Es ist grün und mit den beiden Fahrbahnstreifen erinnert es ein wenig an das Autobahnschild: das Verkehrszeichen für einen Radschnellweg. Leider ist es in Deutschland ein ausgesprochen seltener Anblick. Dabei gab es mal große Pläne für den Bau von Radschnellwegen in Deutschland.

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Radschnellweg – das klingt nach einem Traum für alle, die mit dem Rad zur Arbeit oder durch die Stadt düsen wollen. Breite, glatte Wege, keine Autos, und vor allem: schnelles Vorankommen. In der Theorie gibt es diese Wege in Deutschland schon seit Jahren. Und in der Praxis? Nun ja, wenn du das grüne Radschnellweg-Schild noch nie live gesehen hast, bist du nicht allein.

Denn von den ca. 2000 Kilometern, die deutschlandweit geplant waren, sind bis jetzt nur etwa 70 Kilometer tatsächlich gebaut worden. Zum Vergleich: 2019 wurden in Deutschland 183 Kilometer neue Autobahnen und Bundesstraßen gebaut. Verkehrswende? Fehlanzeige.

Radschnellwege sollten eigentlich "zügig" gebaut werden

Im Nationalen Radverkehrsplan, also der Grundlage für die deutsche Radverkehrspolitik, heißt es:

"Bund, Länder und Kommunen bauen das Radnetz Deutschland zügig aus und berücksichtigen dabei die Anforderungen des Alltagsradverkehrs. Sie realisieren Radvorrangrouten und Radschnellverbindungen – insbesondere in allen Metropolregionen."

Nationaler Radverkehrsplan 3.0 von 2021

Große Pläne, kaum Fortschritt in den Bundesländern

Aber: Von einem "zügigen” Ausbau der Radschnellwege kann in der Realität keine Rede sein. So kritisiert ADFC Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr etwa das langsame Tempo beim Bau von Radschnellwegen in NRW. 278 Kilometer Radschnellverbindungen sind in dem Bundesland geplant. Fertiggestellt sind davon gerade einmal 18. Und davon nur 7 im Radschnellweg-Standard. Bis 2027 kann mit der Fertigstellung von weiteren 43 Kilometern gerechnet werden.

Ähnlich sieht es in Hessen aus, wie die ZEIT schreibt: Vor sechs Jahren fand hier der Spatenstich für die geplante Verbindung Darmstadt-Frankfurt statt. Durchgehend fertiggestellt sind bisher 10,5 Kilometer zwischen Langen-Bahnhof und Darmstadt-Nord. Es ist bisher der einzige Radschnellweg in Hessen, an dem tatsächlich gebaut wird – die Fertigstellung war ursprünglich für das Jahr 2022 geplant.

In Berlin sieht es sogar noch düsterer aus. Hier wurde im Sommer bekannt, dass die Planung von fast allen geplanten Radschnellwegen aus Kostengründen nicht weiter vorangetrieben wird, wie der rbb berichtet.

Wer sich genauer informieren will, findet bei Wikipedia eine Auflistung aller geplanten, im Bau befindlichen und fertiggestellten Radschnellwege in Deutschland.

Warum geht der Ausbau von Radschnellwegen so langsam voran?

Der Ausbau von Radschnellwegen gestaltet sich weitaus komplexer, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. "Radschnellverbindungen sind komplexe Großprojekte, die von der Planung bis zur Umsetzung entsprechend lange Zeitfenster benötigen", erklärt etwa das hessische Verkehrsministerium. Tatsächlich ist die Planung solcher Strecken ähnlich aufwändig wie der Bau neuer Straßen. Besonders innerorts fehlt oft der Platz, was umfangreiche Umplanungen erfordert. Außerhalb von Städten stellen der Naturschutz und die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke weitere Herausforderungen dar.

Hinzu kommt, dass Radwege meist nur auf kommunaler Ebene geplant und umgesetzt werden, was den Bau eines überregionalen Netzes, das Städte verbindet, erheblich erschwert. Trotzdem bleibt bei vielen Radfahrenden der Eindruck, dass in der Politik immer noch die "Autohegemonie” herrscht und Radinfrastruktur trotz großer Pläne nicht priorisiert wird.

Was genau sind Radschnellwege?

Radschnellwege sind im Prinzip die Traumvorstellung von Radpendlerinnen und -Pendlern: breite, bestens ausgebaute und glatt asphaltierte Radwege, die es ermöglichen, schnell und sicher aus dem Umland in die Stadt zu fahren. Sie sind quasi Premium-Radwege, gekennzeichnet sogar mit einem eigenen Verkehrszeichen: dem grünen Radautobahn-Schild.

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Konkret definiert die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen folgende Kriterien für einen Radschnellweg:

  • ein prognostiziertes Potenzial von mindestens 2.000 Radfahrenden pro Werktag im Querschnitt
  • Fokussierung auf den Alltagsradverkehr
  • Verlauf in der Regel getrennt von Flächen anderer Verkehrsarten
  • Mindestlänge von in der Regel fünf Kilometern
  • Breite: in der Regel drei Meter (einspurig) oder vier Meter (zweispurig)
  • sichere und komfortable Kreuzungspunkte
  • hohe Belagsqualität
  • geringe Steigung
  • wenig Zeitverluste durch Warten, Halten oder Beschleunigen
  • dauerhafter und verkehrssicherer Betrieb und Unterhalt – einschließlich Winterdienst
  • hohes subjektives Sicherheitsgefühl
  • hohe soziale Sicherheit, z. B. durch ausreichende Beleuchtung
  • gute Wiedererkennbarkeit, einheitliche Kennzeichnung und Ausstattung
  • gute Einbindung in das übrige Radverkehrsnetz
  • gute städtebauliche Integration und verträgliche Einbindung in Natur und Landschaft

Fazit: Wunschbild für bessere Radinfrastruktur

Radschnellwege haben das Potenzial, den Radverkehr in Deutschland revolutionär zu verändern – zumindest auf dem Papier. In der Realität sind sie jedoch weiterhin eine Seltenheit. Trotz ambitionierter Pläne und politischer Versprechen bleibt der Ausbau schleppend, behindert durch komplexe Planungsverfahren, mangelnden Platz und unzureichende finanzielle Mittel. Während Kilometer um Kilometer neuer Straßen gebaut werden, kommen Radschnellverbindungen nur im Schneckentempo voran. Das grüne Radschnellweg-Schild ist für die meisten Radfahrer daher ein Symbol für unrealisierten Fortschritt – und bleibt vielerorts nur ein Wunschbild einer besseren Radinfrastruktur.  © Bike-X

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