Im Bundestag läuft die Debatte über Sterbehilfe. Dabei geht es den Abgeordneten - je nach Haltung - um eine Verschärfung oder eine Lockerung des Rechts. Professor Peter Dabrock, stellvertretender Vorsitzende des deutschen Ethikrates, steht hinter dem deutschen Recht und fordert doch in einem Fall eine Anpassung von Vorschriften.
Die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Herbeiführung des Todes, ist in Deutschland bisher verboten. Passive Sterbehilfe und damit die Reduktion oder Unterlassung von lebensverlängernden Maßnahmen ist bei einer direkten Willensäußerung oder einer entsprechenden Patientenverfügung gesetzkonform. Beihilfe zur Selbsttötung ist legal, wenn der Betroffene das Mittel selbst einnimmt.
Wie stehen Sie zur Sterbehilfe?
Peter Dabrock: Die Frage macht das gesamte Dilemma der Debatte deutlich. Ich kann nicht sagen, ob ich pro oder contra Sterbehilfe bin.
Was müsste ich Sie stattdessen fragen?
Dabrock: Ich kann nur sagen, ob ich pro oder contra aktive Sterbehilfe, passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung bin. Ich bin gegen aktive Sterbehilfe, aber für passive und indirekte Sterbehilfe, wo es geboten ist. Außerdem halte ich die Beihilfe zur Selbsttötung nach einer intensiven Gewissensbefragung für eine individuelle Möglichkeit, die aber immer Schuldübernahme bedeutet.
Warum sind Sie gegen aktive Sterbehilfe?
Dabrock: Ich lehne die Tötung auf Verlangen als auch die organisierte Beihilfe zur Selbsttötung ab, weil es mehr Probleme als Lösungen bietet. Aber viele in der Bevölkerung scheinen das trotzdem für eine denkbare Option zu halten.
Welche Probleme entstehen durch die aktive Sterbehilfe?
Dabrock: Diese Form von Sterbehilfe steht für ein Bild von Selbstbestimmung, das nicht sensibel für die Schwächsten in der Gesellschaft ist. Wenn wir also Selbsttötung durch Vereine oder Ärzte ermöglichen, dann würden die Schwächsten in der Gesellschaft, also die Schwerkranken und Einsamen, unter Druck geraten.
Wie könnte dieser Druck - etwa auf Schwerkranke - aussehen?
Dabrock: Das kann man zum Beispiel im US-Bundesstaat Oregon oder in den Niederlanden beobachten, wo aktive Sterbehilfe möglich ist. Dort gibt es Überlegungen, welche Therapien zu welchem Preis angeboten werden. Wenn alleine schon das Gefühl existiert, eine Krankheit zu haben, für die die Therapiekosten nicht mehr übernommen werden, kommen schreckliche Gedanken auf: "Warum soll ich noch da sein? Falle ich der Gesellschaft oder Angehörigen zur Last?" Dieses Szenario sollten wir von Anfang an verhindern.
Kann also auch ein Erwartungsdruck von Angehörigen entstehen?
Dabrock: Ja, es gibt immer eine Wechselbeziehung zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Trends. Wenn also gesellschaftlich eine bestimmte Form des Leidens nicht mehr akzeptabel ist, dann entsteht so ein Druck. Es geht also um eine Frage wie etwa: Warum muss noch jemand drei Monate vermeintlich dahinvegitieren?
Aber natürlich gibt es individuelle, einzelne dramatische Situationen, in denen ein Patient einen Arzt um die Hilfe zur Selbsttötungs-Beihilfe bitten kann. Das darf als individuelle Gewissenstat nicht ausgeschlossen sein.
Auch wenn Sie für das bisherige deutsche Recht sind, fordern Sie in einem Fall eine rechtliche Anpassung. Um was geht es da konkret?
Dabrock: Ich bin für eine Vereinheitlichung des ärztlichen Ständerechts. Die Ärzte dürfen nicht zum Sterbehelfer werden, sondern sollen generell Sterbebegleiter sein. Aber in einer sehr gründlich überlegten Ausnahme, soll der Arzt seinem Gewissen folgen dürfen. Das muss einheitlich für Deutschland geregelt sein. Auch wenn es bisher nicht geschehen ist, so droht doch Medizinern von einigen Landesärztekammern im extremsten Fall der Entzug der Approbation.
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