Am 29. Juni ist es so weit und das weltweit größte Radrennen, die Tour de France, startet zu ihrer 111. Ausgabe. Und sie wird direkt Geschichte schreiben, denn der Grand Départ findet das erste Mal in Italien statt. Drei Etappen führen durch das Land des Giros, unter anderem durch die Emilia-Romagna. Wir konnten uns bereits vor Ort von der großen Vorfreude und der Radsportbegeisterung der Menschen überzeugen.
Die erste Etappe der Tour de France führt von Florenz in der Toskana hinüber nach Rimini, in eine der radsportverrücktesten Gegenden Italiens: der Emilia-Romagna. Voller Stolz erzählt uns Andrea Manusia vom APT Servizi Regione Emilia Romagna, der Tourismusbehörde der Region, welche Bedeutung dieses Ereignis für die Menschen hat und welche Ehre es ist, den Tross der Tour de France zu empfangen. Die Freude über das bevorstehende Ereignis lässt seine Augen strahlen.
Der Grand Départ Tour de France erstmals in Italien
Dass sich die Region schon jetzt mit den Farben der Tour schmückt, ist in vielen Orten zu sehen, als wir auf uns auf die Rennräder schwingen und die Umgebung von Cattolica und Rimini erkunden. Und: wir können uns sogar einen Eindruck der offiziellen Strecke der ersten Etappe der Tour verschaffen, als wir mit den Rädern hoch auf den Monte Titano nach San Marino, dem fünftkleinsten Staat der Welt, kurbeln. Das grandiose, hügelige und einsame Hinterland verspricht einigen Schweißverlust. Besonders für uns, aber literweise auch für die Jungs im Peloton. Auf der ersten Etappe müssen direkt 206 Kilometer mit rund 3700 Höhenmeter bewältigt werden. So viel Höhenmeter, wie nie zuvor bei einer Auftaktetappe der Tour de France. Harte Arbeit für die Fahrer also direkt von Tag 1 an.
Dass sie die Aussichten wahrscheinlich weniger genießen, als wir, die nun oben genüsslich einen Espresso auf der sonnigen Piazza Della Libertà zu uns nehmen, ist gewiss. Die Ausblicke von den Mauern der Festung in die Emilia-Romagna hinein sind atemberaubend. Ringsherum sind überall Weinreben auf den Hügeln zu erkennen, in der Ferne erheben sich die Berge der Apennin und übernehmen die grandiose Kulisse im Hintergrund. Ein wahres Radsportparadies, liegt einem hier doch alles zu Füßen, so scheint es.
Auf der Abfahrt von San Marino stürzen wir uns genau wie die Profis wieder in Richtung Küste hinab, nach Rimini, den mondänen und allseits bekannten Badeort. Dort, direkt an der Adriaküste gelegen, ist Zieleinlauf der ersten Etappe.
Radsport-Ikone aus der Emilia-Romagna
Tausende Menschen werden dort den Fahrern zujubeln, wie einst einem der größten Rennradfahrer aller Zeiten, dem viel zu früh unter tragischen Umständen verstorbenen Marco Pantani. Geboren im nahe gelegenen Cesena, gewann er 1998 die Tour de France und wurde damit zum Volkshelden und unsterblich. Ein eigenes, sehenswertes Museum im schönen Hafenstädtchen Cesenatico zeigt seine Räder, Trikots, Pokale und in unzähligen Aktenordern aufbewahrten Zeitungsausschnitte. Ganz in der Nähe, auf dem Cimitero di Cesenatico ist Pantani begraben. Einst sagte er "Il Carpegna mi basta", was so viel bedeutet wie "der Carpegna genügt mir" und meinte damit seinen Trainingsberg, der unweit entfernt hinter San Marino im Nordwesten der Marken liegt. Jüngst wurde er sogar in "Passo Marco Pantani" umbenannt. Wer ihn einmal hoch pedaliert ist, der weiß, warum der "Pirat", so Pantanis Spitzname, nur diesen einen Berg brauchte.
Tour de France & italienische Radrennfahrer: Fakten
- Insgesamt gab es 10 Siege bei der TdF für italienische Radprofis.
- 7 italienische Radrennfahrer machten dies unter sich aus.
- 28 Fahrer aus Italien trugen bisher das berühmte Maillot June.
- 269 Etappen-Gewinner stehen bisher für italienische Radprofis zu Buche.
- Die meisten Etappensiege – 12 an der Zahl – erzielten dabei Gino Bartali und Mario Cippollini.
- Der erste Italiener, der die Tour gewann: Ottavio Bottecchia (Spitzname "Der Maurer von Friaul"), 1924.
- Der letzte Italiener, der die Tour de France gewann: Vincenzo Nibali, (der "Hai von Messina"), 2014.
- Auswahl ehemaliger und aktiver Radprofis aus der Emilia-Romagna: Marco Pantani, Davide Cassani, Vito Ortelli, Marteo Montagutti, Alan Marangoni
Dolce Vita für alle
In Cesenatico, nur einen Steinwurf von Rimini entfernt, startet die 2. Etappe der Tour de France, führt über 199 km und endet in Bologna. Doch bis dahin sind es noch ein paar Tage hin und wir erkunden weiter die Region und deren kulinarische Köstlichkeiten. Deren gibt es viele, den es gibt einige Weinbauern, auf deren schmucken Höfen es sich entspannt einkehren lässt. Es wird selbst gemachtes Brot, Wurst und leckerer Käse gereicht, bei Häppchen und dem leichten Wein lässt es sich gut über die kommende Tour sprechen. Auf Nachfrage, was denn der riesige Aufwand, den die Tour de France mitbringt, so kostet, antwortet Andrea nach kurzem Überlegen mit einem vielsagenden Lächeln: "Rund 20 Millionen Euro werden offiziell in das Projekt TdF investiert". Selbst, wenn das noch untertrieben sein könnte, ist das ein enormer Invest, um zukünftig noch mehr Touristen und vor allem Radsportler in diese Region Italiens zu locken.
Ein Vorteil wird uns jedoch deutlich vor Augen geführt: hier wird nicht nur Radsportlern etwas geboten, sondern ganzen Familien. An endlosen Stränden können sich Kinder austoben, Wellnessangebote lassen sich in zahlreichen Hotels finden, pittoreske Dörfer und historische Städte liegen immer in der Nähe, deren Besuche meist ein Staunen erzeugen und urige Cafés und Bauernhöfe laden zum Verweilen ein. Dolce Vita pur, der nächste Aperol Spritz kann kommen.
Derweil gibt es für alle Radsportinteressierten noch ganz andere Angebote. Zahlreiche Granfondos mit Tausenden Teilnehmern werden in der Emilia-Romagna ausgetragen. Ein Spektakel sondergleichen, bei denen ganze Dörfer und Familien mithelfen, diese Radsportevents zu einem großen Erlebnis für alle Teilnehmer werden zu lassen.
Unterkunft, Essen, Sehenswürdigkeiten und ein echter Geheimtipp
Wo übernachten?
Gelegen direkt im Herzen von Cattolica und nur einen Steinwurf vom Strand entfernt: Das EM Hotel ist ein schickes Bike Hotel und auf Radfahrer eingestellt. Es ist mit eigener Werkstatt und großzügiger, abschließbarer Fahrradgarage ausgestattet. Teilweise werden Touren mit einem Guide angeboten, Tour-Karten liegen ebenfalls aus.
Die Zimmer sind Loft-artig eingerichtet, die Küche des Hauses bietet jeden Tag abwechslungsreiche Menüs an, der Wein stammt hauptsächlich aus der Region und an der Bar lässt sich nach der Tour in gemütlicher Atmosphäre ein Espresso trinken. Top: das familiäre Ambiente: hier packt der sympathische Chef noch selbst mit an.
Preise: ab 130 Euro
EM Europa Monetti
Via Curiel, 39
47841 Cattolica (RN)
Tel.: +39 0541 954159
info@europamonetti.com
Website: Europa Hotel Monetti
Wo Essen?
Schnuckelig und gemütlich: das La Esse Romagnola bietet in entspannter Atmosphäre allerlei regionale Köstlichkeiten an. Der Außenbereich, der sich unter anderem an die Hauswände in einer schmalen Gasse schmiegt, versprüht besonderen Charme. Antipasti, Primi piatti und Secondi piatti werden schon fast kunstvoll serviert. Sehr lecker.
La Esse Romagnola
Via Ortaggi 7,
Borgo San Giualiano
47921 Rimini
+39 0541 24834
Website: La Esse Romagnola
Wohin für einen guten Wein?
Das Weingut Enio Ottaviani ist ein beliebtes Ausflugsziel. Modernes Ambiente trifft auf alteingesessenen Weinanbau. Auf der Wiese, in der Sonne in der liegend, lassen sich Weine wie den Stratti oder Dado noch viel besser genießen. Dezenter Ambi-Sound im Hintergrund, das sanfte Tal am Conca-Fluss samt leichter Hügellandschaft vor einem: so kann ein sommerlicher Abend ausklingen.
Enio Ottaviani
Via Pian di Vaglia 17
S. Andrea in Casale
47832 San Clemente (RN)
Website: Enio Ottaviani
Welche Sehenswürdigkeit?
Wer sich im Urlaub neben dem Radfahren auch der Kultur widmen möchte, der sollte sich einmal in Bologna umschauen. Die Stadt ist bekannt für seine mittelalterlichen Türme, darunter der Asinelli-Turm, der einen atemberaubenden Blick über die Stadt bietet. Die Piazza Maggiore mit ihren historischen Gebäuden und dem Neptunbrunnen ist ebenfalls ein beliebter Anziehungspunkt für Besucher.
Offizielle Website: Bologna Welcome
Ein echter Geheimtipp!
Eine der bekanntesten Anstiege in der Emilia-Romagna ist der des Colle del Barbotto. Bis zu 18 % geht's dort hinauf, bei einer Durchschnittssteigung von rund 8,3 %. Eine Legende besagt, dass Fausto Coppi beim Giro 1954 dort am steilsten Stück mit einer Hand hinauf fuhr und mit der anderen eine Banane aß. Dort, oben am "Gipfel" befindet sich seit den 1950er-Jahren die gleichnamige Bar Barbotto. Urig-alter Charme, als ob die Zeit stehen geblieben ist, versprüht das alte Häuschen. Zahlreiche Devotionalien hängen an den Wänden und erzählen von der Geschichte des Radsports an dieser Stelle auf dem Hügel. Aber nicht nur der Giro führte hier schon vorbei, der Barbotto ist auch einer der neun Hügel des Grandfondo Nove Colli. Also: unbedingt oben anhalten und bei einem äußerst leckeren Espresso sich in Raum und Zeit des Radsports verlieren.
Adresse:
Bar Barbotto
SP11, 2634, 47025 Mercato Saraceno FC © Bike-X
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