Das Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung, die vor allem Beine und Arme betrifft. Meist leiden Frauen darunter. Da es einige Symptome mit anderen Erkrankungen gemeinsam hat, wird es häufig nicht richtig diagnostiziert - oder gar nicht erst anerkannt.

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Es beginnt meist mit dicken Beinen am Abend. Sie fühlen sich schwer an und geschwollen, tun weh. Nach und nach werden sie immer voluminöser, bekommen Knötchen.

Kommt noch eine Hämatom-Neigung hinzu, haben die Beine also häufig blaue Flecken, sollte ein Gefäßspezialist oder ein Lymphologe aufgesucht werden. Denn möglicherweise liegt ein Lipödem vor.

Das Lipödem ist noch nicht so lange Gegenstand intensiver Forschung. Obwohl die Erkrankung erstmals 1940 von zwei US-amerikanischen Ärzten beschrieben worden sei, werde ihre Existenz bis heute vereinzelt von Medizinern und Therapeuten angezweifelt, heißt es in einem Beitrag in der Zeitschrift "Lymphologie in Forschung und Praxis". Möglicherweise ist das ein Grund, warum es bislang nur wenige Untersuchungen dazu gibt.

Seit ein paar Jahren mehrt sich jedoch die Zahl der Studien und Studienvorhaben. So hat zum Beispiel der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im vergangenen Jahr eine große Untersuchung zu einer der Behandlungsmethoden des Lipödems beschlossen. Der G-BA ist ein Gremium, das maßgeblich mitbestimmt, welche Leistungen die Krankenkassen bezahlen sollen.

Auch in der Öffentlichkeit ist das Lipödem zuletzt wieder häufiger genannt worden, weil einige bekannte Frauen ihre Diagnose publik gemacht haben, wie vor Kurzem die Schwester von Daniela Katzenberger, Jenny Frankhauser.

Lipödem tritt nach Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahren auf

Beim Lipödem handelt es sich um eine Fettverteilungsstörung, bei der beide Beine und manchmal auch beide Arme dick werden. Fast nur Frauen sind von der Krankheit betroffen, die meist zum ersten Mal nach einer Phase der hormonellen Veränderung auftritt, wie etwa nach der Pubertät, einer Schwangerschaft oder den Wechseljahren. Das Fettgewebe der Unterhaut verändert sich und nimmt nach und nach zu – und zwar vor allem an den Extremitäten.

"Ein Lipödem ist nicht einfach zu erkennen, deswegen werden Patientinnen häufig mit dem Hinweis wieder nach Hause geschickt, sie sollten abnehmen", so der Chefarzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Mikrochirurgie/Handchirurgie des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam, Mojtaba Ghods, im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Viele betroffene Frauen machen aber schon Diäten, nehmen jedoch nur an anderen Körperstellen wie der Brust ab. Manche leiden dann noch mehr an ihrer Figur", sagt Ghods. Denn der Unterschied zwischen Beinen und Armen sowie dem Rest des Körpers werde dadurch immer noch größer.

Diese Beobachtung legt nahe, dass es "abnehmbares Fett" wie bei Adipositas, also starkem Übergewicht, oder "nicht abnehmbares Fett" gibt. Ob das so ist, ist aber wissenschaftlich umstritten. In einem Artikel für die Fachzeitschrift "Phlebologie" schreiben etwa der Leitende Oberarzt in der Földiklinik in Hinterzarten, Tobias Bertsch, und die Psychologin Gabriele Erbacher, dass die große Mehrheit ihrer Lipödem-Patientinnen auch adipös sei. Gerade einmal drei Prozent seien normalgewichtig und demnach eine Rarität. Das wiederum würde bedeuten, dass Abnehmen durch gute Ernährung für eine erfolgreiche Behandlung des Lipödems extrem wichtig ist.

Was genau die Erkrankung bewirkt oder auslöst, ist noch nicht bekannt. Es wird vermutet, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen eine Rolle spielt. Auch eine genetische Prädisposition wird für möglich gehalten. Darüber hinaus gibt es unter Medizinern die Theorie, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt.

Die Veränderung von Armen und Beinen kommt dadurch zustande, dass sich die Fettzellen an diesen Stellen nach und nach verändern. Es entstehen Hubbel und Knötchen, die Lymphgefäße werden zusammengedrückt, die Flüssigkeit dringt ins Gewebe ein (deswegen "Ödem"), der Druck im Bein nimmt zu.

Warum manche Patientinnen dabei große Schmerzen empfinden und andere wiederum nicht, ist bislang ebenso ungeklärt wie die Frage, was am Stoffwechsel im Lipödem-Fettgewebe im Vergleich zum "normalen" Fettgewebe falsch läuft.

Symptome von Lipödem, Adipositas und Lymphödem ähneln einander

Wie viele Frauen mit Lipödem es gibt, ist ebenfalls unklar. Der Verein "Lipödem Hilfe Deutschland" beruft sich auf Schätzungen, in denen von vier Millionen Fällen die Rede ist. Das wären etwa zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung in Deutschland. Es gibt aber auch andere Studien, die von lediglich 0,1 Prozent sprechen.

Die unterschiedlichen Fallzahlen entstehen wohl auch dadurch, dass manche Anzeichen des Lipödems den Symptomen etwa von Adipositas, Lymphödem oder Lipohyperthrophie (also einer reinen Fettgewebsvermehrung) ähneln. "Das Lipödem entwickelt sich immer aus einer Lipohypertrophie heraus, allerdings nur bei einem sehr kleinen Teil der Betroffenen", schreiben Bertsch und Erbacher.

Als "gesichert" werde ein Lipödem in ihrer Klinik dann gewertet, wenn die Patientinnen einen Druckschmerz haben, die Beine sich sehr schwer anfühlen oder sehr empfindlich für Berührungen sind, und dazu noch eine verstärkte Neigung zu Hämatomen besteht.

Außerdem werde in einem sogenannten Kneiftest geprüft, ob die Schmerzen in den Beinen und im Bauch, der vom Lipödem nicht betroffen ist, unterschiedlich stark sind.

"Falscher" Sport beim Lipödem kann unerwünschte Effekte haben

Welche Diagnose gestellt wird, hat natürlich Auswirkungen auf die Therapie - und darauf, ob es den Betroffenen schnell besser gehen kann. Sport kann beispielsweise bei mancher Lipödempatientin weitere unerwünschte Effekte haben.

Da das Lipödem die Gefäße schwächen kann, sollten die Betroffenen unter Umständen nur mit Kompressionsstrümpfen Sport machen. Oder sie sollten nur bestimmte Sportarten ausüben, wie zum Beispiel Wassergymnastik.

In der Regel wird bei einem Lipödem zunächst mit Lymphdrainagen, Bandagen, Kompressionsstrümpfen und ähnlichen Methoden versucht, den Transport von Flüssigkeiten in Beinen und Armen wieder in Schwung zu bekommen und so die Schwellungen und die Schmerzen zu reduzieren. Gerade die manuelle Lymphdrainage als eine spezielle Massagetechnik hilft bei Schwellungen der Beine oft gut.

Zusätzlich wird ein Ernährungs- und Bewegungsplan erstellt. "Es ist wichtig, sich gesund zu ernähren: Also viel Obst und Gemüsen zu essen, viel Vollkorn, wenig Süßes, wenig Fleisch, insgesamt wenig Fett und Kohlenhydrate", sagt Ghods. Damit solle verhindert werden, dass zum Lipödem noch eine Adipositas hinzukomme.

Fettabsaugung keine Pflichtleistung der Kassen

Eine weitere Möglichkeit, die von den Krankenkassen bislang nur auf Kulanzbasis bezahlt wird, ist die Liposuktion. Dabei wird das Fett an den betroffenen Stellen abgesaugt. Die Operation dauert etwa zwei Stunden, meist bleibt es nicht bei einem Eingriff. Wenn die konservative Therapie mit Drainagen und Bandagen nach sechs bis acht Wochen keine Wirkung zeige, sagt Mojtaba Ghods, solle über eine Liposuktion nachgedacht werden.

Der Verein "Lipödem Hilfe Deutschland" empfiehlt mindestens sechs Monate konservative Therapie, bevor bei der Krankenkasse ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt wird. Laut dem Verein kostet eine Liposuktion zwischen 3.000 und 5.000 Euro.

Bei dem Eingriff werden nicht alle Fettzellen entfernt. "Wäre dies der Fall, würde das die Gelenke schädigen, da Fettzellen wichtig für die Gleitlage sind", sagt Ghods, der an seiner Klinik solche Operationen macht. Das heißt auch: Es bleiben immer einige krankhafte Fettzellen übrig. Ein Lipödem kann daher nicht geheilt werden.

"Man muss mit einem Lipödem leben", sagt Ghods. Allerdings können viele seiner Patientinnen das nach eigenen Angaben gut. "Unsere Studien haben ergeben, dass 95 Prozent auch acht Jahre nach der Operation sehr zufrieden mit dem Ergebnis sind."

Andererseits ist die Operation teuer und es gibt durchaus Ärzte, die an den Erfolg einer Therapie ohne Operation glauben und die Gewichtsreduzierung an die erste Stelle setzen. So weisen die Mediziner der Földiklinik in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme darauf hin, dass zunächst einmal versucht werden solle, ohne OP eine Verbesserung zu erreichen. "Wird jedoch eine Patientin umfassend und interdisziplinär über längere Zeit geführt und lokale Beschwerden persistieren dabei weiter, dann spricht in diesem Falle nichts gegen eine Liposuktion."

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterview mit dem Chefarzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Mikrochirurgie/Handchirurgie des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam, Dr. Mojtaba Ghods
  • Webseite des Ernst von Bergmann-Klinikums in Potsdam: Lipödem
  • Webseite der Lipödem Hilfe Deutschland e.V.: Krankheit Lipödem, Therapiemöglichkeiten, Liposuktion beim Lipödem
  • Webseite der Lymph-Opt-Fachlinik: Lipödem
  • Artikel in der Fachzeitschrift "Phlebologie": Lipödem – Mythen und Fakten, Teil 1-3
  • Stellungnahmeder Földiklinik, Fachklinik für Lymphologie, Hinterzarten (April 2019)
  • Beitrag in der Fachzeitschrift "Lymphologie in Forschung und Praxis": Lipödem und Liplymphödem - Alles eine Frage des Lebensstils?
  • Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): Liposuktion bei Lipödem: Eckpunkte für Studie stehen fest
  • Überblick über Veröffentlichungen von Studien zum Thema auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie: 2012, 2014 und 2015
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