Erneut kursiert im Netz eine Falschbehauptung zur Corona-Impfung: Angeblich hätten 16 Prozent der zweifach geimpften Frauen Brustkrebs. Das stimmt nicht – die Prozentangaben beziehen sich auf vorübergehend geschwollene Lymphknoten, die bei Männern und Frauen auftreten können.
Mit einem Foto mehrerer Röntgenaufnahmen wird in sozialen Netzwerken vor einer angeblich "typischen Nebenwirkung" der Covid-19-Impfstoffe gewarnt: Die "Auswertung tausender Mammografien" habe gezeigt, dass 11 Prozent der einfach und 16 Prozent der zweifach gegen Corona geimpften Frauen Brustkrebs hätten, heißt es. Die Behauptung kursierte bereits im Februar 2021 und wird seitdem immer wieder verbreitet.
Wie wir bereits in 2021 berichteten, sind die geteilten Röntgenbilder mehrere Jahre alt und zeigen keinen Brustkrebs. Die Prozentangaben aus der Behauptung stammen ursprünglich vom Impfstoffhersteller Moderna und beziehen sich auf Personen, bei denen nach einer Impfung geschwollene Lymphknoten auftraten – laut Fachleuten eine unbedenkliche und vorübergehende Reaktion des Immunsystems auf eine Impfung.
Wir haben für diesen Faktencheck zudem den aktuellen Stand der Forschung recherchiert: Es gibt weiterhin keine Hinweise darauf, dass Brustkrebs eine Nebenwirkung der Corona-Impfung ist.
US-Gesundheitszentrum empfahl, Mammografien in größerem zeitlichen Abstand zur Covid-19-Impfung durchzuführen
Die geteilten Röntgenaufnahmen haben keinen Bezug zu Corona-Impfungen: Wir fanden sie in einem Artikel eines Gesundheitsmagazins aus den USA von 2016. Sie zeigen zwar Röntgenaufnahmen einer Brust, jedoch keinen Brustkrebs.
In einigen Beiträgen im Netz wird dazu behauptet, Ärzte eines regionalen Gesundheitszentrums (Intermountain Healthcare Breast Care Center) hätten die Richtlinien für Mammografien angepasst – Medienberichte von Februar 2021 bestätigen das. Grund dafür war laut dem medizinischen Leiter des Zentrums, Brett Parkinson, dass die Corona-Impfung geschwollene Lymphknoten auslösen könne. Wie Parkinson in einer Pressemitteilung erklärte, sei dies nicht ungewöhnlich, Schwellungen seien eine Reaktion des Immunsystems und könnten auch nach anderen Impfungen vorkommen. Die Schwellung erscheine normalerweise in der Achselhöhle auf der Seite, wo die Impfung erhalten wurde, und klinge nach zwei bis vier Wochen wieder ab.
Geschwollene Lymphknoten kommen auch bei Brustkrebs vor. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, empfahl das Krebszentrum deswegen, eine Mammografie entweder vor oder frühestens vier Wochen nach einer Corona-Impfung zu machen. Auch die US-amerikanische Gesellschaft für Mammografie (SBI) empfahl im März 2021 einen solchen Zeitplan. Dass Brustkrebs eine "typische Nebenwirkung" der Corona-Impfung sei, steht nicht in der Pressemitteilung des Krebszentrums. Man wolle Patientinnen mit diesen Richtlinien "unnötigen Stress und Ängste mit Folgeuntersuchungen" ersparen, wenn diese nicht nötig seien, sagte Parkinson.
Prozentangaben beziehen sich nicht auf Brustkrebs, sondern auf vorübergehend geschwollene Lymphknoten
Parkinson bezieht sich in seiner Pressemitteilung auf Zahlen der US-Gesundheitsbehörde, dem Center for Disease Control and Prevention (CDC), wonach bei mehr als 11 Prozent der gegen Covid-19 Geimpften nach der ersten Dosis und bei 16 Prozent nach der zweiten Dosis geschwollene Lymphknoten auftreten würden. Diese Zahlen werden in den Beiträgen falsch weiterverbreitet.
Die Daten finden sich in einer Tabelle (archiviert) auf der Webseite der CDC. Sie stellt Reaktionen bei Geimpften nach Erhalt des Impfstoffes von Moderna bei Personen zwischen 18 und 64 Jahren rund um die Einstichstelle dar. Die Angaben stammen ursprünglich aus der Phase-3-Studie von Moderna, deren Ergebnisse im Februar 2021 veröffentlicht wurden. Anders als in den Beiträgen behauptet, beziehen sich die Prozentangaben nicht ausschließlich auf Frauen. In der Tabelle heißt es, es handle sich um eine "erwünschte” Reaktion.
Die Richtlinien für Mammografien wurden im Februar 2022 von der US-Gesellschaft für Mammografie überarbeitet: Neuere Studien hätten ergeben, dass die Schwellung nach der Impfung auch länger (bis zu 43 Wochen) anhalten könne. Um Verzögerungen bei der Brustkrebsvorsorge zu vermeiden, sollten Frauen ihre Mammografie deshalb nicht mehr verschieben.
Eine allgemeine Empfehlung, Mammografien zu verschieben, hat es in Deutschland nicht gegeben. Laut dem Krebsinformationsdienst und dem Referenzzentrums Mammografie am Universitätsklinikum Münster sollten Patientinnen ihre Ärztin oder ihren Arzt jedoch über eine kürzliche Impfung informieren, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
Forschungsstand im Januar 2023 unverändert – nach der Impfung kann es zu Lymphknotenschwellung in der Achselhöhle kommen
Wir haben beim Krebsinformationsdienst nachgefragt, ob es neuere Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und Brustkrebs gibt. Die Leiterin Susanne Weg-Remers verneinte dies. Auch allen neueren Untersuchungen zufolge könne es nach einer Covid-19-Impfung zu Lymphknotenschwellungen in der Achselhöhle kommen. Diese bildeten sich jedoch im weiteren Verlauf wieder zurück und seien daher "nicht mit Lymphknotenschwellungen durch eine Brustkrebserkrankung zu verwechseln", so Weg-Remers.
Kathrin Stewen, Oberärztin am Brustzentrum der Universitätsmedizin Mainz, hat für uns gezielt nach Forschungen zum Thema Brustkrebs nach einer Corona-Impfung gesucht. Die allermeisten Artikel, so schrieb sie uns, würden sich mit der "reversiblen und unbedenklichen Lymphknotenschwellung im Achselbereich" befassen. "Anhalt für eine erhöhte Inzidenz von Brustkrebs nach einer Covid 19 Impfung gibt es weiterhin nicht", so Stewen.
Auch im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts – in dem unerwünschte Ereignisse nach Covid-19-Impfungen in Deutschland dokumentiert werden – werden Brustkrebs sowie Krebs allgemein nicht genannt.
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