Berlin - Auch Nissan geht jetzt neue Wege in der Elektromobilität. Während alle Welt auf die dritte Generation des Akkupioniers Leaf wartet, schicken die Japaner auf ganz schmaler Spur erst einmal den Silence S04 ins Rennen.

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Gerade mal 1,29 Meter breit und als Leichtkraftfahrzeug auch schon ab einem Alter von 15 Jahren zu fahren, ist der vom spanischen Mischkonzern Acciona gebaute Zweisitzer seit dem Jahreswechsel zu Preisen ab 11.995 Euro im Handel - Nissan übernimmt den Vertrieb des Nanocars.

Science Fiction im Stadtverkehr

Für den Kaufpreis gibt es einen hoch aufragenden Plastikbomber, der mit seinem in die Mitte gerückten Scheinwerfer, den kantigen Tagfahrleuchten und der Zweifarb-Lackierung auch als Kampfdrohne im Science-Fiction-Film durchgehen könnte. Damit setzen die Japaner einen Kontrapunkt zum Kuscheldesign von Konkurrenten wie dem Fiat Topolino, dem Microlino oder dem Opel Rocks-e. Selbst der neue Mobilize Duo der Konzernschwester Renault sieht dagegen fast schon brav und bieder aus.

Mehr Finesse für den Fahrer

Auch innen sind die Unterschiede zu den Konkurrenten deutlich: Denn der Winzling müht sich redlich um eine ansehnliche Anmutung, kaschiert die üppige Kunststofflandschaft mit Lederimitat und leistet sich eine Polsterung, die diesen Namen auch verdient.

Außerdem gönnen die Macher den beiden leicht versetzt und deshalb überraschend luftig platzierten Insassen sogar Extras wie eine Klimaanlage. Die ist zwar bei richtigen Autos sonst mittlerweile Standard, wird in diesem Segment aber nur selten angeboten.

Und zumindest für die Kurzstrecke, zum Einkaufen oder für die Fahrt zur Arbeit reicht auch der 247 Liter große Kofferraum allemal.

Akkus: Lieber wechseln statt laden

Der größte Unterschied zu anderen liegt aber im Akku-Konzept: Denn statt die Batterien fest im Boden zu verschrauben, hat Acciona-Ableger Silence einen Wechselakku entwickelt, der wie ein Rollkoffer konstruiert ist und von der Seite unter den Sitzen eingeklinkt wird.

Silence Nanocar04 von Nissan
Schrieben wir nicht gerade, "kein richtiges Auto"? Innen schaut's aber fast so aus - nur viel schmaler. © dpa / Nissan/dpa-tmn

In der Theorie kann man die Batterie deshalb mit zwei Handgriffen ausbauen, an einem Teleskopgriff auf Rollen hinter sich herziehen und auch daheim in der Wohnung laden. In der Praxis allerdings macht das bei Format und Gewicht einer Getränkekiste eine gewisse Mühe. Erst recht, wenn man ohne Aufzug im dritten Stock wohnt.

Deshalb wartet man lieber auf die Tauschstationen, die Nissan ähnlich wie in Spanien mittelfristig in hiesigen Großstädten aufstellen will. Dann ist der Weg weniger beschwerlich, und zudem verkürzt sich die Zeit von bestenfalls sieben Stunden zum Laden auf wenige Minuten fürs Tauschen. Und weil man den Akku nicht mehr kaufen muss, sondern mieten kann, wird das Gefährt obendrein deutlich billiger.

Bis zu 175 Kilometer ohne Stopp

Den Antrieb der Hinterräder übernehmen je nach Version E-Motoren mit 6 kW/9 PS für die gesetzlich limitierten 45 km/h in der L6-Variante oder mit 14 kW/19 PS beim L6 für fast schon vergnügliche 85 km/h Höchstgeschwindigkeit. Mit einem Akku schafft der Silence dann 75 Normkilometer. Wer links und rechts ein Batteriepack montiert, kann seinen Aktionsradius auf 149 bis 175 Kilometer steigern.

Es holpert gewaltig beim Fahren

Beim Fahren dagegen fühlt sich das Nanocar genauso holprig und ungelenk an wie all die anderen Mikromobile. Ja, es ist ungeheuer wendig und beim Parken unschlagbar, und zumindest im urbanen Umfeld stört man sich auch nicht an der arg limitierten Höchstgeschwindigkeit – zumindest bei den ausgewachsenen Varianten.

Denn während die 45 km/h der L6-Version immer genau fünf km/h zu wenig sind, schwimmt zumindest der L7 lässig mit im Verkehr und sogar auf der Landstraße fühlt man sich noch ganz gut aufgehoben. Selbst wenn man sich immer wieder in Erinnerung rufen muss, dass der Winzling kein ABS hat und beim Bremsen deshalb Vorsicht geboten ist.

Doch spätestens an Unebenheiten wie der ersten Bordsteinkante oder einer Temposchwelle ist der Spaß vorbei, weil der Plastikbomber schier ungefedert über die Bodenwelle rollt und stattdessen schon bei Schritttempo die Wirbel klackern wie Billardkugeln beim Anstoß. Autsch, da spart der Hersteller auf Kosten der Knochen seiner Kunden.

Silence Nanocar04 von Nissan
Nein, das ist eigentlich kein Rollkoffer - aber die Wechselakkus lassen sich eben in ähnlicher Manier transportieren. © dpa / Nissan/dpa-tmn

Fazit: Ein Versuch ist es wert

Der Fahrkomfort ist zwar eingeschränkt und mit einem ausgewachsenen Auto kann man den Silence S04 nicht vergleichen. Doch im Umfeld der Leichtkraftwagen ist der spanische Neuzugang bei den Nissan-Händlern nicht nur die nobelste Alternative, sondern auch die pfiffigste.

Denn die Idee des Wechselakkus macht das Laden schon jetzt leichter - und bald womöglich auch viel schneller. Und selbst wenn der Schmalspurstromer teurer ist als manch konventioneller Kleinwagen, wird Elektromobilität ein wenig bezahlbarer.

Auch dieses Gefährt taugt damit zwar nicht zum Massenphänomen, ist aber eine interessante Alternative und den Versuch deshalb allemal wert. Und wer's größer mag, bekommt bei Nissan ja bald auch einen neuen Leaf.

Datenblatt: Silence S04

Motor und Antrieb: Ein Elektromotor
Max. Leistung: 14 kW/19 PS
Max. Drehmoment: k.A.
Antrieb: Hinterachsantrieb
Getriebe: 1-Gang-Automatik
Maße und Gewichte
Länge: 2.282 mm
Breite: 1.268 mm
Höhe: 1.573 mm
Radstand: k.A.
Leergewicht: 517 kg
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: 247 kg
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h
Beschleunigung 0-50 km/h: 7,0 s
Durchschnittsverbrauch: k.A.
Reichweite: 149 km
CO2-Emission: 0 g/km
Batteriekapazität: 11,2, kWh
Ladeleistung AC/DC: 0,6 kW/- kW
Energieeffizienzklasse: A+
Kosten:
Basispreis des Nanocar (L6 mit einem Akku): 11.995 Euro
Grundpreis des Nanocar (L7 mit 2 Akkus): 16.745 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: 0 Euro/Jahr
Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit: Sicherheitsgurte, elektronischer Zugangscode
Komfort: Klimaanlage, elektische Fenster, Smartphone-Integration, Mobilitäts-App

  © Deutsche Presse-Agentur

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