• Konflikte und Unfälle unter Fahrrad- und Autofahrern sind Alltag auf den deutschen Straßen. Viele Irrtümer und Unklarheiten kursieren.
  • Hier antwortet Albert Cermak, Fachanwalt für Verkehrsrecht in München, auf Ihre Fragen.

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Am Ende des Textes haben auch Sie die Möglichkeit, uns Ihre Frage zu schicken! Hier bereits beantwortet:

  • Ist der Spurwechsel im Autobahn-Stau erlaubt?
  • Darf ich auf der Landstraße mehrere Autos auf einmal überholen? Darf ich vor einer Bahnschranke überholen?
  • Kann ein Polizist entscheiden, wer zahlen muss und wer nicht?
  • Wann hat der Bus Vorfahrt?
  • Wann muss ich blinken?
  • Gleichzeitig die Spur gewechselt: Wer trägt Schuld?
  • Gilt das Schild "Tempo 30" mit dem Hinweis "Schule" nur zu Schulzeiten?
  • Fahrradfahrer: Warum brauchen sie keinen Führerschein? Müssen sie den Radweg benutzen? Dürfen sie rechts überholen?
  • Neue Regel "1,5 Meter Abstand beim Überholen von Radfahrern": Ist das wirklich durchdacht?
  • Autobahn: Überholen, Rettungsgasse, Rechtsfahrgebot
  • Darf ich beim Fahren das Radio bedienen?

Neueste Leserfrage: "Ist Kolonnenspringen erlaubt, also auf der Autobahn im Stau die Spur zu wechseln?"

Das sogenannte "Kolonnenspringen" ist per se nicht verboten, wird aber der Überholte gefährdet (zum Beispiel durch zu geringen Abstand) kann eine Ordnungswidrigkeit vorliegen. Zudem erhöht der Spurwechselnde sein Haftungsrisiko bei jedem Spurwechsel erheblich: Sollte es im engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel zu einem Unfall kommen, liegt der Schluss nahe, dass der Spurwechselnde Schuld ist. Juristen nennen eine solche Schlussfolgerung "Anscheinsbeweis" für ein Verschulden. Der Spurwechsler muss dann praktisch beweisen, dass das Spurwechseln nicht Ursache für den Unfall war.

"Ich fahre auf der Landstraße in einer Autoschlange hinter einem langsamen Verkehrsteilnehmer, aber nicht im Wagen direkt hinter ihm. Darf ich überholen?"

Auch das Überholen einer Fahrzeugkolonne auf einer Landstraße ist an sich erlaubt, solange keine "unklare Verkehrslage" vorliegt. Eine solche besteht laut der Straßenverkehrsordnung (§ 5 Abs. 3 Nr. 1), wenn nach allen Umständen mit gefahrlosem Überholen nicht gerechnet werden kann.

Schwierige Situationen entstehen aber meist dadurch, dass Fahrzeugführer weiter vorne in der Kolonne nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeug von weiter hinten überholt. Sie konzentrieren sich vor allem auf den Gegenverkehr. Kommt es zum Unfall, spricht die Rechtsprechung dem Kolonnenüberholer meist eine Mithaftung am Unfall zu. Denn: Der "Idealfahrer", der mit Sorgfalt und Geistesgegenwart am Verkehr teilnimmt, überholt eben nicht mehrere Fahrzeuge auf einmal.

"Wenn man aus unserer Tiefgarage herausfährt, hat man kaum Blick auf möglicherweise querende Fußgänger. Wir fahren also sehr langsam, was Fußgängern eine rechtzeitige Reaktion erlauben würde. Verkehrswidrig benutzen den Fußweg aber auch Radfahrer mit Geschwindigkeiten um die 15 km/h. Wie ist die Rechtslage bei einer eventuellen Kollision?"

Radfahrer dürfen Gehwege nicht zum Fahren nutzen, dort müssen Fahrräder geschoben werden. Ein ganz eindeutige Haftungslage gibt es wegen der besonders hohen Sorgfaltspflicht von Autofahrern beim Ausfahren aus einem Grundstück oder einer Tiefgarage jedoch nicht. Die Spanne liegt hier in der Rechtsprechung meist zwischen einem Alleinverschulden des Radfahrers und einer 50/50 Haftungsverteilung.

"Darf man mit einem PKW an wartende Fahrzeugen vor geschlossener Bahnschranke links vorbeifahren, um in eine Seitenstraße links einzubiegen?"

Das Überholen von vor einer Bahnschranke wartender Fahrzeug ist nicht erlaubt, auch wenn Sie letztlich gar nicht über die Gleise wollen. Das besondere Gefahrenpotential an Bahngleisen/-schranken lässt hier keine Ausnahmen zu.

"Ich sehe oft Radfahrer über den Zebrastreifen fahren, ohne nach links oder rechts zu schauen und das Tempo zu verringern. Dürfen sie das? Sollte es Gebotsschilder geben, die sie darauf hinweisen, abzusteigen?"

Zebrastreifen sind Fußgängerüberwege. (Nicht geschobene) Fahrräder haben dort nichts zu suchen. Dies sollte eigentlich jedem bewusst sein.

fahrradweg, pflicht
Bei diesem Schild gilt: Radfahrer müssen den Fahrradweg benutzen. © Getty Images/iStockphoto

Darf die Polizei auch mal ein Auge zudrücken?

"Weshalb wird ein Rotlichtverstoß bei Radfahrern nicht geahndet? Ich habe selbst beobachtet, wie ein Radfahrer bei Rot über die Ampel fuhr und von einem Streifenwagen mit Blaulicht gestoppt wurde. Kurzes Gespräch und er durfte weiter radeln. Es wurden keine Personalien aufgenommen und es wurde keine Strafe verhängt. Darf ein Polizist entscheiden, wer zahlen muss und wer nicht?"

Rotlichtverstöße von Radfahrern sind grundsätzlich genauso zu ahnden wie von Autofahrern, wenn auch die Bußgelder geringer sind und kein Fahrverbot droht (Bußgeldkatalognummern 137606 ff.).

Aber: Bei allen Ordnungswidrigkeiten dürfen Polizeibeamte "ein Auge zudrücken" und es beispielsweise bei einer mündlichen Verwarnung belassen. Es gibt zwar ein sogenanntes Legalitätsprinzip: die Pflicht, bei einer Strafverfolgungsbehörde ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn es einen Anfangsverdacht gibt. Doch dieses Prinzip gilt nur bei Straftaten, nicht bei Ordnungswidrigkeiten.

Ordnungswidrigkeiten sind alle Vergehen, die nur mit einem Bußgeld (und eventuell einem befristeten Fahrverbot) geahndet werden. Hier einige Beispiele für Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr:

  • Geschwindigkeitsverstöße
  • Abstandsverstoß
  • Rotlichtverstoß
  • Handy am Steuer

Ein Auge zugedrückt wird eher bei kleineren Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO), etwa Gurtpflicht oder Beleuchtungspflicht. Wenn die Beamten von einem fahrlässigen Verstoß ausgehen und man sich einsichtig zeigt, verbleibt es oftmals bei einer mündlichen Verwarnung.

Eine nicht unbedeutende Rolle spielt das auch für das Privatleben von Polizeibeamten. Denn auch da gilt: Wenn ein Polizeibeamter (auch privat) von einer Straftat erfährt, muss er diese zur Anzeige bringen (zum Beispiel eine Körperverletzung bei einer Kneipenschlägerei, Betäubungsmittel-Delikte, etc.).

Wenn es nur um eine Ordnungswidrigkeit geht, muss ihn das nicht interessieren. Auch, ob die Polizei nach einem Unfall den Unfall aufnimmt, kann damit zusammenhängen. Gibt es nur einen Sachschaden und die Polizei hat gerade viel zu tun, wird den Beteiligten oft gesagt, dass keine Beamten zur Unfallstelle kommen. Gibt es aber einen Personenschaden, steht eine fahrlässige Körperverletzung (was eine Straftat darstellt) im Raum, so dass die Polizei kommen muss.

Auch im Straßenverkehr gibt es zahlreiche Straftatbestände - alles, was dazu im Strafgesetzbuch (StGB) steht und vereinzelt auch in anderen Gesetzen, vor allem in § 21 des Straßenverkehrsgesetzes "Fahren ohne Fahrerlaubnis". Die wichtigsten Verkehrsstraftaten im StGB sind :

  • § 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
  • § 229 Fahrlässige Körperverletzung
  • § 240 Nötigung
  • § 315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr
  • § 315c Gefährdung des Straßenverkehrs
  • § 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen
  • § 316 Trunkenheit im Verkehr

"Ein Linienbus, der innerorts aus einer Bucht ausfahren möchte, hat Vorfahrt. Wie aber sieht das außerhalb geschlossener Orte aus? Hat er auch hier Vorfahrt? Kann er den Blinker setzen und ich muss dann eventuell stark abbremsen, um den Bus ausfahren zu lassen?"

Die besonderen Vorsichtsmaßnahmen an Bushaltestellen (§ 20 der Straßenverkehrsordnung) sind sowohl inner- als auch außerorts einzuhalten. Voraussetzung für die Geltung ist das bekannte Haltestellenschild (Zeichen Nr.224 der Anlage zur StVO).

Blinken - oder nicht?

"Ein weißer Pfeil auf blauem Grund gibt die Fahrtrichtung vor. Ist es richtig, dass ich nicht blinken muss, wenn ich der Richtung folge und abbiege?"

Das ist falsch. Nach § 9 StvO sind Sie dazu verpflichtet, Abbiegen immer "rechtzeitig und deutlich" anzukündigen.

"Wenn ich dem Verlauf der abknickenden Vorfahrtstraße folge, muss ich dann blinken?"

Wer abbiegen will, muss den entsprechenden Blinker setzen, das besagt § 9 Abs.1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) sinngemäß. Dies gilt auch bei abknickender Vorfahrt. Kommt es zum Unfall und wurde zuvor nachweislich nicht geblinkt, steht trotz Vorfahrtsberechtigung eine Mithaftung im Raum.

"Wenn ich als Fahrradfahrer auf der abknickenden Vorfahrtstraße unterwegs bin, aber nicht abbiege, sondern weiter geradeaus fahre: Wie kann ich das den Autofahrern signalisieren? Sie warten ja, weil sie davon ausgehen, dass ich abbiegen will und entsprechend Vorfahrt hätte."

Auf einer abbiegenden Vorfahrtstraße muss derjenige, der dieser folgt, genauso sein Abbiegen ankündigen, wie sonst auch. Wenn also kein Abbiegen angezeigt wird, sollten die anderen Verkehrsteilnehmer auch nicht davon ausgehen, dass Sie abbiegen wollen.

Sie müssen also nicht signalisieren, dass Sie geradeaus fahren werden – ein solches Zeichen gibt es in diesem Sinne auch nicht. Natürlich steht es Ihnen frei, individuell mit Handzeichen darauf hinzuweisen, aber verlassen Sie sich lieber nicht darauf. Besser der Autofahrer wartet einmal zu viel, als einmal zu wenig.

Spurwechsel auf der Autobahn: Wer hat Vorrang?

"Wenn auf einer dreispurigen Autobahn gleichzeitig der von rechts auf die mittlere Spur und der von links auch auf die mittlere Spur will: Wer hat Schuld, wenn es zu einem Unfall kommt?"

Dies ist tatsächlich eine häufige Unfallursache. Hier gibt es kein überwiegendes Verschulden eines der Verkehrsteilnehmer. Es gibt kein rechts vor links beim Spurwechsel oder etwas in dieser Art. Die Haftung ist 50/50, beide Fahrer haften zu gleichen Teilen.

"Mich würde interessieren ob das Schild ,Tempo 30' mit dem Hinweis ,Schule' immer gilt (also auch nachts, Sonntags und in den Ferien) oder nur zu den üblichen Schulzeiten oder wenn Zeiten auf dem Schild angegeben sind."

Ohne Zeitangaben ist davon auszugehen, dass das Schild immer, also auch abends und an Ferien- beziehungsweise Feiertagen gilt. Die Begründung liefert das OLG Brandenburg:

  • "Im Interesse der Verkehrssicherheit dürfe es nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für auf Wochentage fallende gesetzliche Feiertage sinnvoll ist und gelten soll.“ (Quelle: OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.9.2019, Az.: (2 Z) 53 Ss-OWi 488/19 (1774/19))

"Was kann ich machen bei einem Unfall auf der Autobahn, bei dem die Autobahn lange gesperrt ist und ich dringend zur Toilette muss. Aussteigen ist auf der Autobahn untersagt."

Es gilt hier: "Eine Notdurft ist in der Regel kein Notfall". Denkbar ist ein Aussteigen ja ohnehin nur im Stau, auch hier riskieren Sie aber Bußgelder von 30 bis 70 Euro. Wenn bekannte Probleme mit einer schwachen Blase bestehen, gibt es für solche Fälle Notfall- oder Taschen-Toiletten auf dem Markt, die man im Auto dabei haben kann.

"Wenn auf einer Autobahn eine Höchstgeschwindigkeit von 120 vorgegeben ist und beide Fahrbahnen sind gut besetzt: Muss ich dann die linke Spur frei machen, wenn mich jemand überholen will, der dafür schneller als 120 km/h fahren muss? "

Generell gilt auf der Autobahn das Rechtsfahrgebot. Der linke Fahrstreifen darf also grundsätzlich nur zum Überholen genutzt werden. Wenn Sie sich also nicht in einem Überholvorgang befinden beziehungsweise nicht ein (weiterer) Überholvorgang unmittelbar bevorsteht, müssen Sie auf die rechte Spur, egal, ob hinter Ihnen ein schnelleres Fahrzeug ist oder nicht. Etwas anderes gilt nur bei zähfließendem Verkehr.

Fragen zu Fahrradfahrern: Warum brauchen sie keinen Führerschein? Müssen sie den Radweg benutzen?

"Ein Radfahrer nähert sich von hinten einem Fußgänger: Gibt es keine Regel, dass er sich mit einem Geräusch (Klingel) bemerkbar machen muss?"

Nein, dazu gibt es keine Vorschrift. Allerdings: Radfahrer sollen klingeln, wenn sie Fußgänger überholen, und gleichzeitig abbremsen, so die Rechtsprechung. Nach § 64a StVO ist eine Klingel am Fahrrad jedenfalls Pflicht.

"Warum müssen Fahrradfahrer eigentlich keinen Führerschein haben?"

Die einfache Antwort: Weil es kein Gesetz dafür gibt. Persönlich denke ich aber, dass zumindest eine verpflichtende Verkehrsschulung für jeden Radfahrer überlegenswert wäre, sofern dieser keinen Kfz-Führerschein hat. Kinder erhalten eine solche Schulung ja in den Schulen, gegen Ende der Grundschulzeit.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass es aber durchaus Fälle gibt, in dem die Fahrerlaubnisbehörde es jemandem untersagen darf, mit dem Fahrrad - beziehungsweise sogenannten fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen - am Straßenverkehr teilzunehmen. Ein Beispiel wäre die Trunkenheitsfahrt auf dem Fahrrad mit mehr als 1,6 Promille. In solchen Fällen muss derjenige eine MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) positiv absolvieren, um wieder oder weiter Fahrrad fahren zu dürfen.

"Ich beobachte es häufig, vor allem auf der Landstraße: Selbsternannte Radrennfahrer fahren auf der Straße - oft sogar im Pulk zu dritt oder viert nebeneinander - obwohl ein gut ausgebauter Fahrradweg zur Verfügung steht. Dürfen sie das? Was kann man dagegen tun? Anzeigen geht nicht, da Fahrräder keine Kennzeichen haben."

Tatsächlich besteht für Radfahrer nur die Pflicht, Radwege zu benutzen, wenn dies durch das Zeichen Nummer 237 (oder die Zeichen 240 und 241 zur gemeinsamen Nutzung des Fußgänger- und Fahrradwegs) angeordnet wird - vergleiche § 2 Absatz 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Dort ist auch geregelt, dass Radfahrer nur nebeneinander fahren dürfen, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird.

  • Info: Auf der Seite Radfahren.de finden Sie die genannten Schilder im Detail aufgeführt.

In sogenannten "geschlossenen Verbänden" von mehr als 15 Radfahrern dürfen die Radler aber immer zu zweit nebeneinander fahren, vgl. § 27 StVO.

Angezeigt werden kann natürlich jeder Verstoß im Straßenverkehr. Ob die Anzeige jedoch Erfolg hat, hängt auch von der Beweislage ab. Wenn Ihnen ein Verstoß auffällt, den Sie zur Anzeige bringen möchten, rufen Sie im Zweifel die 110 an und klären die mögliche Vorgehensweise ab.

Rettungsgasse richtig bildem
© 1&1 Mail & Media

Abstand beim Überholen von Fahrrädern: Fragen zur neuen Regel

"Beim Überholen von Fahrrädern sollen jetzt immer 1,5 Meter Abstand gehalten werden. Gilt das auch für Gegenverkehr? Mir fällt auf: Wenn auf der Gegenseite Autos parken, ist der Abstand zwischen Auto und Fahrrad oft gefährlich klein."

Zum Abstand im sogenannten "Begegnungsverkehr" ist auch in der neuen StVO nichts geregelt. Es gilt demnach schlichtweg das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (also § 1 Abs.2 StVO).

"Um den Abstand zu Fahrräder zu wahren, gerät man nun häufig auf die Gegenfahrbahn. Ist das nicht gefährlich? Wozu wurde diese Regel eingeführt?"

Die Vorschrift wurde schlichtweg zur Stärkung der Fahrradfahrer als Verkehrsteilnehmer eingeführt. Fahrradfahrer sind vollwertige Fahrzeuge im Straßenverkehr. Wie bei jedem Überholvorgang muss der Überholende ausschließen, dass es zur Gefährdung des Gegenverkehrs kommt. Ist kein gefahrloses Überholen möglich, darf nicht überholt werden.

ADAC-Umfrage: Die größten Aufreger im Straßenverkehr

Die Liste der Aufreger im Straßenverkehr ist lang. Staus, Auffahren vom Hintermann oder die Ablenkung durch das Smartphone: Eine entspannte Autofahrt kann schnell stressig oder gar gefährlich werden.

"Wenn Fahrräder als ,vollwertige Fahrzeuge im Straßenverkehr' gelten: Warum sind sie nicht versteuert und nicht mit einem Kennzeichen versehen? Radfahrer können auf diese Weise schnell von Unfallorten fliehen, ohne, dass andere Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit hätten, sie zu identifizieren.

Fahrräder sind vollwertige "Fahrzeuge" im Straßenverkehr im Sinne des Paragraphen 2 der StVO. Für Sie gelten grundsätzlich die selben Regeln wie für andere Fahrzeuge.

Sie sind jedoch keine "Kraftfahrzeuge" und unterliegen somit nicht der Kraftfahrzeugsteuer. Dass Fahrräder keine Kennzeichen haben (und auch keine Pflicht-Haftpflichtversicherung) ist eine rein politische Entscheidung.

Bei einer Unfallflucht würde übrigens ein Kennzeichen nicht zwangsläufig weiterführen. Denn bei der Unfallflucht muss der Fahrer eindeutig identifiziert werden, nicht das Fahrrad.

"Zur neuen Regelung beim Überholen habe ich eine Frage, die bis dato nirgends beantwortet wurde: Ist ein Fahrradweg vorhanden, fährt der Radfahrer tendenziell eher in der Mitte des Weges und nicht ganz rechts. Der nun erforderliche Abstand von 1,5 Metern ist dann häufig nicht gegeben. Darf ich ihn als Autofahrer trotz separater Spur tatsächlich auch nicht überholen?

So lautet die Regel nach § 5 Absatz 4 StVO:

  • "Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens zwei Meter. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern."

Es kommt also auf den tatsächlichen Abstand an. Letztendlich ist es hier Aufgabe der Verkehrsplanungsbehörden für solche Begebenheiten zu sorgen, dass alle Verkehrsteilnehmer sich an die Verkehrsregeln halten können und trotzdem der Verkehrsfluss gewahrt wird.

Zudem gilt für alle das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 1 StVO, das leider vielen Verkehrsteilnehmern unbekannt zu sein scheint:

  • "Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird."

"Gilt die neue Regel auch im Umkehrschluss für Radfahrer? Wenn ich gezwungen bin, langsam zu fahren, werde ich immer wieder mit deutlich weniger Abstand von Radfahrern überholt - sowohl links, als auch rechts. Da wird einem angst und bange. Wer ist in einem solchen Fall Schuld, wenn ein Unfall passiert?"

Fahrräder dürfen unter bestimmten Voraussetzungen rechts überholen, § 5 Absatz 8 StVO:

  • "Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen."

Wie oben erwähnt, gilt in solchen Fällen auch eine Ausnahme von den 1,5 Metern Abstand. Für den Radfahrer gelten ansonsten die gleichen Regeln beim Überholen wie für Kraftfahrzeuge. Wenn durch einen unsachgemäßen Überholvorgang ein Unfall verursacht wird, haftet der Radfahrer.

"Das neue Gesetz ist in der Praxis nicht durchführbar. Auf einer Strecke in meiner Nähe - drei Kilometer durchgezogene Line, bergauf, kurvig - sind viele Moped- und Radfahrer unterwegs. Die Fahrbahnbreite beträgt etwa viereinhalb Meter. Man müsste hier für ca. 20 Minuten hinter den Fahrrädern fahren, um sich an die Regel zu halten! Das macht niemand. Ich habe mich an das Verkehrsministerium gewandt, das mich an die zuständige Behörde verwies. Meine zweite Mail dazu blieb unbeantwortet. Was ist Ihre Sichtweise und haben Sie einen Rat?"

Gesetze sollen möglichst viele Fälle regeln, sind aber leider nicht immer und überall gleichermaßen gut anwendbar. Die Verkehrsplanung hinkt hier offensichtlich dem Gesetz hinterher. Wenn Sie durch direkte Anfragen bei den Behörden kein Gehör finden, empfehle ich, es über einen Automobilclub zu versuchen.

Überholen auf der Autobahn

"Ich bin häufig zügiger - aber mit Umsicht - auf der linken Autobahnspur unterwegs. Erahne ich, dass ein anderer Fahrer auf die linke Spur wechseln will, setze ich den Blinker, um darauf aufmerksam zu machen, dass ich mit höherer Geschwindigkeit ankomme. Dies wird nicht immer erkannt oder auch einfach ohne Rücksicht auf den herannahenden Verkehr ignoriert, was mich dazu zwingt, meine Geschwindigkeit enorm zu reduzieren. Falls ich mein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abbremsen kann, wer trägt die Schuld?"

Zunächst einmal möchte ich hier den § 5 Abs.5 StVO erwähnen. Dieser erlaubt ausdrücklich, dass außerhalb geschlossener Ortschaften das Überholen durch Licht-oder Hupzeichen angekündigt wird. Allerdings ist immer darauf zu achten, dass der nötige Sicherheitsabstand gewahrt bleibt, sonst kann man sich als Überholender schnell dem Vorwurf der Nötigung ausgesetzt sehen.

Was das Auffahren auf ein kurz zuvor auf die Spur gewechseltes Fahrzeug betrifft: Ist nachweisbar, dass das Fahrzeug unmittelbar zuvor die Spur gewechselt hat, spricht der sogenannte Anscheinsbeweis für ein Alleinverschulden des Spurwechslers. Fährt der Auffahrende aber schneller als die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h (auf Autobahnen), ist in der Regel von einer Mithaftung auszugehen, jedenfalls dann, wenn bei Einhalten der Richtgeschwindigkeit der Unfall hätte vermieden werden können. Generell gilt: Bei einem Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen ist immer nur dann eine Alleinhaftung des einen gegeben, wenn man davon ausgeht, dass der Unfall für den anderen unvermeidbar war.

Wie bildet man eine Rettungsgasse?

"Immer wieder erlebe ich, dass Autofahrer bei Stau beginnen, eine Rettungsgasse zu bilden – andere sich aber nicht daran halten und über die freigewordene Spur überholen. Ab wann ist die Situation für eine Rettungsgasse gegeben?"

Sobald die Fahrzeuge in Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich im Stillstand befinden, ist außerorts (auf Autobahnen und Außerortstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen pro Fahrtrichtung) eine Rettungsgasse zu bilden.

"Wie sieht diese Rettungsgasse auf einer dreispurigen Autobahn aus, wenn ein Standstreifen vorhanden ist?"

Die Rettungsgasse ist immer zwischen dem äußerst linken Fahrstreifen und dem Streifen rechts daneben zu bilden. Die Fahrzeuge auf der linken Spur müssen also so weit wie möglich nach links fahren.

Grundsätzlich ist der Standstreifen freizuhalten, da er eben nur zum Stehen da ist. Wenn aber ansonsten keine Rettungsgasse gebildet werden kann, darf er notfalls zur Hälfte mitbenutzt werden. Es gibt dazu keine klare gesetzliche Regelung. Man leitet dies vom Sinn und Zweck der Vorschriften ab.

Ist der Standstreifen allerdings explizit freigegeben, gilt er als normaler Fahrstreifen.

Rechtsfahrgebot: Was tun bei einem Verstoß?

"Es ist zunehmend zu beobachten, dass Autofahrer sich nicht an das Rechtsfahrgebot halten, den mittleren Fahrstreifen blockieren und nicht nach rechts ausweichen. Lohnt es sich, in solchen Fällen das Kennzeichen zu notieren? Was droht Fahrern, die das Rechtsfahrgebot missachten?"

Das Rechtsfahrgebot ist neben dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme eines der Grundprinzipien im deutschen Straßenverkehrsrecht.

Bei einem Verstoß drohen 80 EUR Bußgeld und ein Punkt in Flensburg. Bei einem hartnäckigen Blockieren von Spuren kann sich eine Anzeige also durchaus spürbar auswirken.

Abzuraten ist von Versuchen, den Vorausfahrenden durch zu nahes Auffahren zum Freimachen der Spur zu bewegen. Das kann den Straftatbestand der Nötigung erfüllen und zu Geldstrafen führen, die individuell nach Tagessätzen bestimmt werden und bei etwa einem Nettomonatsgehalt liegen. Zusätzlich gibt es meist ein ein- bis dreimonatiges Fahrverbot.

Im "Notfall" über die rote Ampel?

"Zu ihrem Artikel 'Darf ich im Notfall schneller fahren?' habe ich eine Frage: Als meine Mutter 1994 einen Herzinfarkt erlitt, wurde es mir verweigert, im Krankenwagen mitzufahren. Also fuhr ich im eigenen Auto hinterher - und über eine rote Ampel. Ich musste 100 Mark Strafe bezahlen. Die Straßen waren leer. War das rechtens?"

Das Hinterherfahren hinter dem Rettungswagen stellt keinen Fall des Notstands dar, der einen Rotlichtverstoß rechtfertigen und damit straffrei machen würde.

Die Gesundheit des Patienten hängt schlichtweg nicht davon ab, dass etwa ein hinterherfahrender Angehöriger gleichzeitig mit dem Patienten im Krankenhaus ankommt. Die Gefahr für den Straßenverkehr, die ein solcher Rotlichtverstoß mit sich bringt, ist nicht hinnehmbar.

Darf ich Radio und Navi beim Fahren bedienen?

"Ohne Freisprechanlage zu telefonieren, während man fährt, ist natürlich verboten. Aber wie sieht es mit der Bedienung anderer Geräte aus: Radio, Navi und sonstige Screens? Kann so etwas überhaupt überprüft und geahndet werden?"

Was viele nicht wissen: Auch die Bedienung anderer Geräte als Smartphones ist mittlerweile nur sehr eingeschränkt erlaubt. §23 Abs.1a StVO besagt zusammengefasst:

  • Jegliche elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind, dürfen nur benutzt werden, wenn sie dafür nicht in die Hand genommen werden müssen. Zudem müssen sie über eine Sprachsteuerung oder Vorlesefunktion nutzbar sein - oder es muss lediglich ein kurzer Blick erfolgen, der den Fahrer nicht vom Verkehrsgeschehen ablenkt.

In der Praxis wird meist darauf abgestellt, ob Tippbewegungen erkennbar sind. So ist etwa das Schreiben einer Kurznachricht, während das Handy in der Halterung ist, nicht erlaubt. Letztendlich soll jegliche Ablenkung durch elektronische Geräte vermieden werden. Wer dagegen verstößt, muss im Regelfall mit 100 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen.

(af)

Zur Person: Albert Cermak ist Fachanwalt für Verkehrs- und Arbeitsrecht in München.
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