Die "Masche" ist nicht neu, die finanzielle Dimension jedoch schon – und diese Dimension ist erschreckend. Allein in den beiden Jahren 2021 und 2022 wurden rund 610 Millionen an Fördergeldern über den "Umweltbonus" und die "Innovationsprämie" für Elektroautos ausbezahlt, die unmittelbar in den Export gingen und nun in den Nachbarländern über die Straßen stromern. Das rechnete das Center of Automotive Management (CAM) aus Bergisch Gladbach im Electromobility Report 2023 vor. Ein Vergleich zwischen Neuzulassungen und Bestand zeigt jetzt: Auch 2023 drehte sich das Karussell munter weiter.

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Legales Schlupfloch

Hauptgrund war ein bis Ende 2022 völlig legales Schlupfloch, das die geringe geforderte Haltedauer für subventionierte Elektroautos hervorbrachte. Mit bis zu 9.570 Euro Zuschuss (Staatliche Förderung und Herstelleranteil) wurden Elektroautos bis zum Dezember 2022 in Deutschland gefördert. Um diese Prämie behalten zu dürfen, mussten die Käufer ihr neues Elektroauto lediglich sechs Monate lang besitzen und durften es danach verkaufen. Genau diese sechs Monate machten die neuwertigen E-Autos offiziell aber zum Gebrauchtwagen, wodurch die in vielen EU-Ländern erhobenen und zum Teil enorm hohen Zulassungssteuern auf Neuwagen entfallen.

Im "Idealfall" führte das dazu, dass deutsche Käufer eines Tesla Model 3 ihr Auto nach sechs Monaten zum deutschen Neuwagenpreis etwa nach Dänemark verkaufen konnten. Sie fuhren ihren Neuwagen damit also ein halbes Jahr mindestens ohne jeden Wertverlust gratis, wenn nicht sogar mit Gewinn aus dem einbehaltenen Umweltbonus. Auf dieses Geschäft hatten sich sogar einzelne Händler direkt spezialisiert und fuhren mit dem Karussellgeschäft hohe Gewinne ein.

Jeder dritte Tesla ist "weg"

Um welche Summen es dabei geht, ist dem CAM-Report zu entnehmen. Demnach befinden sich satte 16 Prozent der im Jahr 2022 neu in Deutschland zugelassenen Elektroautos zum Stichtag 1. Januar 2023 nicht mehr im Fahrzeugbestand. Zwischen Januar und Dezember 2022 wurden in Deutschland etwas mehr als 470.000 vollelektrische Autos (BEV) neu zugelassen. Gleichzeitig stieg der Fahrzeugbestand nur um knapp 400.000 Einheiten auf 1.013.009 BEVs an. Über die rund 76.000 "abgängigen" Fahrzeuge dürften sich entsprechend Käufer in unseren Nachbarländern freuen.

Das CAM errechnet aus diesen Zahlen eine Summe von 380 Millionen aus Fördergeldern, die letztlich für Exportfahrzeuge bezahlt wurden. Mit dem wegen desselben Effekts bereits für 2021 errechneten 230 Millionen Fehlförderung hätte der deutsche Steuerzahler damit ausländische Gebrauchtwagenkäufer mit insgesamt 610 Millionen Euro binnen zwei Jahren subventioniert. Dabei gibt es deutliche Markenunterschiede: Am höchsten ist der "Schwund" bei Tesla-Modellen, von denen 2022 über 30 Prozent der mit deutschem Umweltbonus gesponserten Neuwagen nach weniger als einem Jahr die Landesgrenze wechselten. Die geringsten Mitnahmeeffekte gab es hingegen bei Renault (siehe Grafik oben).

Auch 2023 ging es weiter

Im Jahr 2023 wurde der Umweltbonus reduziert, zum Jahresende ganz abgeschafft. Außerdem stieg die vorgeschriebene Haltedauer auf 12 Monate. Was eigentlich zu einer deutlichen Reduzierung der massenhaft exportierten Elektroautos führen sollte, die zuvor in Deutschland subventioniert wurden, ist offenbar nicht wie vorgesehen eingetreten. Denn erneut klafft eine erhebliche, sechsstellige Lücke zwischen den neu zugelassenen Elektroautos (BEV) in Deutschland und dem Bestand zum Ende des Jahres 2023.

Benjamin Kiebis vom Markforschungsunternehmen Dataforce sagt dazu: "Das Bestandsplus liegt noch unter dem Vorjahr, obwohl die Neuzulassungen 2023 im Vergleich zu 2022 deutlich gestiegen sind". Konkret wurden 2023 rund 525.000 BEV in Deutschland neu zugelassen. Der Bestand an Elektroautos in Deutschland erhöhte sich aber nur um rund 389.000 BEV, eine Lücke von 136.000 Fahrzeugen.

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Über 18.000 Teslas sind 2023 "verschwunden"

Aktuell liegen vom Kraftfahrt-Bundesamt noch keine exakten Zahlen aus 2023 zu einzelnen Modellen vor, aber an den jüngst veröffentlichten Bestandzahlen nach Marken lässt sich der Trend bereits ablesen, wenn Anbieter mit rein elektrischem Portfolio verglichen werden. So kam der chinesische Hersteller BYD im Jahr 2023 auf 4.139 Neuzulassungen, der Bestand stieg aber lediglich um 3.039 Fahrzeuge. Polestar: 6.288 Neuzulassungen 2023, aber zum 31.12.2023 stieg der Polestar-Bestand in Deutschland nur um 4.636 Fahrzeuge. Und schließlich Tesla als drastischstes Beispiel: 63.685 Neuzulassungen, aber ein Bestandsplus um lediglich 45.464 Modelle.

Wenn Sie sich ein Bild davon machen wollen, wo der deutsche Umweltbonus im Jahr 2023 landete: In der Bildergalerie zeigen wir Ihnen die 50 meistverkauften E-Autos des vergangenen Jahres.  © auto motor und sport

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