Deinfluencing ist einer der neuesten Trends auf sozialen Plattformen wie Instagram oder TikTok. Was genau dahintersteckt - und welche Kritik es am Deinfluencing gibt.
Valeria Fride schaut in die Kamera, hält einen Lippenstift hoch und lässt sich dann lang und breit darüber aus, wie klebrig und teuer dieser ist. Und dass er kaum Farbe auf die Lippen bringt. "Der hat mir echt nichts gebracht", schimpft sie. Die 23-Jährige folgt dem neuesten Trend im Videodienst TikTok: Deinfluencing.
Bisher machten die sogenannten Influencer Geld mit ihrer Bekanntheit, indem sie ihrer Follower-Gemeinde Produkte wie Wimperntusche, Tee, Sportschuhe oder Videospiele schmackhaft machten und dafür von Firmen bezahlt wurden. Beim Deinfluencing geht es um das Gegenteil: Seit Januar kursieren auf TikTok zahlreiche Videos, die von überteuerter Seife abraten oder von teuren Profi-Hanteln für Anfänger.
Social Media – nur in "ehrlich"?
Mancher ordnet dieses negative Beeinflussen als Antwort auf die galoppierende Inflation ein, bis hin zu einer neuen Form des Konsumverzichts: Kaufe nichts, was dein Geld nicht wert ist. "Brauchst du wirklich 25 verschiedene Parfüms?", fragt da jemand in einem Video.
Fride findet, sie biete eine "ehrliche Version dessen, was sich sonst so in sozialen Medien abspielt". Anfangs habe sie "echt Angst" gehabt, wie Firmen auf ihre neuen Videos reagieren würden. Doch schon bald ergaben sich neue Partnerschaften: mit Unternehmen, die mit den Firmen konkurrieren, die sie zuvor niedergemacht hatte. Für Fride ist das ein Zeichen, dass Firmen "differenziertere Rezensionen wollen".
Auch Jessica Clifton war zunächst begeistert von dem neuen Trend. Die Influencerin aus den USA war sich nach eigenen Angaben vor einigen Jahren ihrer Konsumfixierung und der Folgen für die Umwelt bewusst geworden: Fast jeden Tag kaufte sie sich neue Kleidung, Schminke, Lippenstifte, die sie kaum brauchte. Sie zog die Konsequenzen und schuf ein neues TikTok-Konto mit Schwerpunkt auf verantwortungsbewusstem Konsum.
Deinfluencing: Auf Freude folgt Ernüchterung
Als der neue Trend aufkam, versah auch Clifton ihre Inhalte mit dem Hashtag #deinfluencing, doch die Ernüchterung folgte bald: Deinfluencer würden in der Regel nicht für weniger Konsum eintreten, es gehe lediglich um bestimmte Produkte, kritisiert die 26-Jährige. Und viele Leute suchten auf diese Weise einfach neue Anhänger.
Deinfluencing stelle keineswegs eine Abkehr von der Konsumgesellschaft dar, sagt auch Lia Haberman von der Universität Kalifornien Los Angeles (UCLA). "So ist der Trend nicht entstanden." Anfangs sei es vielmehr um sachliche Besprechungen negativer Kundenrezensionen gegangen.
"Ein Deinfluencer ist immer noch ein Influencer", sagt Americus Reed von der Universität Pennsylvania. Ein Problem der Influencer sei aber mittlerweile, dass jeder wisse, dass sie Geld bekommen, und sie daher nicht mehr als authentisch wahrgenommen würden. Deinfluencer hingegen würden als ehrlicher angesehen. "So können sie sich von der Masse abheben", sagt Reed. Zumindest noch. (dpa/kr/pe/tar)
© AFP
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