Guido Westerwelle ist in der Öffentlichkeit zurück. Nach seiner Leukämie-Diagnose war der ehemalige FDP-Politiker Sonntagabend Gast im ARD-Talk "Günther Jauch". Es war ein gleichermaßen lehrreiches wie emotionales Gespräch, das den ehemaligen Außenminister in bisher unbekannter Demut zeigte.
Guido Westerwelle war und ist eines der bekanntesten Gesichter der FDP. Einer, der gerne einmal verbal vorpreschte.
In Erinnerung geblieben sind Sprüche wie "Ihr kauft mir den Schneid nicht ab" und seine 18-Prozent-Schuhe. Sein Ehrgeiz trieb ihn an die Spitze seiner Partei und des Auswärtigen Amtes.
Im Juni 2014 wurde bekannt, dass Westerwelle an Leukämie erkrankt ist. Nach der Diagnose begann er eine Chemotherapie, eine Knochenmarktransplantation folgte.
Vor wenigen Tagen veröffentlichte Westerwelle zusammen mit dem ehemaligen Chefredakteur des "Stern", Dominik Wichmann, das Buch, "Zwischen zwei Leben", in der er die Zeit nach der Diagnose beschreibt.
Wer war noch zu Gast bei "Günther Jauch"?
Eva Fidler: Die Stuttgarterin, Jahrgang 1990, studierte Musikmanagement. Anfang 2014 wurde sie schwanger, wenige Monate später erhielt sie die Diagnose Krebs.
Nach einer Chemotherapie bekam sie ihr Kind per Kaiserschnitt. Doch der Krebs kam zurück, Fidler musste sich erneut mit einer Chemotherapie behandeln lassen.
Im Mai 2015 bekam sie dann eine Stammzellenspende. Für Fidler war der Gedanke, dass ihr Kind ohne Mutter aufwachsen müsse, Antrieb für ihren Kampf gegen den Krebs, genauso wie der Wunsch, zu sehen, was aus ihrem Kind werden würde.
Michael Hallek: Der Onkologe und Internist aus Köln war der behandelnde Arzt von Guido Westerwelle. Er ist Direktor des onkologischen Spitzenzentrums der Unikliniken Köln und Bonn und Experte für Leukämie.
Wie war Guido Westerwelles Zeit nach der Diagnose?
Die Diagnose habe ihn wie "ein Blitzschlag" getroffen, sagt Westerwelle. Er sollte wegen einer kleinen Sportverletzung operiert werden, nach dem Blutbild, das für die OP gemacht werden sollte, bekam er dann aber die Diagnose Krebs.
Westerwelle habe sich gut gefühlt und viele Pläne gehabt. Er habe auch immer gedacht, dass ihm das nicht passieren könne, aber "Krebs macht alle Menschen gleich".
Seine Krankheitszeit sei mit Todesängsten verbunden gewesen: "Man bleibt derselbe, aber man lernt dazu. Wenn sie da liegen und fürchten, dass sie sterben, dann denkt man, welche Lebenslehren man zieht."
Aber gleichzeitig habe er sehr viel tröstenden und Mut machenden Zuspruch erfahren. Sein Buch habe er eigentlich als Tagebuch angefangen, weil man das, was man aufschreibt, besser verarbeite.
Das Buch sei außerdem als Dank für den Zuspruch zu verstehen: "Mir ist so viel Mut zugesprochen worden, das gibt Lebenskraft. Diesen Zuspruch möchte ich zurückgeben. Das ist zu schaffen. Es gibt keine Garantie, aber man darf nie aufgeben", erklärte Westerwelle.
Wie geht es Guido Westerwelle heute?
Mal besser, mal schlechter, seine Genesung verlaufe in Wellenbewegungen. Die Transplantation, erzählt Westerwelle, sei inzwischen ein Jahr her und "wenn ich an die Ängste von vor einem Jahr denke, können Sie sich vorstellen, dass es mir sehr gut geht. Es ist ein schönes Gefühl, wieder mit Menschen zusammen zu sein."
Wie hat sich Guido Westerwelle verändert?
"Ich habe Deutschland aus Kriegen heraus gehalten". Es war dieser kleine Satz von Westerwelle, der zeigt, wie sehr sich der ehemalige Außenminister verändert hat.
Wäre dieser Satz an gleicher Stelle vor etwa vier Jahren gefallen, hätte Westerwelle damit nur seine Entscheidung gegen einen deutschen Militäreinsatz in Libyen gerechtfertigt.
Heute aber will er damit etwas ganz Anderes sagen. Früher kannte man ihn als den Lautsprecher der FDP, der auch mal verbal über die Strenge schlug.
Doch die Zeiten der 18-Prozent-Schuhe und des Guido-Mobils sind vorbei und nicht mehr von Belang. Wo in der Politik gehobelt wird, da fallen eben Späne, aber was zählt, seien seine wichtigen Entscheidungen als Außenminister - wie eben jene in der Libyen-Frage.
Westerwelles Botschaft: Regt euch nicht über Kleinigkeiten auf, es gibt Wichtigeres!
Welche Botschaft hatte Guido Westerwelle noch?
Neben der klaren Aussage an alle, man solle sich Gedanken darüber machen, was wirklich wichtig im Leben sei, rief Westerwelle alle Zuschauer auf, sich als möglicher Stammzellenspender registrieren zu lassen.
Welchen Eindruck machte Guido Westerwelle?
Vor allem einen ehrlichen. Damit sei ihm keineswegs Unehrlichkeit in der Vergangenheit unterstellt, aber gewöhnlich haben Auftritte von Politikern in Talkshows immer den Beigeschmack des Wählerfangs. Davon war man am Sonntagabend weit entfernt.
Da war ein Guido Westerwelle zu sehen, der sich zwar nicht seelisch vollkommen entblößte, aber so offen war nie zuvor. Westerwelle machte einen demütigen und sehr menschlichen Eindruck.
Welchen Pläne hat Guido Westerwelle für die Zukunft?
Natürlich musste
Was hat man sonst noch über Krebs erfahren?
Die Person Westerwelle dominierte natürlich thematisch die Runde, aber es war ebenso spannend, was Professor Hallek und Eva Fidler zu erzählen hatten.
Hallek verschaffte interessante Einblicke in die Krebs-Therapie oder in den Umgang mit Krebs-Patienten. So spiele, egal bei welcher Krebsart, die Frage nach der Schuld überhaupt keine Rolle. Wenn beispielsweise ein Raucher an Lungenkrebs erkrankt, dann gehe es nur um die Therapie. Die Frage nach der eigenen Schuld bringe den Patienten nicht weiter.
In Bezug auf die persönliche Veränderung, die ein Mensch durch eine solche Krankheit durchlebt, brachte Hallek eine interessante Perspektive ein, denn eigentlich bleibe der Mensch der gleiche, aber: "Oft erlebt man es, dass der Mensch sich wieder seiner wahren Größe bewusst wird. Man ändert sich nicht, sondern der wahre Kern kommt zum Tragen, der Ballast der Oberflächlichkeit fällt weg. Dann kommt die Schönheit im Menschen wieder hervor."
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