Mit besserer Abgas-Software und Kaufanreizen wollen die Autohersteller den Diesel retten. Doch einen Monat nach dem Gipfel mit der Bundesregierung bleiben die grundsätzlichen Probleme und Unsicherheiten um mögliche Fahrverbote ungelöst.
Der Dieselnebel löst sich so schnell nicht auf. Einen Monat nach dem Auto-Gipfel von Bundesregierung und Automobilindustrie sind weder die Folgen der verabredeten Maßnahmen klar, noch die in vielen Städten drohenden Fahrverbote vom Tisch.
Das Problem-Knäuel bleibt so dick wie die Luft am Stuttgarter Neckartor, das hat das Umweltbundesamt in diesen Tagen noch einmal ausgerechnet. Auch wenn die mit Prämien befeuerten Abwrackprogramme greifen sollten und die Software-Updates den Stickoxid-Ausstoß bei bis zu 5 Millionen Autos zwischen 15 und 25 Prozent reduzieren, bleiben in über 70 Städten die Werte für das gesundheitsschädliche Stickoxid zu hoch. Der Gesamtausstoß sinke selbst bei positiven Annahmen nur um 6 Prozent, rechnete das Bundesamt vor.
Es drohen weiter Fahrverbote und juristische Auseinandersetzungen
Der private Verein Deutsche Umwelthilfe (DUH), der hinter den meisten auf Fahrverbote gerichteten Klagen gegen die Kommunen steckt, sieht so auch keinen Grund aufzugeben. Im Gegenteil: Geschäftsführer Jürgen Resch kündigte zusätzliche Verfahren in 45 weiteren Städten an, die seiner Ansicht nach zu wenig zur Reinhaltung der Luft unternehmen. Die Städte sollen binnen von vier Wochen darlegen, wie sie die EU-Grenzwerte einhalten wollen. Danach drohen Klagen und Fahrverbote.
Ob die Kommunen überhaupt Fahrverbote aussprechen dürfen, wird erst im kommenden Jahr das Bundesverwaltungsgericht klären, das vom Land Nordrhein-Westfalen angerufen worden ist. In der Autostadt Stuttgart haben die Richter in der ersten Instanz zumindest schon einmal festgestellt, dass allein Fahrverbote eine schnelle Reduzierung der Schadstoffe bewirken könnten.
Industrie bleibt hart: Nur Software-Updates keine Hardware-Upgrades
Die Industrie hält einstweilen an ihrer Linie fest, dass neben dem Software-Update keine zusätzlichen Umbauten am Motor sinnvoll seien. Sie wären nur für einen Teil der Fahrzeugflotte überhaupt technisch umsetzbar, mit enormem Aufwand verbunden und führten schließlich zu "fragwürdigen Resultaten", heißt es etwa bei VW. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hat eine eigene Rechnung präsentiert: Die beim Gipfel verabredeten Maßnahmen könnten zusammen mit der "natürlichen" Bestandserneuerung den Stickoxid-Ausstoß im gesamten Straßenverkehr bis 2019 um 12 bis 14 Prozent senken.
Die Hersteller haben wie versprochen teils kräftige Umtauschprämien ausgelobt, die sich an 6,4 Millionen Besitzer älterer Diesel-Fahrzeuge mit Schadstoffklasse Euro4 oder älter richten. BMW sowie die VW-Konzernmarken berichten von positiven Reaktionen ihrer Händler und einem deutlich gestiegenen Kundeninteresse. Genaue Zahlen wollen sie jedoch wie Daimler und Opel noch nicht vorlegen, weil es dafür nach wenigen Aktionswochen zu früh sei.
VW Golf nach Dieselgate so günstig wie nie zu haben
Nach Beobachtungen des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer greift vor allem der Volkswagen-Konzern tief in die Rabattkiste und gewährt die Umweltprämien, ohne zuvor andere Preisnachlässe zu streichen. Der einfachste Golf sei beim Eintausch eines schrottreifen Diesel-Altautos für den Kampfpreis von unter 10.000 Euro zu haben. "So preisgünstig waren VW-Neuwagen noch nie", sagt der Leiter des Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen. Andere Hersteller wie die Importeure Hyundai oder Renault gewährten zu den ausgelobten Diesel-Eintauschprämien nur geringe zusätzliche Rabatte.
Allein bei den Vertragshändlern stehen sich derweil rund 300.000 nur schwer verkäufliche Euro-5-Diesel die Reifen platt - im Wert von etwa 4,5 Milliarden Euro, wie der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) klagt. Dieser Wert ist indes nur vorläufig, denn drei von vier Firmen mussten ihre Diesel-Bestände intern bereits abwerten. Und sehr viele (84,7 Prozent) klagen über mangelnde finanzielle Unterstützung ihres Herstellers oder Importeurs.
Laut Experten weiter düstere Prognose für Gebrauchtwagenpreise
Dudenhöffer sieht für die Gebrauchtwagenpreise weiter schwarz, denn mit den Rabatten für Neuwagen werden dem Markt die typischen Käufer junger Gebrauchtwagen entzogen. Die Privatkäufer seien ohnehin skeptisch gegenüber noch nachzurüstenden Euro5- und Euro6-Dieseln, von denen zudem in hoher Zahl weitere Fahrzeuge aus den meist geleasten Firmenflotten auf den Markt drängen. Für den Handel und ihre Autobanken werde somit das Abwracken zur neuen Belastungsprobe.
Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die am 14. September die Internationale Automobilausstellung IAA in Frankfurt eröffnen wird, ist die Software-Nachrüstung einstweilen "mal das Mindeste" und auch die Umtauschprämien nennt sie nur "einen Schritt". Der nächste Dieselgipfel mit den Herstellern soll im Herbst über mögliche weitere Schritte entscheiden - praktischerweise aber erst nach der Bundestagswahl. © dpa
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