Wenn Städte Autos ausschließen, sollten sie das auch so sagen und vor allem Alternativen für die innerstädtische Mobilität fördern, findet Digital-Chefredakteur Gerd Stegmaier angesichts der Abstimmung über höhere Parkgebühren für SUVs in Paris.
Video: Podcast ams erklärt EP 56: Wieso Anwohnerparken 15 Mal so teuer wird
Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, verfolgt seit Jahren einen radikalen Kurs bei der innerstädtischen Mobilität: Sie ließ beispielsweise die Uferstraße an der Seine für Autofahrer sperren und gab sie für Fußgänger und Radfahrer frei. Aber sie ist auch kein Freund von E-Rollern. Sie initiierte eine offizielle Befragung gegen die Fortsetzung des E-Scooter-Verleihs. 89 Prozent der Abstimmenden sahen diesen als verzichtbar an. Seit 1. September 2023 sind nur noch private E-Scooter in der französischen Hauptstadt erlaubt – etwa 15.000 Leih-Scooter fielen weg.
Hidalgos nächster Streich: Eine drastische Erhöhung der Parkgebühren für SUV von außerhalb. Bei einer entsprechenden Bürgerbefragung am vergangenen Sonntag nahmen zwar nur sechs Prozent der 1,3 Millionen abstimmungsberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner teil, aber von denen waren rund 54,5 Prozent für die Erhöhung der Parkgebühren, rund 45,5 Prozent dagegen. Das heißt: Fahrer von SUVs oder "anderen schweren Autos" zahlen künftig für eine Stunde Parken im Zentrum 18 statt 6 Euro. In Außenbezirken verdreifachen sich die Gebühren von 4 auf 12 Euro. Für sechs Stunden Parken im Zentrum werden gar 225 Euro statt bislang 75 Euro fällig.
Die geringe Wahlbeteiligung dürfte damit zusammenhängen, dass die hauptsächlich Betroffenen nicht gefragt waren: Stadtbesucher. Ausschließlich die sollen den Sondertarif für SUV bezahlen. Anwohner sind ebenso ausgenommen wie Handwerker und Pflegedienste. Hidalgos Lieblingsverkehrsmittel sind übrigens Fahrrad und E-Bike – damit kommt man eher nicht vom Land in die Stadt.
Aber dessen ungeachtet: Wie definiert die Stadt den SUV überhaupt? Übers Gewicht. Die Grenze für Verbrenner und hybridisch angetriebene Fahrzeuge liegt bei 1,6, jene für E-Autos bei zwei Tonnen. Und warum gelten die höheren Parkgebühren nur für SUVs und andere "schwerere Fahrzeuge"?
Braucht Gewicht Platz?
Laut "Zeit" begründet die Stadt das damit, dass SUV für eine erhöhte Umweltverschmutzung sorgten, viel öffentlichen Raum beanspruchten und die Verkehrssicherheit gefährdeten.
Das ist allerdings nicht richtig: SUV sorgen nicht per se für eine höhere Umweltverschmutzung – gerade in der Stadt ist da das Antriebsprinzip entscheidend. Bei E-Autos schlägt sich das Gewicht nicht besonders auf den Verbrauch nieder und bei vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten erhöht ihn selbst die hohe Bauform und der damit einhergehende höhere Luftwiderstand nicht. Gewicht sorgt nicht automatisch für höheren Platzbedarf, dafür wäre die Verkehrsfläche das bessere Maß (in unserer Bildergalerie zeigen wir Automodelle, die per Gesetz aus Gewichtsgründen nicht auf dem Gehsteig parken dürfen). Nicht mal der negative Einfluss von SUV auf die Verkehrssicherheit ist nachvollziehbar: Bei Crashtests schneiden SUV vor allem im Fußgängerschutz eher besser ab als "normale" Autos.
Woher der Wind wirklich weht, wird in einer ebenfalls in der Zeit zitierten Aussage der Stadt deutlich: "Diese Abstimmung soll eine Botschaft an die Automobilhersteller sein. Ihr Profitstreben, das darin besteht, absichtlich immer größere, verbrauchsstärkere und teurere Fahrzeuge zu verkaufen, gefährdet den ökologischen Wandel". Mit der Abstimmung könne die Bevölkerung den öffentlichen Raum beruhigen und ein neues Gesellschaftsmodell unterstützen.
Wie viele wollen keine Autos in der Stadt?
Davon abgesehen, dass rund 40.000 Stimmen (gut die Hälfte von sechs Prozent der 1,3 Millionen Stimmberechtigten) keine große Botschaft an internationale Wirtschaftsunternehmen senden, deren Zweck natürlich ist, Gewinn zu machen, fehlt bei der Unterstellung: der Verbraucher, der diese Autos kauft. Offenbar finden ja selbst 45,5 Prozent der Abstimmenden schwerere Autos in ihrer Stadt ok.
Vielleicht auch deshalb, weil sie wissen, dass manchmal selbst in der Stadt das Auto das praktischste Verkehrsmittel ist. © auto motor und sport
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.