Mit den warmen Temperaturen packt viele Menschen der Ehrgeiz: Wieso nicht laufen gehen und wieder etwas in Form kommen? Allerdings ist die Gefahr groß, es dabei zu übertreiben. Wer nicht im Training ist, sollte lieber ganz langsam anfangen und die Belastung über mehrere Monate hinweg steigern.

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Statt einem Spaziergang lockt der Halbmarathon? Statt mit dem Rad zum Supermarkt zu düsen, wollen Sie lieber gleich ordentlich Strecke machen? Und ins Fitnessstudio, das Sie seit Monaten nicht betreten haben, gehen Sie jetzt jeden Tag? Vorsicht: Das kann nach hinten losgehen.

"Viele Menschen neigen dazu, sich beim Sport zu überlasten, wenn sie untrainiert sind", sagt Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln im Gespräch mit unserer Redaktion.

Körper braucht Zeit, um sich anzupassen

Ein untrainierter Körper kann sich nicht von heute auf morgen auf eine sportliche Belastung einstellen:

Das Herz-Kreislaufsystem reagiert am schnellsten: laut Froböse innerhalb von zwei bis vier Wochen. Die Muskulatur braucht etwas länger: Sie passt sich nach vier bis acht Wochen an ein neues Training an.

Bänder und Sehnen kommen nach rund drei Monaten mit der Belastung klar. Am längsten dauert es, bis sich Knochen und Knorpel auf Sport umgestellt haben. "Das kann vier bis sechs Monate dauern", erklärt Froböse.

Wenn jemand plötzlich sehr aktiv wird, ist sein Körper dafür noch gar nicht ausgelegt. "Deshalb kann es insbesondere zu Problemen mit Knorpeln und Gelenken kommen", sagt Froböse. "Sie sind noch nicht bereit für eine tägliche Belastung."

Wenn sie überlastet sind, schmerzen sie und können anschwellen. "Vielleicht geht man dann davon aus, dass man vom Laufen Kniebeschwerden bekommt", sagt Froböse. "In Wirklichkeit wäre das Laufen aber kein Problem - man müsste dem Körper nur ausreichend Zeit geben, sich daran anzupassen."

Dem Körper ausreichend Zeit für die Regeneration geben

Wie also kann man das besser machen? "Der Körper braucht zwischen den Einheiten genügend Zeit für die Regeneration", sagt Froböse. Nach einem Ausdauertraining sollte man 36 bis 48 Stunden Pause machen.

Die Muskulatur braucht nach einem Krafttraining noch länger, um sich zu erholen. Froböse empfiehlt dafür eine Pause von rund 72 Stunden.

Einen Anhaltspunkt für die Belastung bietet auch der Ruhepuls. Dafür sollte man ihn einige Zeit messen, um seinen Wert zu kennen. "Wenn der Ruhepuls vier bis sechs Schläge höher liegt als sonst, dann ist der Körper noch nicht bereit für ein neues Training", sagt Froböse. In diesem Fall sollte man sich noch etwas Erholung gönnen.

Bei Überlastung hilft nur eine Pause

Grundsätzlich sind die Pausen zwischen den Einheiten ohnehin wichtig. In dieser Zeit baut der Körper Kraft und Ausdauer auf. "Für die ersten vier Wochen des Trainings empfehle ich, nur jeden dritten Tag Sport zu machen", sagt Froböse.

Eine weitere Möglichkeit ist es, zwischen den Trainingsarten zu variieren und alle zwei Tage im Wechsel den Fokus auf Ausdauer und Kraft zu legen.

Was aber, wenn man es beim Sport einmal so richtig übertrieben hat? "Bei Überlastung hilft nur eine Pause", sagt der Sportwissenschaftler. Sie sollte mindestens drei Tage lang sein. Danach sollte man mit dem Training wieder einsteigen.

"Wichtig ist aber, die Belastung dann zunächst deutlich zu reduzieren", sagt Froböse. Oft hilft es auch, das Training zu wechseln, wenn beispielsweise das Knie vom Laufen schmerzt. "Ein Läufer könnte zum Beispiel in dieser Phase Rad fahren oder schwimmen", so der Experte.

Idealerweise ganz langsam mit dem Sport beginnen

Wie sieht es mit anderen Gefahren des plötzlichen Sports aus? Was passiert, wenn jemand jahrelang keinen Sport gemacht hat und nun plötzlich meint, zehn Kilometer joggen zu wollen? Drohen dann ein Kollaps oder ein Herztod? "Das kann passieren, ist aber selten", sagt Froböse. Eher kommt es dann zu einer allgemeinen Überlastung, bei der die Motivation sehr schnell nachlässt.

Wie kann man das besser machen? Wie steigt man mit dem Sport ein? "Ich rate, erst einmal mit einem anstrengenden Spaziergang zu beginnen", sagt Froböse. "Wenn jemand komplett untrainiert ist, fordert das den Körper bereits sehr gut."

Für den Spaziergang reichen bereits 45 Minuten aus. Generell bietet es sich bei Menschen über 35 Jahren an, einen Arzt um Rat zu fragen, bevor sie mit einem Sportprogramm beginnen, sagt der Experte.

Wer behutsam einsteigt, hält auf lange Sicht eher durch

Ein Pulsmesser kann insbesondere am Anfang dabei helfen, die Belastung einzuschätzen. Als Obergrenze für den Puls empfiehlt Froböse dabei die Regel "180 minus Lebensalter". Für einen 38-jährigen Mann heißt das zum Beispiel, dass sein Herz nicht öfter als 142-mal in der Minute schlagen sollte.

"Als Faustregel für die Belastung kann man sich auch merken, dass man vier Schritte lang ein- und vier Schritte lang ausatmet", sagt Froböse. "Dabei kann man nicht viel verkehrt machen."

Generell gilt, dass man kaum langsam genug mit dem Sport anfangen kann. "Man sollte nach der Aktivität immer das Gefühl haben, dass es schön war und man noch etwas mehr hätte machen können", sagt Froböse. "Man spricht dabei auch von einem subjektiven Gefühl der leichten Unterforderung."

Wer ruhig und langsam mit dem Sport beginnt, hält auch länger durch. "Ansonsten kämpft man bald nicht nur gegen den inneren Schweinehund, sondern auch gegen einen Körper, der sich gegen die zu hohe Belastung wehrt."

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