Niesen ist eine Abwehrreaktion gegen potenziell schädliche Reize. Den Niesreiz zu unterdrücken, das ist aus mehreren Gründen eine schlechte Idee. Aber wie niesen Sie richtig? Und wie sollten Anwesende darauf reagieren?
In Deutschland sagt man dazu Hatschi. In den USA heißt es Achoo, in Russland Abtschi und in Japan Hackschon. Was dahintersteckt, ist in allen Ländern gleich: Ein Niesreiz, ausgelöst durch Staub, Pollen oder Krankheitserreger in der Nase, der sich durch einen kräftigen Luftausstoß löst.
Nicht nur das Niesgeräusch wird in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich ausgedrückt, auch die Reaktion der anwesenden Personen fällt weltweit anders aus. Reagieren die Briten mit "Bless you" - was dem deutschen "Gesundheit" nahe kommt, sagen die Portugiesen "Santinhas", was so viel heißt wie "Alle Heiligen mögen mit dir sein".
In Österreich wünschen die Menschen "Helf dir Gott" und in Lateinamerika wird das Wünschen bei mehrmaligen Niesen hintereinander sogar gesteigert: Auf das erste Niesen regiert man mit "Salud", also Gesundheit. Beim zweiten Niesen sagt man "Dineros" (Geld) und beim dritten Mal "Amor" (Liebe).
Warum wir "Gesundheit" nach einem Niesen sagen
In Deutschland genügt ein "Gesundheit" nach dem ersten Niesen. Aber woher kommt das überhaupt? Die am häufigsten genannte Theorie greift zurück bis ins tiefste Mittelalter: Starkes Niesen war damals eines der ersten Symptome dafür, dass jemand die Pest hatte.
"Wenn jemand an einem vorbei ging, der nieste, sagte man Gesundheit", erklärt Linda Kaiser, stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Deutschen-Knigge-Gesellschaft.
Doch warum sagt man "Gesundheit" eigentlich nur beim Niesen und nicht beim Husten? "Niesen war ein Symptom der Pest. Das Husten nicht, daher wurde es von vornherein nicht kommentiert", so Linda Kaiser weiter.
Die Erzählung, dass sich die Menschen damals selbst "Gesundheit" gewünscht hätten, wenn einer ihrer Mitmenschen geniest hat, scheint aber Legende zu sein. "Beim Gesundheit wünschen scheint es sich stattdessen um eine Art Segen zu handeln, der sich an den anderen richtet", sagt Moritz Freiherr von Knigge. "Eine Art Kurzform von 'Gute Besserung'".
Moritz Freiherr von Knigge ist ein indirekter Nachfahre des Benimmpapstes Adolph Freiherr Knigge (1752-1796), auf den viele der heutigen Umgangsregeln zurückgeführt werden. Dieser, also der alte Knigge, hatte selbst übrigens gar nichts zum Niesen geschrieben.
Der heute lebende, also Moritz Freiherr von Knigge, verweist aber auf einen anderen Philosophen, der sich zum Thema geäußert hat, nämlich Erasmus von Rotterdam (1466-1536).
Der niederländische Theologe hat in seinem Erziehungswerk "De civilitate morum puerilium" über das korrekte Verhalten von Niesenden geschrieben. So heißt es darin: Muss man in Gegenwart anderer niesen, soll man sich aus Höflichkeit abwenden.
Außerdem sollte sich der Niesende bei denen bedanken, die einem "Gesundheit" gewünscht haben oder es hätten tun sollen. Auch eine Entschuldigung nach dem Niesen sei angebracht. Denn das Niesen beeinträchtigt ebenso wie das Gähnen das Gehör.
Ist "Gesundheit" sagen heute noch zeitgemäß?
Einige Benimm-Experten raten mittlerweile davon ab, jemanden nach dem Niesen "Gesundheit" zu wünschen. Durch den Wunsch werde die Krankheit zu sehr in den Mittelpunkt gerückt, heißt es zur Begründung. Nach Meinung von Linda Kaiser kommt es dabei aber auf eine gute Einschätzung der Situation an.
"Höflich ist, wer sich anlass- und adressatengerecht verhält und nicht auf starren Regeln besteht." Im geschäftlichen Umfeld sollte man ihr zufolge zumindest überlegen, ob man immer gleich "Gesundheit" sagen sollte. "Es sollte kein Automatismus sein", rät die Stilexpertin.
Generell dürfe man aber "Gesundheit" wünschen, wenn jemand niest und man das Gefühl hat, dass der Wunsch erwartet wird. "Vor allem im privaten Umfeld ist das häufig der Fall. Dann machen Sie bitte auch dieses Zugeständnis."
Was sich allerdings geändert hat: Bislang gehörte es sich, beim Niesen die Hand vor den Mund zu halten. Aber nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie wissen wir, dass das mehr schadet, als es nützt.
Denn gerade über die Hände verbreiten sich Viren schnell. Sie bleiben auf der Haut haften, gelangen über die Hände auf Türklinken und andere Gegenstände und übertragen sich auf andere Menschen.
"Beim Niesen und Husten ist es empfehlenswert, ein sauberes Papiertaschentuch bereitzuhalten, das man sich beim Niesen vor Mund oder Nase hält und anschließend entsorgt", sagt Linda Kaiser. "Erst in zweiter Option sollte die Armbeuge herhalten."
So niesen Sie richtig
Die Geschwindigkeit eines Niesens kann es spielend mit einem Orkan aufnehmen. "Dass der empfohlene Sicherheitsabstand zwischen Niesenden und Nicht-Niesern zur Vermeidung von Ansteckung satte sechs Meter beträgt, kann da nicht verwundern", sagt Moritz Freiherr von Knigge. Schon alleine deshalb sei ein Unterdrücken des Niesens nicht zu empfehlen.
Davon wird auch von medizinischer Seite abgeraten: "Bei der Niesreizunterdrückung kann es zu einem erhöhten Druck in der abfließenden Hirnvene und damit im Kopf kommen, ähnlich wie beim Pressen", sagt Professor Thomas Zahnert, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Uniklinikum Dresden.
Er kenne aber niemanden, der davon einen Schlaganfall bekommen hat. Der Mediziner gibt einen harmloseren Tipp: Man könne den Niesreiz elegant unterdrücken, indem man mit der Zunge am Zäpfchen krabbelt ohne Druck aufzubauen.
Auch die Nase sollte man sich beim Niesen nicht zuhalten. Dabei werde Druck aufgebaut und Nasensekret in die Nebenhöhlen gepresst, warnt Professor Zahnert. Also am besten immer durch Nase und Mund niesen.
Und beim Nase putzen sollte nicht gleichzeitig durch beide Nasenlöcher geschnäuzt werden, sondern sachte nacheinander. "Das sogenannte Trompeten belastet mechanisch die Nasenschleimhaut im Bereich der Nasenscheidewand und führt dann, besonders bei Schnupfen, oft zu Nasenbluten", so der Dresdner Mediziner.
In asiatischen Ländern ziehen die Menschen das Nasensekret öfters hoch. Im Internet ist häufig zu lesen, dass dieses Hochziehen sogar gesünder sein soll statt in ein Taschentuch zu schnäuzen. Diese Theorie kann Thomas Zahnert allerdings nicht bestätigen. "Das ist hypothetisch und bisher nicht durch Studien belegt."
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Verwendete Quellen:
- Wdr.de: Weltkarte des Niesens
- Domradio.de: Der "Gesundheit"-Segen und sein Ursprung
- Stil- und Imageberaterin Linda Kaiser (Deutsche Knigge-Gesellschaft)
- Moritz Freiherr von Knigge: Darf ich Gesundheit wünschen?
- Professor Thomas Zahnert, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Uniklinik Dresden
- DerStandard.at: Die richtige Etikette bei Husten und Schnupfen
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