Elektro-Supersportwagen-Hersteller Rimac startet einen eigenen Robotaxi-Dienst. 2026 soll es mit dem Verne getauften Subunternehmen losgehen.
Mate Rimac hat mit dem Nevera einen elektrisch angetrieben Hypersportwagen an den Start gebracht, als Chef von Bugatti hat er den neuen Tourbillon aufgelegt. Der Kroate setzt künftig aber auch auf einen autonomen Fahrdienst. Dazu hat er mit zwei seiner engsten Kollegen und Freunde, Marko Pejković und Adriano Mudri, das Unternehmen Verne gegründet.
Video: Das kann die Verne Robotaxi-App
Jules Verne als Namens-Pate
Verne soll einen neuen Ansatz für autonome Mobilität in Städten definieren. Benannt wurde das Unternehmen nach dem Autor Jules Verne, der in seinen Werken das Potenzial der Menschheit durch erstaunliche Reisen beschrieben hat.
Vorgestellt wurde das neue Unternehmen sowie die ersten Verne-Robotaxis bei einer Veranstaltung auf dem Rimac-Campus in Zagreb, wo der neue autonome Fahrdienst auch ab 2026 starten soll.
Verne sieht als Basis für das neue, autonome Mobilitätsökosystem drei Schlüsselelemente. Das rein elektrisch angetriebene Verne-Robotaxi basiert auf einer völlig neuen Plattform, die auf Sicherheit und Komfort ausgelegt ist und ausschließlich für autonomes Fahren unter Verwendung der autonomen Plattform Mobileye Drive entwickelt wurde. Für ein einmaliges Fahrerlebnis können sich Kunden ihr Robotaxi per Ride-Hailing-App und Mobilitätsplattform individuell konfigurieren. Auf diese Weise wird das Fahrzeug in Bezug auf Komfort, Beleuchtung, Temperatur und sogar Geruch genau nach Kundenwunsch eingestellt. Der Nutzer soll so ein gewisses Besitz-Erlebnis erfahren, ohne dass ihm das Robotaxi tatsächlich gehört.
Eingebettet wird der Verne-Fahrdienst in eine "Mothership" getaufte Infrastruktur, die für jedes Betriebsgebiet (also jede Stadt, in der Verne angeboten werden soll) speziell zugeschnitten ist. "Mothership" kümmert sich darum, dass die Verne-Fahrzeuge täglich inspiziert, gewartet, gereinigt und aufgeladen werden. Zusätzlich baut Verne seine erste Produktionsanlage in Kroatien, um autonome Elektrofahrzeuge herzustellen, die weltweit eingesetzt werden sollen.
Verne – konsequent autonom ausgelegt
Formal präsentiert sich das Verne-Robotaxi als geräumiger Zweisitzer mit sehr schräg stehender Frontscheibe, die beinahe bis zur Fahrzeugnase reicht. Flanken und Heck sind so verglast, dass eine umlaufende Fensterfront entsteht, die den Passagieren viel Überblick gewährt. Auf dem ebenfalls verglasten Dach und in den B-Säulen montierte Lidar-Sensoren (Lidar: Light detection and ranging – Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeits-Messung), Radar-Systeme und Kameras – die von Entwicklungspartner Mobileye stammen – sorgen für die Erkennung von Hindernissen und liefern so die Grundlage für den autonomen Fahrbetrieb. Konsequenterweise entfallen so auch Dinge wie Scheibenwischer und Rückspiegel. Beibehalten wurde ein ausreichend bemessener Kofferraum, denn auch autonom Reisende haben in der Regel Gepäck.
Der Verne-Innenraum, der über großzügig nach vorn gleitende Schiebetüren zu erreichen ist, ist konsequent als Zweisitzer ausgelegt. Ein Lenkrad oder Pedale sucht man vergeblich. Dafür erstreckt sich vor den Passagieren ein scheinbar unendlicher Fußraum. Zwischen den vielfach einstellbaren Sitzen dient ein Touchpad zur Interaktion mit dem Bordsystem, mit dem man die Fahrzeugeinstellungen anpassen kann, auf. Hier gibt es auch eine wichtige Funktion, mit der Sie die wichtigsten Teile der Fahrt steuern können – den Median. Der Median ist ein physischer Schalter zum Starten und Stoppen der Fahrt, der dem Kunden ein zusätzliches Gefühl der Kontrolle über das autonome Fahrzeug gibt. Vorn in der Kabine sitzt auf dem, was vormals eine Armaturentafel war, ein 43 Zoll großer Bildschirm, der zusammen mit 17 Lautsprechern das Infotainmentangebot umsetzt. Die verbauten Materialien sollen extrem robust und haltbar sein, dennoch aber Wertigkeit ausstrahlen und sich edel anfühlen.
Start in Zagreb, dann in die Welt
Zur rein elektrischen Antriebstechnik machen Rimac und seine Partner zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Angaben. Dafür gibt es schon konkrete Pläne über die Verbreitung von Verne.
Starten soll der Verne-Robotaxi-Dienst ab 2026 in Zagreb. Nach Zagreb wird Verne in anderen europäischen Städten (zuerst in Großbritannien und Deutschland) und im Nahen Osten eingeführt. Das Unternehmen hat bereits Vereinbarungen mit 11 Städten in der EU, Großbritannien und dem Nahen Osten unterzeichnet und verhandelt nach eigenen Angaben mit mehr als 30 Städten weltweit, die Verne-Partner werden möchten.
Bedarf an Neveras scheint gedeckt
Rimac liefert aktuell den Nevera aus. Dessen vier Elektromotoren leisten zusammen 1.408 kW (1.914 PS) – die Fahrleistungen des straßenzugelassenen Renners reichen für zig Rekorde. Aber der Nevera ist auf 150 Exemplare limitiert – und möglicherweise ist dann der Bedarf an mehr als zwei Millionen Euro teuren Elektrosportwagen auch gedeckt. Für ein langfristiges Überleben braucht Rimac bezahlbare Autos. Gegenüber Autocar hat Rimac-Chef Mate Rimac die Rollen seiner Projekte betont: Der Nevera gilt als prestigeträchtiges Leuchtturm-Projekt, während das Robotaxi als bezahlbares und somit allgemein zugängliches Transportmittel das Leben der Menschen verändern soll.
Robotaxis sollen einmal vollautonom Passagiere in Städten von A nach B transportieren. Autohersteller und Software-Anbieter erhoffen sich davon neue Möglichkeiten zum Geldverdienen. Die Alphabet-Tochter Waymo führt bereits seit Jahren vollautonome Robotaxi-Testfahrten in San Francisco durch, die GM-Tochter Cruise hat ihre Robotaxi-Erprobungen nach einem schweren Unfall und zahllosen weiteren Zwischenfällen auf Eis gelegt. Hinter vorgehaltener Hand bezeichnen führende Ingenieure aus der Autoindustrie vollautonomes Fahren inzwischen eher als eine theoretische Möglichkeit – aber Rimac scheint an eine Umsetzbarkeit zu glauben.
Kooperation mit Kia
2026 sollen Rimac' Robotaxis ihren regulären Betrieb aufnehmen. Hersteller Rimac, über das Joint Venture "Bugatti Rimac" auch mit Bugatti verbunden, hat für seine Robotaxi-Tätigkeiten die Untermarke Project 3 Mobility ins Leben gerufen, an der wiederum Kia beteiligt ist. Zum Hintergrund: Die Kia-Mutter Hyundai ist mit elf Prozent an der Rimac Group beteiligt. Über Porsche ist zwar auch VW an Rimac beteiligt, aber die Erkenntnisse von VWs Ridepooling-Testbetrieb Moia in Hamburg scheinen die Kroaten nicht zu nutzen.
Über 170 Millionen EU-Fördergeld
Finanzielle Unterstützung für das Verne-Projekt kommt auch von der EU, die bereits am 25. Mai 2023 179,5 Millionen Euro Steuergeld bewilligt hat. Die Beihilfe geht als direkter finanzieller Zuschuss an Rimac und deckt zirka 45 Prozent der förderfähigen Kosten ab. Die Kosten bis zum Beginn der kommerziellen Phase schätzen Experten auf zirka 450 Millionen Euro. Kia übernimmt davon einen Anteil in bisher unbekannter Höhe.
Das Project-3-Mobility-Hauptquartier befindet sich in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Im EU-Förderbeschluss ist Zagreb ausdrücklich als die mit Robotaxis auszurüstende Stadt genannt. Im Falle eines Erfolges soll der Dienst auch in anderen europäischen Städten buchbar sein. Ein zusätzliches Forschungs- und Entwicklungszentrum betreibt Rimac im 20 Kilometer südöstlich vom englischen Birmingham gelegenen Warwick, wo 100 Mitarbeiter beschäftigt sind. © auto motor und sport
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.