Guido Westerwelle ist an Folgen einer Blutkrebserkrankung gestorben. Seine Form des Blutkrebses gilt als besonders tückisch. Im Interview berichtet Klaus Ludwiczak von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei über die Tücken der AML - einer speziellen Form von Blutkrebs, an der Westerwelle im Jahr 2014 erkrankte.

Ein Interview

Herr Ludwiczak, was macht die Akute Myeloische Leukämie konkret so gefährlich?
Klaus Ludwiczak: Bei der AML ist der Transplantationsbedarf natürlich sehr hoch, weil es sich um eine sehr aggressive Form der Leukämie handelt und es ist gleichzeitig die häufigste akute Form bei Erwachsenen.

Mehr zum Thema Gesundheit

Guido Westerwelle ist aktuell gerade einmal 53 Jahre alt. Ist das nicht ungewöhnlich jung für eine derartige Erkrankung?
Nein. So kann man das generell nicht festmachen. Man weiß lediglich, dass Kinder an der AML nur zu 20 Prozent erkranken. Anders sieht das beispielsweise bei der Akuten Lymphatischen Leukämie aus, welche die häufigste Form im Kindesalter ist.

Welche Anzeichen können auf eine AML-Erkrankung hindeuten?
Das Fatale an Leukämien ist, dass man oft überhaupt keine Anzeichen hat und dass diese im Grunde völlig ohne Beschwerden auftreten kann. Zumeist wird diese Erkrankung eigentlich bei Routineuntersuchungen diagnostiziert – so wie es auch bei Guido Westerwelle der Fall war.

Einige Fälle gibt es dennoch, bei welchen Patienten im Vorfeld der Krankheit über häufige blaue Flecken klagten und nicht wussten, woher sie diese hatten.

Das sind dann doch gewisse Anzeichen, die man beim Arzt in jedem Fall überprüfen lassen sollte.

Wie sieht der typische Therapieverlauf aus?
Nach der Diagnose einer Leukämie wird vom behandelnden Arzt zunächst versucht, die Erkrankung medikamentös in den Griff zu bekommen.

Sollte das nicht zum Erfolg führen, ist eine Stammzellentherapie tatsächlich die letzte Chance auf Heilung.

Wie stehen die Überlebenschancen im Falle einer Erkrankung?
Heutzutage haben nahezu 90 Prozent aller Leukämie-Patienten, die eine Stammzellen-Transplantation erhalten, auch eine Überlebenschance.

Kann man auch bei der AML die Heilungschancen benennen?
Wir reden da eher von einer Überlebenschance. Von einer Heilungschance sprechen wir in dem Sinne eigentlich nicht, weil die Patienten – wie bei allen Krebserkrankungen – erst nach ein paar Jahren als endgültig geheilt gelten.

Bei der AML lässt sich eine Chance auf das Überleben nicht explizit festmachen. Das bewegt sich in demselben Rahmen wie bei anderen Erkrankungen des blutbildenden Systems.

Generell gilt es auch zu bedenken, dass insgesamt über 11.000 Menschen in Deutschland jährlich an den verschiedenen Formen der Leukämie erkranken. Im Endeffekt verstirbt auch circa die Hälfte davon schon bevor die Suche nach einem Stammzellenspender eingeleitet werden kann. Von dieser Marke muss man leider ausgehen.
Gilt Guido Westerwelle schon als geheilt?
Nein. Natürlich bin ich nicht der behandelnde Arzt, aber davon kann man nach nur einem Jahr definitiv noch nicht sprechen und das hat auch er selbst im Interview bei Günther Jauch explizit so eingeschätzt. Er sprach ja auch immer davon, dass er die Chance auf ein neues Leben erhalten hat.

Gibt es generell eine Marke, ab welcher man endgültig als geheilt gilt?
Ich sage jetzt einfach mal je länger sie keinen Rückfall erleiden, umso größer ist natürlich die Chance auch von einer endgültigen Heilung auszugehen.

Der Zeitraum liegt im Allgemeinen circa zwischen drei und fünf Jahren. Landläufig spricht man auch bei den meisten anderen Krebserkrankungen davon, dass der Patient tatsächlich nach fünf Jahren ohne Rezidive (Rückfälle, Anm. d. Red.) als geheilt gilt.

Auch Herr Westerwelle wird also noch einiges an Zeit benötigen?
Ja. Das ist leider definitiv so. Ich will in diesem Sinne allerdings auch generell darauf hinweisen, dass sich mehr Menschen unbedingt als Stammzellenspender registrieren lassen sollten.

Nur so kann auch eine größere Wahrscheinlichkeit hergestellt werden, dass einem Leukämie-Patienten tatsächlich geholfen werden kann.

Klaus Ludwiczak arbeitet für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei und ist Experte für Erkrankungen des blutbildenden Systems.

Für mehr Informationen – auch zur Möglichkeit Stammzellenspender zu werden – besuchen Sie die Webseite der Deutschen Knochenmarkspenderdatei.


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.