Tief "Charly" lässt am Mittwochabend und Donnerstag (8.1. – 9.1.2025) eine Schneewalze über große Teile Deutschlands rollen. Autofahrer müssen sich auf schwierige Bedingungen einstellen: Schnee, Schneematsch und Glätte machen Fahrten besonders gefährlich.
Dass in Deutschland eine situative Winterreifenpflicht gilt und Frostschutzmittel in die Scheibenwaschanlage muss, wissen die meisten Autofahrer. Aber es gibt noch mehr zu beachten. Hier finden Sie zehn Tipps für das Fahren im Winter:
1. Freie Sicht
Nicht jeder von uns ist Panzerfahrer und in der Lage durch ein winziges Guckloch zu navigieren. Drum sagt das Gesetz, dass vereiste Autoscheiben vor Fahrbeginn vom Eis befreit werden müssen. Ausnahme: Bei vereister Heckscheibe reicht ein zweiter einsehbarer und funktionsfähiger Außenspiegel aus, um die notwendige Sicht nach hinten zu gewährleisten (OLG Karlsruhe, Az.: 3 Ss 12/86). Das Verwarngeld von zehn Euro wirkt in Anbetracht der Gefahr für die weiteren Verkehrsteilnehmer verhältnismäßig gering. Aber Vorsicht: Wer sich das Kratzen erleichtern will und dabei den Motor im Stand warmlaufen lässt, riskiert weitere 80 Euro Bußgeld.
2. Kennzeichen, Scheinwerfer und Dach säubern
Nicht nur der Fahrer sollte eine freie Sicht haben, sondern auch die Scheinwerfer sowie die Polizei auf die Nummernschilder der Autos. Daher gilt: Vor Fahrtantritt sowohl die Beleuchtungsanlage als auch die Kennzeichen von Schnee und Matsch befreien! Verdreckte Scheinwerfer können mit 20 Euro, unleserliche Kennzeichen mit fünf Euro sanktioniert werden. Pkw-, aber besonders Lkw-Fahrer sollten daran denken, das ganze Fahrzeug, sprich auch das Dach, von den Schnee- und Eismassen zu befreien. Denn vom Laster geschleuderte Eisplatten sind besonders gefährlich. Schäden hat der Lkw-Fahrer zu verantworten. Das heißt: Er haftet in solchen Fällen, weil er seinen Lkw nicht ordnungsgemäß gesäubert hat.
3. Lichtpflicht und Fahrzeugbeleuchtung
Sind die Scheinwerfer erst einmal freigelegt, sollten sie auch angeschaltet werden. Auch, wenn anders als in anderen europäischen Nachbarländern in Deutschland keine generelle Lichtpflicht gilt und moderne Fahrzeuge über ein Tagfahrlicht verfügen. Zumal das Tagfahrlicht lediglich nach vorn strahlt. Wer bei schlechten Sichtverhältnissen ohne Abblendlicht fährt, riskiert eine Geldbuße von bis zu 35 Euro. Außerorts werden gar bis zu 90 Euro und ein Punkt fällig, wenn der Fahrer trotz Schneefalls ohne Abblendlicht unterwegs war. Die Nutzung des Standlichts gilt nicht als ausreichende Beleuchtung und kann mit zehn Euro Verwarngeld bestraft werden.
4. Winterreifenpflicht
Es gibt sie tatsächlich immer noch, die Autofahrer, die erst dann merken, dass die Sommerreifen durch Winterreifen ersetzt werden sollten, wenn der Schnee zum Fenster reinfällt. Im Prinzip reicht das hierzulande auch, denn in Deutschland gilt die situative Winterreifenpflicht: Bei winterlichen Straßenverhältnisse müssen Reifen mit dem Alpine-Symbol, einem Bergpiktogramm mit Schneeflocke, montiert sein. Da der Radwechsel außerhalb der Formel 1 oft länger dauert, als die anstehende Fahrt, ist in der Praxis besser bedient, wer die Faustregel von O bis O beherzigt: Sprich von Oktober bis Ostern sollten Winterreifen montiert sein. Denn wer bei Schnee und Eis ohne die griffigeren Gummis unterwegs ist, kann mit einem Bußgeld in Höhe von 60 beziehungsweise bis zu 120 Euro bei einer Sachbeschädigung sowie einem Punkt in Flensburg belegt werden. Kurzer Hinweis: Der Bremsweg aus 50 Kilometer pro Stunde kann sich auf schneebedeckter Fahrbahn verdoppeln. Aus 31 Metern werden so schnell mal über 60 Meter.
5. Schneeketten
Spätestens dann, wenn das Verkehrszeichen 268 den Schneekettengebrauch für alle mehrspurigen Fahrzeuge anordnet, müssen diese auch aufgezogen werden (aber nur dann, wenn dadurch die Fahrbahn nicht beschädigt wird). Das setzt natürlich voraus, dass 1. Schneeketten vorhanden sind und 2. der Fahrer auch weiß, wie sie aufgezogen werden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit Schneeketten beträgt 50 Kilometer pro Stunde. Eine Verletzung der Schneekettenpflicht wird mit 20 Euro bestraft. Aber nicht nur deswegen sollte die Alternative zum Traktionsverstärker das Abstellen des Fahrzeugs sein: Wer will schon liegenbleiben und die Passstraße für die nachfolgenden Autos blockieren?
6. Angepasstes Fahrverhalten
Neben dem Schneeketten-Tempolimit existieren generell keine besonderen Tempolimits im Winter. Lediglich bei Sichtweiten unter 50 Meter gilt auch ohne besondere Anordnung eine Höchstgeschwindigkeit von maximal 50 Kilometer pro Stunde. Besonders wichtig: Genügend Abstand zum Vordermann lassen! Auf glattem Untergrund bietet sich an, den zweiten Gang zum Anfahren zu wählen und auch im weiteren Fahrtverlauf wird das Weiterkommen erleichtert, wenn ein hoher Gang und somit eine niedrige Motordrehzahl gewählt werden. Um ganz sicher zu gehen, wie glatt die Straße tatsächlich ist, kann auf freier Strecke und wenn keine Gefahr für andere besteht, eine kurze Bremsprobe durchgeführt werden.
Gerät das Fahrzeug trotz ruhiger Lenkbewegung oder gar auf gerader Strecke in Rutschen: auskuppeln, bremsen und schnell, aber gefühlvoll gegenlenken. Folgt keinerlei Reaktion vom Fahrzeug hilft nur eine harte Vollbremsung. Dann holen die elektronischen Helfer ABS und ESP die maximale Verzögerung mit möglichst Richtungstreue aus den Reibwertverhältnissen heraus. Fahrer von Fahrzeugen ohne ABS müssen beim Bremsen auskuppeln und vorsichtig das Bremspedal bedienen. Ansonsten droht ein Aufschaukeln des Fahrzeugs. Eine Vollbremsung ohne ABS verlangt vom Fahrer eine noch sensiblere Aktion: Bremspedal voll durchtreten. Schert das Fahrzeug aus, Bremse lösen, leicht korrigieren und erneut bremsen.
Frontangetriebene Fahrzeuge drohen in einer zu schnell gefahrenen Kurve über die Vorderräder aus der Kurve herauszurutschen (Untersteuern). Dann hilft nur eines: Gaswegnahme. Heckangetriebene Autos können bei zu starkem Gaspedaleinsatz mit dem Heck ausbrechen (Übersteuern). Auch hier gilt: Gaswegnahme und Kupplungspedal treten. Besitzer von Allradfahrzeugen erfreuen sich zwar einer besseren Traktion beim Beschleunigen auf rutschigem Untergrund. Beim Bremsen haben sie jedoch keinerlei Vorteile. Bei einsetzendem Eisregen oder generell vereister Fahrbahn hilft trotz Elektronik nur eines: Auto stehen lassen!
7. Verschneite Verkehrsschilder
Schnee macht auch vor Verkehrsschildern keinen Halt. Mit Ausnahme der signifikant geformten Schilder, wie dem Stoppschild oder dem Vorfahrt-gewähren-Schild, werden sie teilweise oder völlig unlesbar – und somit auch nachvollziehbar nicht befolgbar. Für Ortsunkundige kann dies zu Verwirrungen führen, mehr aber auch nicht. Da bei verschneiter Landschaft generell langsamer beziehungsweise angepasster gefahren werden sollte, dürfte an solchen Tagen der Blitzer eigentlich überhaupt nicht zum Einsatz kommen müssen. Bei Ortskundigen schaut dies anders aus. Denn wer täglich durch eine Tempo 30-Zone zur Arbeit fährt, dem gehen die Argumente aus, wenn er dort bei Schnee mit überhöhter Geschwindigkeit "völlig überraschend" geblitzt wird.
9. Vorsicht bei Räumfahrzeugen
Die Helfer in der Schnee-Not sind in den meisten Fällen Räumfahrzeuge. Nicht ohne Grund also genießen diese nach Paragraph 35 Straßenverkehrs-Ordnung Sonderrechte. Schätzt demnach ein Autofahrer die Breite eines Räumfahrzeugs falsch ein und es kommt zu einem Schaden, muss der Autofahrer diesen unter Umständen größtenteils selbst tragen. Kommt es dagegen zu Beschädigungen durch Streugut, geht das auf das Konto des Halters des Streuwagens – in der Regel also der Kommune. Problematisch ist aber, dem Streufahrzeug-Fahrer ein Verschulden nachzuweisen. Wenn ein vorbeifahrender Wagen Splitt hochschleudert und ein anderes Auto beschädigt, ist dies als unabwendbares Ereignis einzustufen – die Haftung bleibt aus. Wichtig: Der Fahrer eines langsamen Schneepflugs auf der Autobahn kann nicht für Auffahrunfälle verantwortlich gemacht werden. Es gilt: Beim Fahren hinter Streuwagen oder Schneepflügen ist immer Abstand zu halten. Es darf nur überholt werden, wenn es der Straßenzustand erlaubt und es gefahrlos möglich ist.
10. Vorsorge ist besser: warme Kleidung und Decken mitnehmen
Wo Schnee liegt, ist es normalerweise auch kalt. An warme Kleidung zu erinnern, ist daher nicht abwegig – denn wer eine Panne hat, kann vielleicht nicht im Auto bleiben. Und wenn dessen Motor nicht läuft, wird's auch innen kalt. Dann drohen Situationen, in denen selbst die Isolierung der wärmsten Kleidung an ihre Thermogrenzen stößt. In einem Stau zum Beispiel. Wer aufgrund eines Schneesturms, Unfalls oder sonst eines winterlich bedingten Staus stundenlang in seinem Fahrzeug gefangen ist, kühlt irgendwann aus. Daher sind im Winter neben warmer Kleidung auch Decken empfehlenswert.
ABER: Die dicke Jacke bitte im Auto mitführen und nicht während der Fahrt tragen! Zu dicke Kleidung verhindert, dass der Sicherheitsgurt eng am Körper anliegt. Im Falle eines Unfalls hat der Körper zu viel Spielraum (Luft zwischen Gurt und Körper) und kann unter dem Gurt hindurchrutschen beziehungsweise zu schweren Verletzungen führen. Als Faustregel gilt hier: Zwischen Gurt und Körper darf maximal eine flache Hand passen. Zudem kann ein Unfall in Wintermontur zu einem Bußgeld führen, wenn sich herausstellt, dass der Fahrende aufgrund seiner Kleidung in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Denn zu dicke Kleidung, Schals, Handschuhe und Mützen können das Lenken oder auch einen Schulterblick erschweren. © auto motor und sport
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