Um bei Strava mit hohen Trainingsumfängen oder einer schnellen Pace zu beeindrucken, lassen Läuferinnen und Läufer andere für sich Sport treiben. Der Trend der Strava-Jockeys kommt aus Südostasien.

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Gestern veröffentlichte die TAZ einen Artikel auf ihrer Website und machte einen vermeintlichen "Betrug" bei Strava öffentlich. Nein, keine Sorge – es geht nicht um geklaute Passwörter oder gehackte Konten. Es geht um menschliche Eitelkeit. Anscheinend gibt es in südostasiatischen Ländern wie Indonesien und Singapur einen neuen Trend. Läuferinnen und Läufer lassen andere gegen Bezahlung für sich laufen. Statt also selbst 10 Kilometer zu absolvieren und die entsprechende Aktivität bei Strava hochzuladen, suchen sie jemanden, der an ihrer Stelle Sport treibt. Unter dem Hashtag #stravajoki beziehungsweise #stravajockey sollen sich bei Instagram und in diversen Kleinanzeigenportalen entsprechende Angebote finden.

57 Cent für einen Kilometer

Und in der Tat stößt man nach wenigen Sekunden der Suche im Internet auf Angebote wie: "Need someone to run for you? DM to get cover. I can help run 0-10km, intervals, or hill runs", bietet ein Nutzer namens @fatboychew auf einem Kleinanzeigenportal seine Dienste an. Ein Nutzer namens @dorst622 schreibt: "The longer the distance the higher the charges. If run at specific location additional charges."

Kurzum: Die Strava-Jockeys lassen sich nach Distanz, Pace, Trainingsform und Ort bezahlen. Je beeindruckender die Leistung, desto höher die Gebühr. Die Angebote scheinen oft auf Verhandlungsbasis zu sein. Laut des TAZ-Artikels nimmt ein Läufer umgerechnet 57 Cent für einen Kilometer.

Erklären lässt sich dieser Trend wohl am besten mit der menschlichen Eitelkeit. Wer andere für sich Sport treiben lässt, möchte ja bloß nach außen darstellen, dass man besonders viel, besonders weit und besonders schnell läuft. Verwunderlich ist der digitale Betrug nicht, schließlich gibt es auch mehr als genug Beispiele von Läuferinnen und Läufern, die bei Rennen betrügen. Da setzen sich manche in eine U-Bahn, andere kürzen ab und wieder andere geben die Startnummer nach der Hälfte der Distanz an den Zwillingsbruder weiter, der mit frischen Beinen bis ins Ziel rennt.

Betrug an sich selbst

Meine Empörung hält sich sehr in Grenzen. Die Welt geht davon nicht unter. Man betrügt doch vor allem sich selbst. Letztlich schadet man sich ja nur selbst, wenn man die Leistung anderer in sozialen Netzwerken als die eigene ausgibt. All die positiven Auswirkungen, die Sport und Bewegung mit sich bringen, landen bei den Jockeys – die zusätzlich auch noch das Geld einstreichen. In meinen Augen ist das eine Lose-lose-Situation für die Auftraggeber und eine Win-win-Situation für die Auftragnehmer.

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Mich beschäftigt auch viel mehr die Frage der Organisation: Eigentlich muss man doch jemanden suchen und finden, der in derselben Region wohnt und zu einer Zeit läuft, zu der man von anderen nicht gesehen wird. Es könnte anderen ja auffallen, wenn der Laufkumpel, der in Stadt X wohnt, plötzlich einen in Stadt Y absolvierten Lauf hochlädt. Oder vermeintlich um 10 Uhr gelaufen ist, zu dieser Zeit aber nachweislich bei der Arbeit war. Und wie glaubwürdig ist es, wenn jemand, der beim letzten Rennen 50 Minuten für 10 Kilometer gebraucht hat, zwei Wochen später im Training die doppelte Distanz in einer 4er-Pace rennt?

Mein Problem soll es nicht sein. Nachdem ich diese kurze Meldung verfasst habe, gehe ich nämlich laufen. Bei Strava könnt ihr es überprüfen.  © Runner’s World

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