Im Abschlussgespräch des Projekts "Training nach Plan" ziehen Radlabor-Coach Michi Ecklmaier und sein Sportler – Redakteur Moritz Pfeiffer – Bilanz: Wie lief es, was hat's gebracht, hat's Spaß gemacht? Das Gespräch moderiert Redakteur Eric Gutglück, der selbst im Trainingslager und bei beiden Saisonzielen dabei war.

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Das Projekt

Eine Saison lang trainiert Redakteur Moritz Pfeiffer angeleitet vom Radlabor streng nach Plan: 5–10 Stunden pro Woche im Familien- und Berufsalltag. Leistungsexplosion oder Stimmungskiller? Die Ziele: Eschborn–Frankfurt und der Granfondo La Stelvio Santini. Ein Selbstversuch zum Mitmachen.

Teil 1 lesen - Idee, handelnde Akteure, Leistungsdiagnostik

Teil 2 lesen - Einstieg ins Intervalltraining + Bikefitting

Teil 3 lesen - Trainingslager optimal nutzen

Teil 4 lesen - Zielgerichtete Intervalle, Einstieg ins Bergtraining, erste Wettkämpfe

Teil 5 lesen - Unmittelbare Wettkampfvorbereitung, Tapering, Rennplanung, Carboloading

Teil 6 lesen - Abschlussgespräch und Fazit

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Das Abschlussgespräch von Trainer und Sportler

Eric: Moritz, warum dieses Projekt "Training nach Plan"?

Moritz: Ich wollte einfach mal sehen, auf welches Leistungsniveau man kommt, wenn man mit professioneller Unterstützung und nach Plan trainiert. Kann man die Zeit, die neben Familie und Vollzeitjob zur Verfügung steht, noch besser nutzen? Wie fit wird man? Allerdings bin ich beide Saisonziele – Eschborn-Frankfurt und den Granfondo La Stelvio Santini – vorher noch nie gefahren, es gab also gar keine Referenzwerte, keinen Vergleich. War das Projekt von vornherein falsch angelegt?

Michi: Nein, planvoll zu trainieren ergibt immer Sinn. Egal ob man Referenzergebnisse hat und überprüfen kann, ob man besser geworden ist, oder ob man zum ersten Mal am Start steht.

Eric: Bist du zufrieden mit den beiden Highlights, Moritz?

Moritz: Ziel war, bei beiden Events ohne Krise zu finishen und im ersten Viertel aller Teilnehmer anzukommen. Bei Eschborn–Frankfurt hat beides geklappt (zum Rennbericht), beim Granfondo La Stelvio Santini habe ich zwar gefinisht, aber weit entfernt von der angepeilten Platzierung (zum Rennbericht). Wenn ich mir die Ergebnisse angucke, muss ich aber sagen: Auch in absoluter Topform und ohne Erkältung in der Woche vor dem Granfondo wäre ich da nicht ins erste Viertel reingefahren. So realistisch und ehrlich muss ich wohl sein.

"Sechs Monate Training für die Katz wegen einer Krankheit? Nein! Ich habe viel gelernt, und der Granfondo war ein Erlebnis!" Moritz Pfeiffer, Redakteur

Eric: Michi, kann man trotzdem einschätzen, was Moritz das Trainieren nach Plan gebracht hat?

Michi: Ja, indem man Wattwerte vom Vorjahr heranzieht, als Moritz eher nach Bauchgefühl und anhand von Zwift-Workouts, aber ohne echten Plan trainiert hat. Vergleicht man diese Werte mit jenen aus diesem Jahr, sieht man eindeutig: Moritz ist fitter geworden. Beispiel: Beim Jedermann-Rennen Rad Race One Twenty hat Moritz Mitte Mai 2023 eine 60-Minuten-Durchschnittsleistung von 206 Watt geschafft. Bei Eschborn–Frankfurt Anfang Mai 2024 waren es über eine Stunde im Schnitt 238 Watt. Auch die Werte nach Ermüdung sind besser geworden. Gleiches gilt für die Fahrzeiten und Wattleistungen am Berg. Beim Rennen in Zusmarshausen war selbst die langsamste 2024er-Zeit schneller als die schnellste 2023er-Zeit.

Moritz: Ich habe mich auch subjektiv fitter gefühlt. Bei einer langen Schwarzwaldtour war ich fast schon überrascht, wie gut es lief. Nach fünf Stunden mit vielen Höhenmetern noch mal richtig Gas geben zu können, war eine neue Erfahrung! Auch grundsätzlich das Gefühl zu haben, da ist viel mehr in den Beinen als gewohnt. Das macht schon Spaß!

"Moritz ist nachweisbar fitter geworden – ein Erfolg des Trainings nach Plan! Und der Körper merkt sich das: In Zukunft wird es schneller gehen, wieder auf ein vergleichbares Leistungsniveau zu kommen." Michael Ecklmaier, Sportwissenschaftler beim Radlabor und Coach von ROADBIKE-Redakteur Moritz Pfeiffer

Eric: Das Fazit dieses Experiments fällt also positiv aus?

Moritz: Was das körperliche Ergebnis angeht, auf jeden Fall. Weil ich Erfolge gesehen habe – auch wenn just der Hauptwettkampf anders lief als gedacht. Ich fand dieses Experiment "Training nach Plan" auch sehr motivierend. Ich habe die Workouts fast immer gerne und konzentriert durchgezogen, war sehr fokussiert, hatte oft das Training und die Events im Kopf. Ich habe mich bewusst ernährt, kaum Alkohol getrunken, auf viel Schlaf geachtet. Das war einfach sechs Monate lang mein Projekt!

Eric: Was war noch positiv?

Moritz: Ich fand sehr angenehm, die Verantwortung für die Trainingsplanung abgeben zu können. Zu wissen, da kümmert sich wer drum, der das besser versteht als ich, und ich muss im Familien- und Berufsalltag keine Zeit und Energie investieren, um mehr schlecht als recht einzelne Workouts oder längere Trainingsperioden zu planen. Klar, Michi und ich standen in engem Austausch, haben spätestens alle zwei Wochen über Zeitbudgets, körperliches Befinden, die nächsten Schritte gesprochen. Aber was genau ich trainiert habe, beruhte auf Michis Planung – ich hab dann nur noch in das Online-Trainingstool reingeschaut und die dort hinterlegten Workouts ausgeführt.

Michi: Ich möchte ergänzen, was man bei Sportlerinnen und Sportlern, die sich selbst trainieren, oft sieht. Nämlich dass, wenn mal etwas nicht klappt, gleich alles über den Haufen geworfen und komplett neu trainiert wird. Und dann oft zu intensiv. Das Gute beim Training nach Plan mit professioneller Unterstützung ist neben der Expertise, die der Trainer mitbringt, auch der Austausch. Das Vier- Augen-Prinzip, die Konstanz. Und das Einbremsen, wenn mal jemand ungeduldig wird.

Eric: Gab es auch negative Erfahrungen, Moritz?

Moritz: Richtig negativ nicht. Aber am Ende hatte ich das Gefühl, die Geduld meiner Familie genug strapaziert zu haben. Obwohl die sich gar nicht beschwert hat, sondern eine tolle Unterstützung war. Michi und ich haben ja auch versucht, das Training familienkompatibel zu halten. Zum Beispiel mit Rolleneinheiten abends, wenn die Kinder schlafen. Oder mit Intervallen beim Pendeln zur Arbeit. Trotzdem haben Wettkämpfe und lange Touren natürlich Zeit gekostet, die anderswo fehlte. Deshalb freue ich mich jetzt, auch wieder andere Sachen zu machen.

Eric: Michi, ist das nachvollziehbar?

Michi: Absolut! Es lockerer angehen zu lassen oder auch mal ohne Powermeter zu radeln, ist wichtig. Meist sind schon kurze Pausen von zwei, drei Wochen hilfreich, um die Batterien wieder aufzuladen. Wenn man möchte, kann man dann wieder etwas Struktur ins Training bringen. Und die Form für einen zweiten Saisonhöhepunkt aufbauen.

Eric: Wie lange hält sich eine einmal antrainierte Topform?

Michi: Ein paar Wochen kann man eine gute Form aufrechterhalten, dann tritt eine gewisse Ermüdung ein – körperlich und/oder mental. Erstaunlich ist, wie schnell so eine Form verloren geht. Wenn man vollständig pausiert, egal ob freiwillig oder wegen einer Erkältung, sieht man erste Negativeffekte bereits nach zwei, drei Tagen. Das Blutvolumen und der Insulinspiegel sinken, subjektiv fühlt man sich schon weniger fit. Nach acht bis zehn Tagen Pause kann man dies auch bei Leistungstests feststellen, Stichwort maximale Sauerstoffaufnahme.

Moritz: Wie schnell wird man dann wieder fit?

Michi: Das hängt vom Ausgangsniveau ab, von den "Lebenskilometern" und wie schnell der Körper auf Trainingsreize reagiert. Gut trainierte Sportler:innen dürften nach einwöchiger Pause drei bis fünf Wochen brauchen, um wieder ihr Ausgangsniveau zu erreichen. Je länger die Pause, desto länger dauert der Wiederaufbau.

Eric: Das ist ja auch interessant für alle, die beim geplanten Saisonhighlight verhindert sind und stattdessen ein neues anpeilen.

Michi: Ja. Konkret würde ich in so einem Fall in der ersten Woche nach der (Zwangs-)Pause ganz locker fahren, um wieder reinzukommen. In der zweiten Woche dann zwei Workouts: erstens VO2-Max-Intervalle (vgl. RB 04/24), GA2-Intervalle im Renntempo wie zum Beispiel 3x15 min (vgl. RB 06/24) oder Schwellenkreuzen (siehe unten); zweitens eine 5–6-stündige GA-Einheit. In der Woche vor dem zweiten Highlight dann früh eine Trainingseinheit im Renntempo (z.B. 3x10min), den Rest der Woche Tapering (vgl. RB 07/24). So wird man schnell auch für ein anderes Event fit. Denn ich betone: Ernsthaft erkrankt, womöglich mit Fieber, hat man nichts bei seinem eigentlichen Saisonziel verloren! Egal wie lange und hart man dafür trainiert hat. Das Risiko für ernsthafte Folgeschäden, zum Beispiel eine Herzmuskelentzündung, ist einfach zu groß!

Eric: Sind Athletinnen und Athleten, die du trainierst, manchmal übermotiviert?

Michi: Übermotiviert klingt negativ, aber ich muss schon häufiger bremsen als motivieren. Workouts werden oft sehr akribisch absolviert, gerne mit zehn Watt mehr als verlangt...

Moritz: Davon kann ich mich auch nicht frei machen. Eine wichtige Hilfe waren deshalb die Pausen und KB-Einheiten, die Michi in den Trainingsplan geschrieben hat. Früher war ich wegen zu wenig Regeneration oft früher in der Saison erschöpft – diesmal habe ich richtig gespürt, wie nach harten Workouts erst durch die Pause richtig Power in den Beinen ankam!

Eric: Merkt sich der Körper langfristig Trainingsimpulse, wie Moritz sie jetzt hatte?

Michi: Auf jeden Fall, es gibt einen sogenannten Erinnerungseffekt der Muskeln. Training baut Muskelzellen auf, deren Zellkerne dann grundsätzlich da sind. Trainiert man eine Zeit lang nicht, atrophieren Muskeln, also verkümmern. Steigt man wieder ins Training ein, sind die vorhandenen Zellkerne schnell aktiviert, schneller als der Aufbau neuer Muskelzellen dauern würde. Die Zeit, wieder auf ein hohes Leistungsniveau zu kommen, ist kürzer als beim ursprünglichen Formaufbau.

Eric: Moritz, was nimmst du außer neuen Zellkernen aus diesem Experiment mit?

Moritz: Ich hätte nach 26 Jahren im Rennradsattel ehrlich gesagt nicht mit so vielen neuen Erkenntnissen und Impulsen gerechnet. Ich nehme vor allem Workouts, Ernährungstipps und Selbstvertrauen mit. Einmal professionell unterstützt nach Plan zu trainieren, war eine tolle Erfahrung, die ich nur weiterempfehlen kann.

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