Preiswerter als ein Kino-Ticket für einen Bollywood-Film: In Indien gibt es nun ein Smartphone für drei Euro. Aber wollen die Menschen in dem Schwellenland immer das Günstigste? Es wäre nicht der erste Flop eines indischen Billig-Produkts.
Der Smartphone-Markt in Indien boomt wie kein zweiter auf der Welt, und dafür verantwortlich sind Menschen wie der Schuhputzer Amli.
Der 18-Jährige hockt in der Hauptstadt Neu Delhi jeden Tag vor dem Restaurant Saravana Bhavan. Er rubbelt die Schuhe der Wartenden, bis sich die herabbrennende Sonne darin spiegelt. Steht kein Kunde vor ihm, flitzen seine Finger, schwarz von der Schuhcreme, über das Display seines Android-Smartphones.
"Ich nutze Spiele, schaue auf dem Telefon HD-Filme und höre Lieder aus meiner Heimat Rajasthan, gegen das Heimweh", erzählt Amli. Die Songs bekommt er bei Läden um die Ecke. Daten-Pakete fürs Internet holt er sich nur manchmal. "Das kostet richtig Geld", meint er. 100 bis 130 Euro verdient er im Monat.
Ein digitales Indien
Oft überlässt Amli das Smartphone den anderen Schuhputzern für eine Weile, denn nicht alle haben einen solchen Mini-Computer. Genau dies würde die indische Regierung aber gerne ändern. "Ich träume von einem digitalen Indien", verkündete Premierminister Narendra Modi vor ein paar Monaten. Er wolle alle 1,3 Milliarden Bewohner seines aufstrebenden Schwellenlandes miteinander vernetzen, damit sie Zugang zu Informationen erhalten und bessere Geschäfte machen können.
Nun gibt es dank der Regierung in Neu Delhi das günstigste Smartphone Indiens, ja vielleicht sogar der Welt. Mit Hilfe einer staatlichen Geldspritze kann die indische Firma Ringing Bells ein Smartphone für umgerechnet 3,28 Euro anbieten.
"Ein historischer Moment in der Mobilfunkwelt", wirbt die erst 2015 gegründete und kaum bekannte Firma in ganzseitigen Zeitungsanzeigen. Zur Vorstellung am Dienstag kam sogar ein Minister. Analysten schätzen, die Herstellungskosten des Gerätes liegen bei etwa 20 Euro.
Noch ist aber nicht ausgemacht, dass das Gerät namens "Freedom 251" (wegen des Preises von 251 Rupien) ein Erfolg wird. Vielleicht steht dem Smartphone sogar ausgerechnet das Billig-Etikett im Weg.
Billig kommt nicht immer gut an
Als 2009 mit dem Tata Nano das günstigste Auto der Welt auf den Markt gebracht wurde, glaubten viele, bald würden in indischen Städte nur noch Nanos zu sehen sein. Doch es kam anders: Das Miniauto floppte, weil die aufstrebende Mittelschicht zwar billige Autos fahren will, aber nicht billig aussehen möchte.
Auch das von der indischen Regierung mitfinanzierte, nicht einmal 30 Euro teure Tablet "Aakash" fand unter der studentischen Zielgruppe nie viele Anhänger. Zahlreiche Geräte ließen sich erst gar nicht anschalten, andere überhitzten schnell, blieben immer wieder hängen oder stürzten ab.
"Beim Aakash war die Qualität nicht gerade gut - und heute hören wir vom ihm gar nichts mehr", sagt Anil Chopra von der indischen Computerzeitschrift "PC Quest". Ob das neue "Freedom 251" also nun den Markt aufmische, bleibe abzuwarten.
Rund 220 Millionen Smartphones würden in Indien derzeit benutzt, das ist der zweitgrößte Smartphone-Markt der Welt, analysieren die Marktforscher von Counterpoint Research. Das heißt aber auch: Mehr als eine Milliarde Inder haben noch kein Smartphone.
"Die Erstnutzer werden das "Freedom 251" testen, und wenn es ihnen nicht gefällt, werden sie zu ihren einfachen Mobiltelefonen zurückkehren", sagt Tarun Pathak von Counterpoint. Extrem wichtig sei für Bauern und Handwerker zum Beispiel, dass die Batterie zehn Stunden durchhalte.
Auch Schuhputzer Amli ist skeptisch, ob das billige Gerät etwas taugt. "Wir holen uns das nicht gleich. Nur wenn wir bei Freunden sehen, dass es gut funktioniert, werden wir es kaufen", sagt er. Sein Kollege Amit gibt zu bedenken: "Wir wollen mit dem Smartphone ja auch prahlen. Deswegen brauchen wir die neueste Technologie." © dpa
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