Vollbremsungen, schwarze Displays, nicht nachvollziehbare Fehlermeldungen, Ladehemmungen, metallische Geräusche wie nach einem Getriebeschaden: Für viele seiner Besitzer ist der vollelektrische Jeep Avenger ein Totalausfall. Laut Hersteller könnte die Software eine Rolle spielen. Dem Kraftfahrtbundesamt liegen erste Hinweise vor.
Fast anderthalb Jahre ging alles gut – dann passiert es: Der Jeep Avenger Elektro von Isabel Wagner macht eine Notfallbremsung "aus dem Nichts heraus", wie sie sagt: "Er hopste, nachdem er beim Anfahren abgebremst hatte, noch etwa fünf Meter nach vorne." Am Abend des gleichen Tages bockt der Wagen erneut: Stillstand kurz nach dem Anfahren. "Sämtliche Warnleuchten gingen an. Jetzt war mir klar, dass dies nicht normal sein konnte", so die Bad Kreuznacherin.
Die Werkstatt schleppt den Wagen ab, liest 160 Seiten Fehlermeldungen aus. Die Frontkamera wird nach langer Wartezeit getauscht. Zwei Monate später startet der Kompakt-SUV nicht mehr, produziert eine Kaskade von Warnmeldungen. Wieder Abschleppwagen, wieder Werkstatt (ohne Ergebnis). Zu Hause lädt der Avenger (deutsch: Rächer) dann erst nach mehrmaligem Ein- und Ausstöpseln des Ladesteckers. Ein paar Tage später fallen alle Displays aus. Der traurige Höhepunkt folgt Mitte Dezember: "Der Jeep machte krachende und schleifende Geräusche, ging innerhalb von drei Sekunden nach der Fehlermeldungsanzeige Getriebeschaden wieder voll in die Eisen und blieb auf der Straße stehen. Genau in einer scharfen Kurve. Den Hintermann sah ich in letzter Sekunde abbremsen."
Avenger-Kundin: "Lebensgefährliches Auto"
Isabel Wagner hat genug. "Das Auto ist lebensgefährlich", sagt die Leiterin einer Versicherungsagentur. Mit ihrem Anwalt Peter Runkel will sie jetzt die Rücknahme ihres Problemautos erreichen. Der Jurist hält den Jeep seiner Mandantin für "gefährlich und nicht verkehrssicher". Eine Rückabwicklung sei ohne weiteres nicht mehr möglich, da die Gewährleistungs-Frist von einem Jahr vorbei sei. Die Herstellergarantie sehe Umtausch nicht vor. "Das ist keine besonders verbraucherfreundliche Garantie", so der Anwalt.
Vollbremsungen ohne Grund kein Einzelfall
So wie Isabel Wagner geht es vielen. Thomas Müller aus Hamm (Nordrhein-Westfalen) erwischt es in einer Autobahnauffahrt. Das Auto blockiert komplett – inklusive Lenkung. "Ich konnte nicht mal mehr an die Seite lenken", berichtet der Schreinermeister und Jeep-Fan, der insgesamt sechs Modelle der US-Marke besitzt. Nach einem wenig erkenntnisreichen Werkstattaufenthalt fährt der 60-Jährige seinen Avenger wieder, "aber immer mit einem unguten Gefühl."
Auch Martin Schmieder aus Merzhausen bei Freiburg (Baden-Württemberg) erzählt von einer "plötzlichen extremen Blockierung" und einem "mechanischen Schleifgeräusch wie bei einem Getriebeschaden." Auch er bekommt die Fehlermeldung "Getriebe defekt" und auch "Elektroantrieb defekt" angezeigt. Hoch auf dem gelben Wagen geht es auch für diesen Jeep in die Werkstatt – ebenfalls ohne wesentlichen Erkenntnisgewinn. "Meine Frau fährt mit dem Wagen nicht mehr", berichtet Schmieder, "der Wagen kann lebensgefährlich sein."
Ellen Peperkorn aus Kellinghusen (Schleswig-Holstein) hat sogar vier außerplanmäßige Stopps mit ihrem Avenger hinter sich. "Das kommt aus dem Nichts", berichtet sie. Auch sie hat merkwürdige Geräusche vernommen und Fehlermeldungen angezeigt bekommen, unter anderem "Kollisionswarnsystem defekt". Die Werkstatt hat einmal die 12-Volt-Bordbatterie getauscht. Die Avenger-Probleme erinnern an ein ähnliches Phänomen bei vollelektrischen Hyundai Ioniq 5 und -6, Kia EV 6 und Genesis G80, GV60 und GV70: Aufgrund eines Defektes des Ladesteuergerätes wird die 12-Volt-Bordbatterie nicht mit Strom versorgt und entleert sich während der Fahrt. Auch hier können die Autos außerplanmäßig stehen bleiben, wie neulich in der Schweiz. Ein Rückruf ist im Gang.
KBA kennt Probleme mit dem Jeep Avenger
Auf Nachfrage von auto motor und sport bestätigt ein Sprecher des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg, "dass dem KBA bereits Hinweise zum Jeep Avenger vorliegen." Das britische Magazin Autocar berichtet von ganz ähnlichen Problemen wie hier geschildert beim Elektro-Avenger.
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Jeep: Software-Problem als Ursache, Update aufgespielt
Ein Jeep-Sprecher erklärt: "Jeep behebt ein kleines, zeitweise auftretendes Problem, das eine kleine Anzahl von Fahrzeugen betrifft. Dieses Problem, das zu einem Leistungsverlust in bestimmten Fahrsituationen führt, wurde erstmals Ende 2023 festgestellt und ist seit Januar 2024 für die betroffenen Kunden erfolgreich behoben. Ein Software-Update ist jetzt bei allen Jeep-Händlern erhältlich, um sicherzustellen, dass alle Fahrzeuge optimal funktionieren. Kunden, bei denen dieses Problem auftritt, werden gebeten, sich mit ihrem Jeep-Händler in Verbindung zu setzen, um ein kostenloses Software-Update durchführen zu lassen". Die Verbrenner-Versionen des Avenger sind von den Technik-Ausfällen nicht betroffen. In Deutschland waren Ende Januar 4.913 vollelektrische Jeep Avenger zugelassen. © auto motor und sport
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