus dem streng katholischen Italien sticht mit so viel Gottvertrauen ins Kurvendickicht, dass man fast an Wiedergeburt glauben könnte. Frei nach Lucky Luke lenkt die neue Ducati Multistrada V2 S schneller ein als ihr Schatten. Hier zahlen sich die um 3 Kilogramm leichteren Räder gleich doppelt aus: durch kleinere ungefederte Massen und vor allem durch geringere Kreiselkräfte. Zudem sorgt der wie gehabt enorm breite Lenker für einen großen Hebelarm beim klitzekleinsten Lenkimpuls.
Monocoque aus Aluminium
Die neue Ducati Multistrada V2 versteift sich nicht einmal bei höheren Geschwindigkeiten, fährt einfach immer leicht und locker, gibt sich beim schnellen Umlegen in den hunderten Wechselkurven spielerisch und agil. Klasse! Aber kein Missverständnis: Die neue Multi ist nicht nervös, nie. Sie setzt bloß die Wünsche des Fahrers fast schon intuitiv um, folgt schlafwandlerisch sicher der eingeschlagenen Linie. Das vordere Monocoque aus Aluminium spannt den neuen V2 voll tragend ein. Nur am Heck lugt noch ein rudimentärer roter Gitterrohrrahmen aus Stahl hervor.
Multistrada V2 S mit semi-aktivem Skyhook-Fahrwerk
Ducati hat die S-Version der neuen Multistrada V2 mit ihrer semi-aktiven Dämpfung und Heckfederung "am Himmelshaken" aufgehängt. Dieses Skyhook-Fahrwerk zu üppigen 2.500 Euro Aufpreis – hier wie dort steuert Marzocchi sämtliche Federelemente bei – schafft einen tollen Kompromiss aus Stabilität und Komfort. Gleich 4 Dämpfungs-Modi stehen unabhängig von den Fahrmodi zur Wahl: Von straff bei "Dynamic", über "Comfort", "Offroad" hin zu soft bei "geringem Grip". Da ist immer eine passende Einstellung dabei. Locker steckt die Italienerin die in Spanien so beliebten hohen Schwelen vor Zebrastreifen ein und weg.
Reiseenduro mit Komfort-Ausstattung
Alles scheint auf der neuen Ducati Multistrada V2 vernetzt, 3 Anzeige-Varianten des knackscharfen, kontrastreichen 5-Zoll-TFT-Displays inklusive. Auf der Rückfahrt können wir zwar nicht Vmax 220 km/h ausprobieren, aber immerhin der neu geformten, hinterströmten Scheibe auf den Zahn, sprich: auf den Windschutz fühlen. Sie lässt sich selbst während der Fahrt in 8 Stufen um 8 Zentimeter hoch und runter schieben. Und sie schirmt Rumpf und Schultern gut ab. Schade nur, dass Griffheizung extra kostet. Sie ist Teil des Travel-Pakets, wie auch Kofferset und Hauptständer.
Neue Ducati Multistrada V2 – praktischer und nutzerfreundlicher
Damit bestückt, reißt die neue Ducati Multistrada V2 S allerdings knapp die magische 20.000-Euro-Schwelle. Sie dringt also fahrerisch wie preislich in die Oberklasse-Gilde vor. Dazu passen auch die 4 Jahre Herstellergarantie sowie die längeren Wartungsintervalle: Kleiner Service mit Ölwechsel steht nur noch alle 2 Jahre oder alle 15.000 Kilometer an, Ventile einstellen ist erst nach 30.000 Kilometern fällig. So soll der Service deutlich günstiger kommen als früher bei den Modellen mit aufwendiger Desmodromik. Flott gefahren meldet der hochintelligente Bordcomputer 5,5 Liter Durchschnittsverbrauch pro 100 Kilometer. Dann wäre der 19-Liter-Tank also gut für rund 350 ereignisreiche Reiseenduro-Kilometer. Va bene, Ducati!
Fazit
Vielseitig, fahraktiv, extrem agil: Die für 2025 komplett neue Ducati Multistrada V2 oder V2 S ist eine echte Multistrada – leichter, handlicher und umgänglicher als je zuvor. Getreu dem Motto "Wer nichts tut, bleibt stehen" hat Ducati besonders durch den Leichtbau sehr gute Anlagen geschaffen. Die neue Multi fährt verlässlich, aber auch verwegen-frech. Und sie ist mit einem ebenso elastischen wie feurigen, durchaus tourentauglichen V2 gesegnet. Dessen 115 PS Spitzenleistung erscheinen hier fast nebensächlich. Löblich, dass auch die Alltagstauglichkeit bei Ducati besser ist als je zuvor: lange Service-Intervalle, günstigere Inspektionskosten, 4 Jahre Garantie. © Motorrad-Online
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