In der Schweiz verhalf kürzlich eine Gefängnisaufseherin einem Häftling zur Flucht. Warum? Manchmal ist es einfach Naivität und Gutgläubigkeit. In vielen Fällen suchen Frauen aber ganz bewusst gewalttätige Männer. Warum sie das tun, dafür gibt es unterschiedliche Gründe.

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Vernunft und Liebe haben oft nicht viel miteinander zu tun. Immer wieder kommt es vor, dass sich Frauen unterschiedlichster Altersstufen und aus den verschiedensten sozialen Milieus in Schwerverbrecher, Mörder oder Vergewaltiger verlieben. Die Anwältin Astrid Wagner beispielsweise fand den wegen mehrfachen Frauenmordes verurteilten Jack Unterweger mehr als anziehend. "Ja, ich habe einen Mörder geliebt. Ich war schwer verblendet. Dass er ziemlich brutal eine 18-Jährige umgebracht hat, habe ich ausgeblendet und mir schöngeredet. Aber ich war auch fasziniert von ihm, er hatte eine maskuline Ausstrahlung, hat schon auf der Reeperbahn sein Unwesen getrieben, ich fand das toll", so Wagner in einem Interview mit dem "Kurier".

Erst kürzlich verhalf eine 32 Jahre alte Gefängnisaufseherin in der Schweiz einem 27-jährigen aus Syrien stammenden Gefangenen, der wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, zur Flucht. Dass die Betreuerin sich eingehend mit dem Insassen auseinandersetzte und eine gewisse Nähe zum ihm pflegte, ist klar, ob es sich tatsächlich um eine Liebesbeziehung handelt ist noch offen. Jedenfalls sind die beiden gemeinsam untergetaucht. Was aber ist es, das Frauen an Gewaltverbrechern fasziniert?

Naiv und leichtgläubig

Der ehemalige Kriminalpsychologe und Universitätsprofessor Walter Hauptmann aus Salzburg berichtet von zahlreichen Exkursionen in österreichische und deutsche Gefängnisse, die er gemeinsam mit Studierenden während seiner 37 Berufsjahre unternommen habe. "Dabei ließen sich einzelne Studentinnen immer wieder auf Briefkontakte mit Häftlingen ein. Meinem Eindruck nach waren sie in ihrem Helfersyndrom meist zu naiv und leichtgläubig und wurden vielfach nur ausgenützt. Sie hatten schlicht keine Ahnung, wie schwer gerade Rechtsbrecher zu therapieren sind", sagt Hauptmann. Es kommt auch vor, dass Frauen Liebesbriefe an Häftlinge schicken, die sie noch nie persönlich getroffen haben. "Gerade solche Briefe zeigen für mich, wie weit sich deren Verfasserinnen nicht von der Realität, sondern ausschließlich von illusionären Projektionen in ein Wunschbild leiten lassen", meint dazu Walter Hauptmann.

Gewalt wird mit Stärke gleichgesetzt

Dafür, dass sich Frauen in Mörder oder Vergewaltiger verlieben, gibt es laut ihm etliche psychologische und insbesondere tiefenpsychologische Erklärungsmuster. Am ehesten überzeugt ihn jedoch ein verhaltensbiologischer Ansatz.

"Wir haben in unserem genetischen Programm - und ich betone hier das Wort genetisch - noch nicht einmal die neolithische Revolution, also den Umstieg vom Jäger- und Sammlerdasein zu Ackerbau und Viehzucht verarbeitet und stecken insoweit noch immer in altsteinzeitlichen Programmen. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass wir diese Verhaltensneigungen noch immer eins zu eins umsetzen. Sie wurden in einem jahrtausendelangen kulturellen Prozess stark überformt. Wir wurden zivilisiert", erklärt Hauptmann.

In ihrer Entstehungsszeit stehen diese Programme jedoch dafür, dass der altsteinzeitliche Mann in wenig einfühlsamer Weise potenziellen Geschlechtspartnerinnen nachgestellt hat. Und bei Kämpfen um Frauen, dürften sich - wie heute noch im Tierreich - die stärksten und ausdauerndsten Bewerber durchgesetzt haben. "Dieser primitive Mechanismus könnte bei manchen Mädchen und Frauen in rudimentären Resten noch immer wirksam sein. Sie bewundern also unbewusst nicht den Dieb oder Betrüger, sondern gerade die Stärke des Gewalttäters – und sogar die des Vergewaltigers", erklärt Hauptmann.

"Rotkäppchen-Syndrom"

Diese Sichtweise ähnelt jener des deutschen Psychologen Borwin Bandelow, der von Frauen spricht, die vom "Rotkäppchen-Syndrom" befallen seien. Sie lassen sich demnach durch das Dunkle, Bedrohliche und Gewalttätige faszinieren. Als psychische Krankheit bekannt ist mittlerweile die Hybristophilie, bei der sich Betroffene von Tätern aus den Bereichen der Sexual- und schweren Gewaltdelikte sexuell angezogen fühlen. Laut der amerikanischen Autorin Sheila Isenberg handelt es sich dabei häufig um Frauen, die eine schwierige Kindheit durchlebten, missbraucht oder misshandelt wurden. In ihrem Buch "Women who love men who kill" (deutsch: Frauen die Männer lieben, die töten) erklärt sie, dass diese Frauen aufgrund ihrer schlimmen Erfahrungen einen Mann suchen, der sie nicht verletzen kann. Dafür eignen sich vor allem Männer, die im Gefängnis sitzen.

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