Hannover (dpa/tmn) - Wie von Geisterhand ist der Chat verschwunden: Verlässt ein Nutzer bei Snapchat die Unterhaltung mit einem seiner Kontakte, sieht er bei der Rückkehr in den Chat vor sich nur einen leeren Bildschirm. Diese Flüchtigkeit von Infos ist Hauptmerkmal der Social-Media-App Snapchat.
"Snapchat bedient das Bedürfnis des digitalen Radiergummis", sagt Nina Wicke, die an der TU Braunschweig Online-Kommunikation erforscht. Das äußert sich so: Videos oder Bilder aus Chats mit Bekannten werden einmal angezeigt und können danach noch einmal wiederholt werden. Dann sind sie weg.
Allerdings können Nutzer gesandte Aufnahmen speichern - etwa mit Screenshots. Zwar bekommen Nutzer das angezeigt, doch das Bild ist damit auf einem anderen Gerät und nicht mehr auszuradieren. Mit anderen Nutzern ausgetauschte Textnachrichten verschwinden, wenn man den Chat verlässt. Das kann recht nervig sein, erklärt Jessy Kösterke vom Digital-Magazin "t3n". Texte aber lassen sich im Chat speichern. Das geht mit einem längeren Druck auf die jeweilige Nachricht - auch so lässt sich die Flüchtigkeit umgehen.
Bilder und Videos werden bei Snapchat "Snaps" genannt. Diese Snaps können auch in der "Story" geteilt werden, die ein bisschen mit der Timeline von Facebook vergleichbar ist. Nutzer können hier Snaps aneinander reihen und Geschichten erzählen - für 24 Stunden. Dann verschwinden die Filmchen wieder. Ein eigenes Profil zum Durchsuchen, wie etwa bei Facebook oder Instagram, haben Snapchatter nicht. "Auch Hashtags und Markierungen fehlen", sagt Kösterke.
Dennoch sollte man seine Privatsphäre-Einstellungen mit Bedacht wählen. Wer nicht will, dass einem etwa wildfremde Leute Bilder schicken, sollte in den Einstellungen auswählen, dass nur Freunde Kontakt aufnehmen können. Auch die Sichtbarkeit seiner in der Story geteilten Inhalte schränkt man lieber auf die Freunde ein.
Snapchat soll inzwischen rund 150 Millionen Nutzer haben. Damit hat die im Herbst 2011 veröffentliche App schon mehr Nutzer als Twitter. Vor allem junge Leute snappen. "Das liegt an ihrem Spaßfaktor, die unter anderem die Bildgestaltung bietet", glaubt Kösterke. Der ständige Austausch des eigenen Lebens sei bei jungen Leuten Standard, sagt sie. Und Snapchat sei dafür die ideale Plattform.
Die App macht es Jugendlichen möglich, Freunde an ihrer Alltagswelt teilhaben zu lassen, sagt Forscherin Nina Wicke. "Auch an den ungeschönten Momenten." Dass Snapchat sich gerade unter jungen Menschen verbreitet, erklärt sie sich so: Jugendliche orientieren sich in ihrem Handeln sehr an ihrem Freundeskreis. Wenn viele ihrer Freunde einen Dienst nutzen, wollen sie eben auch daran teilhaben.
Gerade die Innovationen der App wie etwa die flüchtige Story, die maximal zehnsekündigen Videos und die Filter sind interessant. Zum Beispiel die Funktion "Lenses": Diese Filter lassen aus einem Mund etwa einen Regenbogen fließen oder verwandeln das Gesicht in eine Honigbiene. Snapchat tauscht diese Filter regelmäßig und kreiert neue Varianten, damit die Funktion interessant bleibt. Das ist manchmal skurril, aber eigentlich immer lustig. Allerdings braucht man für die Gesichtsfilter mindestens Android 4.3 oder ein iPhone 4S.
Snapchat ist alles in einem: Foto- und Video-App, Messenger und digitales Netzwerk. Zwischen den Anwendungen wischt man hin und her. Das kann im ersten Moment ziemlich überfordernd sein, erklärt Kösterke. "Man muss der App sicher erstmal eine Chance und etwas Zeit geben." Ein wirkliches Menü gibt es nämlich nicht. Lange war Snapchat ein unmittelbares Medium: Fotos oder Videos konnten nur direkt geteilt werden. "Die Inhalte waren damit nie so clean wie bei Instagram, sondern direkter und persönlicher", sagt Kösterke. Soll heißen: Anfangs war Snapchat besonders zum Austausch eher freizügiger Fotos beliebt. Inzwischen können mit der Funktion "Memories" Bilder und Videos gespeichert, bearbeitet und geteilt werden. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.