Viele Menschen, die kürzlich Symptome hatten, die auch auf eine COVID-19-Erkrankung schließen lassen, stellen sich die Frage, ob es das Coronavirus gewesen sein könnte. Aufschluss darüber können Antikörper-Labortests geben. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Anbieter, die Tests für zu Hause verkaufen. Wie stehen Experten dazu?

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Eine Infektion mit SARS-CoV-2 konnte bisher nur im aktiven Krankheitszustand durch einen sogenannten PCR-Test verlässlich nachgewiesen werden. Dazu wird ein Rachen- oder Nasenabstrich durchgeführt oder eine Probe aus den tiefen Atemwegen genommen, zum Beispiel Hustensekret.

Im Labor sucht man in dem Probenmaterial gezielt nach dem Erbgut des Virus. Ein positives Ergebnis weist die Infektion nach.

Ist die Infektion vorbei, findet sich das genetische Material des Virus auch nicht mehr im Rachenabstrich. Ob man in der Vergangenheit infiziert war und mittlerweile möglicherweise immun gegen das Virus ist, kann folglich mit einem PCR-Test nicht nachgewiesen werden.

Antikörper-Tests geben Hinweise auf überstandene Erkrankung

Serologische Tests (ELISA) dagegen weisen mögliche Antikörper im Blut von Probanden nach, die das Immunsystem gegen das Virus in Stellung gebracht hat. Die Tests erfassen nicht das Virus selbst, sondern die Reaktion des Immunsystems auf den Erreger.

Letzteres beginnt zu arbeiten, wenn das Virus in den Körper eindringt, und bildet nach ein paar Tagen Antikörper. Diese sind im Blut gut nachweisbar und können ein Hinweis auf eine überstandene Erkrankung sein.

Antikörper-Testsysteme sind nur für den Gebrauch durch Fachpersonal vorgesehen. Dazu muss der Proband eine kleine Blutprobe abgeben, die dann im Labor getestet wird.

Das Testprinzip basiert auf der Erkennung von IgM- und IgG-Antikörpern, die gegen das SARS-CoV-2-Virus gerichtet sind. IgM-Antikörper werden in der Frühphase einer Infektion gebildet; im späteren Verlauf erfolgt ein Klassenwechsel zu IgG-Antikörpern.

Frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn sind Antikörper nachweisbar, in der Regel sogar erst nach 14 Tagen, denn der menschliche Körper braucht Zeit, um auf die Infektion zu "antworten". Je länger der Beginn der Infektion zurückliegt, desto mehr Antikörper sind vorhanden und desto aussagekräftiger ist somit ein Test.

Welchen Nutzen haben Antikörper-Tests?

Breit angelegte Tests auf spezifische Antikörper könnten sinnvoll sein, um abzuschätzen, wie viele Menschen unerkannt eine Infektion durchgemacht haben, an welchem Punkt der Pandemie wir uns befinden und wann möglicherweise eine gewisse Herdenimmunität erreicht werden kann.

Auch kann der Test künftig helfen, Menschen die sicher an COVID-19 erkrankt waren oder auch solche, die eine der neu entwickelten Impfungen bekommen haben, auf ihre Immunität hin zu überprüfen. Eine Neuinfektion sowie die Ansteckung anderer wäre dann vorerst unterbunden. Vor allem für medizinisches Personal und Pflegepersonal wäre dieses Wissen durchaus hilfreich.

Zwar gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO bisher keine Beweise dafür, dass Menschen, die Antikörper gebildet haben, vor einer zweiten Infektion geschützt sind. Experten gehen aber davon aus, dass es zumindest für eine gewisse Zeit eine Immunität gibt.

Antikörper-Selbsttests aus dem Internet: Schnelle Sicherheit für wenig Geld?

Apotheken ist es laut Medizinprodukte-Abgabeverordnung untersagt, SARS-CoV-2-Antikörpertests für den Privatgebrauch abzugeben. Mittlerweile bieten jedoch einige Hersteller im Internet günstige Corona-Antikörper-Schnelltests für zu Hause an.

Anhand der Selbsttests soll man feststellen können, ob man am Virus erkrankt ist oder nicht - und ob man bereits Antikörper gebildet hat. Dazu wird nur ein Tropfen Blut untersucht. Der Test kann überall durchgeführt werden und das Ergebnis wird, ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest, bereits nach wenigen Minuten anhand von Farbstreifen abgelesen.

Schnelle Sicherheit für wenig Geld: Das klingt für viele erst einmal gut. Experten des Bundesgesundheitsministerium sowie auch der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) weisen jedoch darauf hin, dass ein Selbsttest bislang noch nicht zuverlässig möglich sei und warnen, dass diese Selbsttests auf Antikörper leicht zu Fehlinterpretationen führen können.

"Ein Antikörper-Schnelltest kann einen laboranalytischen Test nicht ersetzen und ist nur bedingt geeignet, eine Infektion zu erkennen", sagt beispielsweise Martin Schulz, Vorsitzender der AMK.

Der Körper bilde spezifische SARS-CoV-2-Antikörper in der Regel erst nach etwa 14 Tagen. Deshalb könne bei einem negativ ausgefallenen Antikörpertest auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Testperson nicht doch infektiös sei.

"Eine Gefahr ist, dass sich Menschen bei einem negativen Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen und die Hygienemaßnahmen wie zum Beispiel häufiges Händewaschen oder das Abstandhalten vernachlässigen. Das wäre fatal", sagt Schulz. Genau in der Phase, in der eine Person möglicherweise hoch infektiös ist, fällt der Antikörpertest nämlich meist noch negativ aus.

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Kreuzreaktionen können falsche Positiv-Ergebnisse liefern

Zudem sehen Experten die Gefahr, dass sich falsch-positive Ergebnisse bei diesen Antikörpertests nicht mit Sicherheit ausschließen lassen, da sogenannte Kreuzreaktionen auftreten können: Es werden Antikörper nachgewiesen, die sich nicht auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2, sondern ein bereits bekanntes Coronavirus beziehen.

"Nahezu alle Antikörpertests könnten falsch-positive Signale liefern, wenn der Patient kürzlich mit einem Erkältungs-Coronavirus infiziert war", mahnte etwa der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité in seinem NDR-Podcast.

Laut Drosten werden fünf bis fünfzehn Prozent aller Erkältungskrankheiten durch ein Coronaviren ausgelöst. Es bestünde also die Gefahr, dass Getestete sich und andere in falsche Sicherheit wiegten: Sie hätten zwar Antikörper, aber für ein anderes Coronavirus.

Nicht zertifizierte Tests und Fälschungen am Markt

Vor einem weiteren Problem warnt das Paul-Ehrlich-Institut: Die Hersteller solcher Tests können diese laut geltenden EU-Vorschriften gegenwärtig noch selbst zertifizieren und auf eine unabhängige Überprüfung verzichten, bevor sie auf den Markt gebracht werden. Die Validierung der Tests sei daher nicht gesichert und "nachweislich gibt es hier auch Fälschungen", heißt es von dem Bundesinstitut.

Laut Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" stammt ein Großteil der in Europa verkauften Schnelltests aus China. Über Onlineshops oder den Großhandel werden diese Tests oftmals unter eigenem Markennamen weitervertrieben – teilweise ohne Kennzeichnung der Herstellung.

Derzeit ist es also nicht empfehlenswert, Coronavirus-Tests im Internet zu kaufen. Stattdessen sollte man sich an das zuständige Gesundheitsamt oder die Hausärztin wenden, wenn Symptome auftreten.

Ein Arzt wird entscheiden, ob und welches Testverfahren sinnvoll ist. Und es gilt: Alle Tests sollten von Fachleuten durchgeführt werden.

Verwendete Quellen:

  • Stellungnahmen Arzneimittelkommission
  • Paul Ehrlich Institut
  • Robert-Koch-Institut: Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2
  • Pharmazeutische Zeitung
  • Tagesschau
  • NDR-Podcast
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