Im harten Test von MOTORRAD treten die neue BMW R 12 NineT und die neue Triumph Speed Twin 1200 RS an. Boxer gegen Twin. Teuer gegen teuer.
Das jüngst aufgefrischte Protagonistenpaar von BMW und Triumph wirkt exklusiv, lässt sich allerdings bei jedem Händler erwerben. Geld rüberschieben reicht, es sollte jedoch bitte nicht zu wenig sein. Knapp 16.200 Euro müssen für die Speed Twin 1200 RS abgezählt werden, die dann aber auch den Nimbus eines sportlich und edel begüterten Topmodells genießt und zusätzlich die Option einer deutlich günstigeren aber ähnlich betörenden Basisvariante eröffnet. Wer nineT fahren will, muss sogar schon gut 17.400 Euro bereithalten. Ausweichmöglichkeiten gibt es hier aber nur nach oben, wie im Falle unserer Testmaschine, die schon gefährlich nah an der 20K-Marke kratzt. Und anders als bei den Nachbarn aus UK ganz ohne klangvolle Namen und Codes an Gabel (Marzocchi), Federbein (Öhlins) und Bremsen (M50) Nun, BMW doing BMW things, Schulterzuck-Smiley.
Stilvolle Präsentation und erste Eindrücke
Doch so oder so, für das viele Geld gibt es zwei sorgsam als Motorrad getarnte Kunstwerke samt verschwenderischer Besitzerstolzreserve. Die Lustwoche an der Côte d’Azur sollte eigentlich inklusive sein, denn die beiden Ästhetikraketen passen perfekt in diese absurd liebreizende Umgebung: Schöne Menschen, entspannt-eleganter Wohlstand und raue Mengen schmeichelnder Mittelmeer-Sonne, welche die Tanks in "San Remo-Green" (BMW und optional) samt Bürst-Alu und "Baja Orange" (Triumph und aufpreisfrei) geradezu beiläufig um die Wette strahlen lässt.
Video: Fahrbericht: Triumph Speed Twin 1200 & RS
Technische Basis und Sitzergonomie
Doch so einfach es wäre, sich in stilistischen Details der beiden Nobel-Roadster zu verlieren, geht es in unserem Geschäft ja immer noch schwerpunktmäßig ums Motorradfahren und nicht -schauen. Und da versprechen beide Maschinen knackigen Vollzug. Blick aufs Datenblatt: Knapp 1.200 Kubik, gut eingeschenkte 100 PS und um die 220 Kilo. Check. Blick auf die Motorräder: gedrungene, noch kompakte Dimensionen, raumgreifende Motoren und eine Prise Orientierung nach vorn. Check. Sitzprobe am Gerät: Erotischer Knieschluss und knackig positionierte Fußrasten auf der Triumph, lässigerer Kniewinkel, aber etwas mehr Zug Richtung Front auf der BMW, souverän breite Lenker auf beiden. Check. Da sollte ein bisschen was gehen.
Motorstart und erste Fahreindrücke der BMW R nineT
Zündung. Das geht auf der nineT sogar aufpreisfrei mit dem Transponder in der Jackentasche. Wer tanken oder das Lenkradschloss bedienen will, muss aber trotzdem noch zu eben diesem greifen und den integrierten Schlüsselbart bemühen. Naja. Dafür knurrt sich der dienstalte Boxer dezenter als früher, aber nach wie vor sonor und mit bauform-immanenten Kippmoment ins Leben. So weit, so BMW. Auch mit Euro 5+ hat einer der letzten großen Luftkühler am Markt bei allem was folgt, nicht an Qualität eingebüßt: Quasi ab der ersten Umdrehung brummiger Rundlauf, ebenso früh Massen von Drehmoment und eine direkte aber weiche Gasannahme, selbst im schärfsten der drei Fahrmodi "Dynamic". So lässt es sich ultimativ schaltfaul und maximal aufmerksamkeitswirksam mit kleinem Tempo im großen Gang durch südfranzösische Küstenörtchen zirkeln. Man will zwischen den allgegenwärtigen Spektakeln von Natur, Mensch und Reichtum ja nicht untergehen.
Anforderungen an die Bedienung der BMW R nineT
Ein wenig Obacht ist jedoch bezüglich Kraftschluss und Gangwahl nötig. Die Kupplung ist überraschend stramm und geradezu spitz in ihrer Dosierung. Gröbere Bedienung schickt die mächtigen Antriebsmomente des großen Flat-Twins mitunter recht wirsch in Richtung Hinterrad. Gleiches gilt für das an sich überraschend knackig-flutschige Getriebe, wenn man dem (natürlich optionalen) Quickshifter zu wenig Last in zu kleinen Gängen zumutet. Damit die lässige Schaulauf-Grandezza hier nicht unnötig gestört wird, möchte der ehrwürdige Boxer halt gern mit ein bisschen Fingerspitzengefühl angepackt zu werden. Aber für wen gilt das denn bitte nicht im gereiften Alter?
Federungsqualität der BMW R nineT
Apropos Grandezza und Gefühl: Positiv gesagt, hat die nineT seit der letzten Neujustierung einen beträchtlichen Teil ihrer Gnadenfreiheit am Heck verloren. Damit passt das Federbein in seiner Arbeit nun sehr viel besser zur Gabel. Negativ gesagt: Kurze Stöße vom Untergrund werden immer noch ein gutes Stück direkter als gewünscht die Rückenkette raufgefunkt. Die Zugstufe ist ab Werk bereits fast voll geöffnet, hier kann also leider wenig entgegengearbeitet werden. Eine Druckstufenverstellung und/oder indirekte Anlenkung des Dämpfers könnte Abhilfe schaffen.
Video: Im Video: BMW R 12 und BMW R 12 nineT (2024)
Fahrwerksqualitäten der Triumph Speed Twin 1200 RS
Oder auch ein Umstieg auf die Speed Twin 1200 RS. Ihre voll einstellbaren Öhlins-Federbeine kommen zwar im funktional unvorteilhaften Doppel-Pack, behandeln das derrière von Fahrer oder Fahrerin trotz angenehm straffer Grundnote und nochmals dünnerem Fauteuil aber deutlich eleganter. Und das Gold der Ausgleichsbehälter macht sich unter südfranzösischer Sonne auch wirklich gut.
Charakter des Antriebs der Triumph Speed Twin 1200 RS
Ebenfalls souverän, aber anders abgeschmeckt zeigt sich ihr Antriebspaket bei der kleinen Hafenrundfahrt. Mit erdig-sattem Puls und nahezu frei von mechanischer Akustik stampft sich der zündversetzte Reihen-Twin durch die Drehzahl-Niederungen und schickt hier subjektiv wie objektiv noch eine spürbare Kelle mehr Drehmoment aufs schmale Hinterrad als die BMW. Sie geht einen Tick härter ans Gas und benötigt übersetzungsbedingt etwas mehr Drehzahl, bis sie rund und geschmeidig vorantreibt, dafür ist Speedys Kraftschluss aber weniger rabiat und mit der leichtgängigen Kupplung fein zu dosieren. Nur ihr (serienmäßiger) Schaltassistent kann – im Gegensatz zum konventionellen Gangwechsel – bei kleiner Fahrt ebenso wenig überzeugen. Das Los vieler Minderzylinder mit großen Einzelhubräumen. In jedem Fall lässt sich in ihrem Sattel souverän auf einer üppigen Drehmomentwelle trotten.
Dynamiktest der beiden Maschinen
Correra, Fokus! Nicht in Stilkritiken und dem schönen Laissez-faire in Südfrankreich verlieren! Eingangs wurde ja groß von Dynamik, Sport und Schrägheit gesprochen. Und so gut man auch die Zeit in diesem entschleunigten wie schönen Stück Erde vertrödeln könnte, will man ja auch selbst im ramdösigsten Urlaub ab und an mal das Tanzbein schwingen. Also auf direktem Wege zum gut 20 Kilometer entfernten Col de l’Espigoulier für eine amtliche Gipfelbeschraubung, aber vite, vite, s’il vous plait! Auf dem Expressrouten-Weg leidet man auf beiden Maschinen keine Pein, aber schnell wird klar: Große Transitstrecken überlässt man gern anderen. Ergonomie und Reichweite sind solide, aber Windschutz (keiner), Gepäckoptionen (fast keine) und Soziuskomfort (wenig, vor allem an der hinten spitz bekniewinkelten BMW) lassen zu wünschen übrig. Zudem kriechen die langwelligen Brumm-Vibes der BMW bei Konstantfahrt doch alsbald etwas zu präsent in die Extremitäten.
Leistung der Triumph Speed Twin 1200 RS am Berg
Ausfahrt Gemenos Richtung Gipfelglück. Zehn frech gewundene, unbestechliche Kilometer folgen, die sich auf 725 Meter Höhe und einen Ausblick hochschrauben, der bei klarer Sicht vielleicht sogar noch etwas betörender ist als unser Vorzeige-Pärchen. Aber nur vielleicht. Die Speed Twin prescht und legt gut vor. Ihr bulliger Twin schiebt richtig mächtig aus den Ecken und reicht seine Kraft gut nutzbar bis knapp über 7.000 Touren feil, was etwa 1.000 Umdrehungen mehr Band als bisher entspricht. Der Quickshifter arbeitet bei diesem Expressprogramm erstmals richtig gut mit und die Traktionskontrolle hält sich im direkt am Gas hängenden Fahrmodus "Sport" endlich adäquat zurück. Die nach wie vor etwas überdimensionierten Metzeler Racetec-Gummis grippen auf Zug wie Sekundenkleber und die knackig angeschlagenen Fußrasten sind auch mit Gewalt und Lebensverachtung nicht auf den Asphalt zu kriegen. Das Nobelfahrwerk geht trotz feinem Alltagskomfort nie in die Knie und die Edel-Brembos lassen sich bei guter Wirkung punktgenau dosieren.
Video: Triumph Speed Twin 1200 und Speed Twin 1200 RS (2025)
Handling und Fahrverhalten
Einmal den Gipfel erklommen, merkt man aber zwei Dinge. Das war zwar hoch vergnügliche, aber nicht gerade entspannende Arbeit. Und egal, wie sehr man am Kabel zog, die nineT wollte einfach so gar nie aus dem Rückspiegel verschwinden. Denn trotz kompakter Ausmaße, klassenüblichem Gewicht und vergleichsweise knackiger Geometriewerte ist auch diese neueste Iteration der Speed Twin kein Handlingwunder. Das zeigt sich vor allem an ihrem nach wie vor präsenten Aufstellmoment in Schräglage, welches sich beim Griff zur Bremse nochmal deutlich erhöht. Wenn es pressiert, gilt auf der Triumph also nach wie vor: Ärmel hoch oder einen runderen Fahrstil wählen, bei dem nicht in die sondern vor der Kurve gebremst wird. Darauf schießt man sich wie so oft relativ fix ein und auch dieser kleine Pferdefuß hindert die Triumph nicht daran, ein animierend dynamisches Kraftrad zu sein.
Stärken bei der Kurvenfahrt
Aber das Bessere ist ja bekanntlich des Guten Feind und naja… das – zumindest diesbezüglich – Bessere fährt zufällig heute mit. BMW doing BMW things, wie gesagt. Denn auch die nineT beherrscht die so markentypische, kognitive Dissonanz. Flache Gabel, langer Radstand und Nachlauf, mehr Über-den-Tank-Streckung und optisch die halbe Masse Münchens zwischen den Beinen: "Is ma wurscht", die nineT fährt trotzdem so behände wie die Speedy aussieht. Leichtes Einlenken, kaum Aufstellmoment und trotzdem eine spürbar stabilere Seitenlage. Dazu puncht ihr Boxer gleichmäßiger und bietet noch ein paar Hundert Umdrehungen mehr nutzbares Band obenraus.
Herausforderungen und Eigenheiten
Doch auch beim Fast Forwarden braucht ihr kraftstrotzendes Wesen ein bisschen Feingefühl. Die Bremse ist ganz Hauslinie hochpotent, bietet aber weniger Hebelweg und Gefühl zur Feindosierung und der Quickshifter sollte auch hier in den kleinen Gängen mit Bedacht genutzt werden. Wer beispielsweise aus dem Eck im 2. Gang mit knackiger Restschräglage und reichlich Zunder hochsteppt, sollte sich auf eine durchs ganze Motorrad wabernde Krafteruption einstellen. Dass die Münchnerin je nach Fahrtalent trotzdem nicht zwangsweise an der Schönen aus Hinckley vorbeibrummt, liegt daran, dass ihre Fußrasten früher als gedacht mit dramatischer Akustik den Straßenkontakt suchen. Tja, auch einer BMW passieren noch kleine Fauxpas. Beruhigend – auch für den Leserbriefkasten.
Fazit
Die BMW R nineT und die Triumph Speed Twin 1200 RS haben in diesem Test bewiesen, dass sie nicht nur durch ihre klassische Optik und exklusive Verarbeitung beeindrucken, sondern auch technisch auf hohem Niveau spielen. Beide Motorräder sprechen den anspruchsvollen Fahrer an, der nicht nur Wert auf Leistung und Fahrdynamik legt, sondern auch ein Statement in Sachen Stil setzen möchte. Doch trotz vieler Gemeinsamkeiten könnten ihre Charaktere unterschiedlicher kaum sein.
Die BMW R nineT punktet mit ihrem souveränen Boxer-Motor, der bereits bei niedrigen Drehzahlen kräftig zupackt und sich durch ein breites nutzbares Drehzahlband auszeichnet. Sie bietet ein beeindruckendes Fahrgefühl mit erstaunlicher Agilität, trotz ihrer massiven Erscheinung und der eher konservativen Geometrie. Gleichzeitig verlangt die BMW jedoch ein gewisses Feingefühl, sei es bei der Dosierung der kraftvollen Bremsen oder beim Einsatz des Quickshifters in niedrigen Gängen. Die Komfortschwächen am Heck und die frühe Bodenfreiheit der Fußrasten trüben das Bild ein wenig, machen die nineT aber keineswegs weniger begehrenswert. Sie bleibt ein Motorrad mit einem einzigartigen Mix aus Retro-Charme und moderner Technik, das für entspanntes Cruisen und dynamische Ausritte gleichermaßen geeignet ist.
Die Triumph Speed Twin 1200 RS hingegen setzt auf einen direkteren und sportlicheren Charakter. Ihr Reihen-Twin überzeugt durch ein sattes Drehmoment, das besonders in den unteren Drehzahlen spürbar kräftig ans Hinterrad geliefert wird. Sie fordert allerdings einen etwas runderen Fahrstil, da das Aufstellmoment in Schräglage beim Bremsen präsenter ist. Dafür begeistert sie mit einem erstklassigen Öhlins-Fahrwerk, das sowohl Komfort als auch Stabilität bietet, und einem Fahrmodi-Management, das sich auf dynamische Fahrten anpasst. Der Schaltassistent zeigt in langsamen Passagen Schwächen, ist bei sportlicher Fahrweise jedoch ein verlässlicher Partner. Insgesamt ist die Speed Twin ein sportlich-agiles Kraftpaket, das die Balance zwischen Alltagstauglichkeit und Fahrspaß sehr gut trifft. © Motorrad-Online
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