Im Jahr fünf nach Beginn der Corona-Pandemie ist das Covid-19-Risiko wegen der besseren Immunität in der Bevölkerung deutlich gesunken. Wer braucht heute noch welchen Schutz vor Sars-CoV-2?

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Auch Hajo Zeeb hat es kürzlich wieder erwischt. Im Sommer erkrankte der Epidemiologe vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen an Covid-19. Der Infekt verlief unkompliziert. "Glücklicherweise ist die Ernsthaftigkeit der Erkrankung insgesamt beträchtlich heruntergegangen", sagt Zeeb. Das liege nicht nur an den neuen Virusvarianten: "Der entscheidende Punkt ist die deutlich bessere Immunität in der Bevölkerung."

Personen, die sich auf der Straße, in Supermärkten, Kinos oder im Nahverkehr mit einem Mund-Nase-Schutz zeigen, sieht man kaum noch. "Im Winter werden sicherlich wieder mehr Menschen zur Maske greifen", sagt Zeeb. Der Mund-Nasen-Schutz senkt das Risiko für eine Infektion nicht nur mit Corona-Viren. Er unterstützt auch den Schutz vor anderen Atemwegserregern wie der Influenza.

Dennoch werde es in den kühleren Erkältungsmonaten keine allgemeinen Aufforderungen zum Maskentragen geben, ist sich der Epidemiologe aus Bremen sicher. Die eigene Verantwortung ist gefragt: "Jeder sollte sein persönliches Risiko abschätzen und danach handeln." Eine wichtige Frage, die sich jede und jeder dabei stellen kann, ist diejenige, wie man selbst seine Gesundheit und Immunlage einschätzt: "Gut bis sehr gut? Dann brauchst du dir wegen Corona nur sehr wenig Sorgen zu machen", sagt Zeeb.

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Das heißt nicht, dass ein Mund-Nasen-Schutz unter bestimmten Bedingungen nicht auch für Kerngesunde Sinn machen kann: "Dann etwa, wenn man andere nicht gefährden möchte, also zum Beispiel ein Besuch bei den alten, gebrechlichen Eltern oder Großeltern ansteht", sagt Zeeb. Aber selbst in der älteren Bevölkerung gebe es mittlerweile viel weniger schwere Covid-19-Erkrankungen und Todesfälle. "Auch ältere Menschen haben inzwischen meist eine solide Immunität gegen Sars-CoV-2."

Wer braucht noch Schutz vor Corona?

Das Robert-Koch-Institut (RKI) unterstreicht, dass "ein korrekt getragener Mund-Nasen-Schutz in Phasen mit starker Viruszirkulation in Innenräumen ein zusätzlicher Schutz vor Infektionen sein kann". Personen, die zu einer Risikogruppe zählen, sollten die Maske als Möglichkeit zum Selbstschutz in Betracht ziehen. "Menschen mit akuten Atemwegssymptomen sollten eine Maske zum Fremdschutz tragen", schreibt das RKI. Zusätzlich müsste bei größeren Zusammenkünften auf ein regelmäßiges Lüften geachtet werden.

"Auch Luftfilter könnten im Winter wieder mehr Sinn machen", sagt Hajo Zeeb – aus dem einfachen Grund, dass man in der kalten Jahreszeit nicht mehr so viel lüften könne. "Bessere Luft tut uns allen gut", sagt der Präventionsmediziner und denkt dabei auch an die Schadstoffe in Innenräumen, die man nicht unterschätzen solle.

Bei welcher Art von Zusammenkünften es in der Vergangenheit besonders häufig zu Ansteckungen gekommen ist, zeigt eine aktuelle Studie aus Frankreich: Ein erhöhtes Infektionsrisiko gab es während des Höhepunktes der Pandemie zum Beispiel in Großraumbüros, Fernzügen, kleineren Lebensmittelgeschäften, Taxis, Flugzeugen, bei Konzerten und in Nachtclubs. Bei einem Aufenthalt in Supermärkten, auf Märkten, in Museen, in Kinos, bei Friseuren, beim Sport im Freien und in Schwimmbädern gab es laut der Untersuchung dagegen keine erhöhte Ansteckungsgefahr.

Um zu vermeiden, andere anzustecken, rät das RKI erkrankten Personen, möglichst drei bis fünf Tage und bis "zur deutlichen Besserung" der Symptome daheim zu bleiben. Und der Corona-Test? "Arbeitsrechtlich hat ein positiver Test keine Konsequenzen, die bundesweite Corona-Arbeitsschutzverordnung wurde Anfang Februar 2023 aufgehoben", schreibt die Barmer-Krankenkasse. Sie empfiehlt, wenn die Symptome abgeklungen, der Test aber immer noch positiv ist, den Arbeitgeber zu informieren, was zu tun ist – und, wenn möglich, eventuell noch ein paar Tage im Homeoffice zu bleiben.

Wichtig sei auch, so das RKI, dass sich die Personen gegen Covid-19, Influenza und auch Pneumokokken impfen lassen, für die die Ständige Impfkommission (Stiko) das empfiehlt. Bezogen auf Covid-19 sind das zum Beispiel Erwachsene ab 60 Jahren und Personen mit Grunderkrankungen, die einen schweren Covid-Verlauf wahrscheinlich machen. Die Stiko empfiehlt ihnen eine jährliche Auffrischimpfung im Herbst.

Risikoangepasste Empfehlungen für Kinder

Ob Impfungen oder Mund-Nase-Schutz: "Heute sind risikoangepasste Empfehlungen wichtig. Es gilt also, die individuell Schutzbedürftigen zu erkennen", sagt Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Dresden. Dazu zählen zum Beispiel Kinder mit schweren chronischen Herz- oder Lungenerkrankungen. Für sie könne es im kommenden Winter, wenn im Nahverkehr wieder jeder Zweite niest, beispielsweise ein Mund-Nasen-Schutz sinnvoll sein.

"Ein normal gesundes Kind braucht nicht regelhaft einen Impfschutz gegen Corona."

Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Dresden

Die risikoangepassten Empfehlungen betreffen auch die Impfung gegen Covid-19: Bei Kindern mit schweren Grunderkrankungen mache eine Grundimmunisierung oder eine Auffrischimpfung gegen Covid-19 Sinn. "Ein normal gesundes Kind braucht nicht regelhaft einen Impfschutz gegen Corona", so Berner. Auf den Wunsch der Eltern oder des Kindes könne aber natürlich auch ein gesundes Kind geimpft werden.

Der Mediziner war während der Pandemie Mitglied des Expertenrates der Bundesregierung und hat federführend an der S3-Leitlinie mitgewirkt, in der es um die Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der Sars-CoV-2-Übertragung an Schulen geht. "An der grundsätzlichen Gültigkeit dieser Leitlinie hat sich nichts geändert, die Notwendigkeit der einzelnen Maßnahmen aber hängt entscheidend mit der epidemiologischen Situation zusammen", sagt Berner.

Sars-CoV-2 sei jetzt endemisch, und, wie bei anderen Atemwegserkrankungen auch, "sind auf die gesamte Bevölkerung bezogen, aktuell keine besonderen Schutzmaßnahmen mehr nötig, die über das hinausgehen, was wir jeden Winter wegen der Influenza tun oder tun sollten", so Berner.

Das könne sich aber wieder ändern, wenn zum Beispiel im nächsten Winter ein qualitativ anderes, hochvirulentes Coronavirus auftauchen würde und es massive Erkrankungsfälle und Krankenhauseinweisungen gäbe: "Dann würden die Maßnahmen, wie sie in der Leitlinie beschrieben sind, wieder eingeleitet." Dazu zählen zum Beispiel das sachgerechte Tragen von Masken durch Schüler und Lehrkräfte in Schulen und im öffentlichen Nahverkehr sowie die Verkleinerung der Schülerzahl im Präsenzunterricht.

Gültig ist eine im Jahr 2022 überarbeitete Version, deren Ziel es nach wie vor ist, den Präsenzbetrieb an Schulen möglichst aufrechtzuerhalten, dabei aber negative, unbeabsichtigte Auswirkungen von Maßnahmen gering zu halten.

Langzeitfolgen – weiterhin ein Risiko

Eine Frage erhitzt die Gemüter aktuell sehr: Wie gefährlich ist das Coronavirus noch in Bezug auf mögliche Folgeschäden? Jede Infektion birgt weiterhin das Risiko, an Long Covid zu erkranken. Jede Infektion ist eine Belastung für den Organismus, denn: "Corona ist auch eine systemische Erkrankung, nicht einfach nur ein Schnupfen", sagt Hajo Zeeb.

Aber: Das Risiko für Folgeerkrankungen und dafür, dass sich das Virus im Körper ausbreitet und Schäden an den Blutgefäßen, dem Herzen oder am Nervensystem anrichtet, ist ebenfalls durch die gute Immunitätslage stark verringert. Antikörper und Immunzellen kennen das Virus inzwischen, selbst wenn es immer wieder leicht variiert auftaucht. Sie hemmen dessen Vermehrung und verhindern in der Regel, dass das Coronavirus starke Schäden im Körper anrichtet.

Eine Impfung und auch eine unbeschadet überstandene Corona-Infektion setzen das Long-Covid-Risiko zwar nicht auf null, sie verringern es aber deutlich. Der Schutzeffekt vor Folgeschäden durch die Impfung variiert je nach Studie zwar stark, aber durchschnittlich sinkt das Risiko für Long Covid/Post Covid durch die Impfung um 40 bis 50 Prozent, wie Studien zeigen.

Hoffnung setzen Forschende auf die Weiterentwicklung der aktuell verfügbaren Vakzine. Drei wichtige Ziele müssten durch bessere Impfstoffe zukünftig erreicht werden, schreibt Ziyad Al-Aly vom Institute for Public Health an der Washington University in St. Louis: "Infektionen zu verhindern – zum Beispiel durch eine Schleimhautimmunität, variantensicher zu sein und eine längere Lebensdauer zu haben." Dies würde das Risiko für akute und langfristige Folgen von Sars-CoV-2 deutlich verringern.

Denn ganz entscheidend hängt es laut einer Hypothese davon ab, wie viel Virus und vor allem wie lange eine größere Viruslast im Körper zirkuliert. Wer hier rasch blockiert, zum Beispiel durch eine gute Immunitätslage oder mithilfe von antiviralen Medikamenten, könne Langzeitfolgen verhindern, meint ein US-Team um den Epidemiologen Lao-Tzu Allan-Blitz von der Harvard Medical School.

Für Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf empfiehlt die Fachgruppe COVRIIN beim RKI je nach Setting (andere chronische Erkrankungen, andere Medikamente) die Einnahme von Paxlovid oder anderen Wirkstoffen, wenn der Symptombeginn nicht länger als fünf bis sieben Tage zurückliegt.

Verwendete Quellen:

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