Freunden in Not will man helfen. Doch nicht jede Unterstützung ist hilfreich. Forschende haben untersucht, was besonders positiv wahrgenommen wird – und was man eher vermeiden sollte.

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Man will ja helfen. Aber wie? Da sitzt er nun, der Kumpel, fertig mit den Nerven, die Stimme ganz ruhig, manchmal etwas zittrig, und erzählt, wie sehr ihn der Alltag überfordert. Oder die Freundin - wütend ist sie, richtig wütend, weil sie rackert und schuftet und keiner sieht es und befördert werden dauernd die anderen. Man sitzt da und hört zu, man will das Leid teilen, weil es dann doch halbes Leid ist, man will helfen. Nur eben wie?

Was soll man sagen? Was kann man machen? Sollte man lieber selbst reden oder erstmal reden lassen und zuhören? Sollte man Hilfe erstmal anbieten oder einfach helfen, damit der andere sich nicht auch noch einen Kopf darum machen muss, ob er nun Hilfe annehmen möchte und ob er lieber diese oder jene Art Hilfe hätte? Allen, denen solche Fragen durch den Kopf gehen, sei gesagt: Helfen ist wirklich nicht einfach. Denn dabei ist viel Fingerspitzengefühl gefragt.

Die drei Formen sozialer Unterstützung

Beschäftigen sich Forscher mit zwischenmenschlicher Hilfe, dann nennen sie das soziale Unterstützung. Innerhalb der sozialen Unterstützung unterscheiden sie wiederum zwischen drei Arten:

  • praktische Unterstützung
  • informationelle Unterstützung
  • emotionale Unterstützung

Mit praktischer Unterstützung meinen Forscher, dass man Freunden beim Umzug hilft, babysittet, jemandem Geld leiht oder wenn man mal eben mit dem Auto vorbeikommt, weil man eine Anhängerkupplung hat und den Baumarkt-Einkauf für die neue Gartenhütte besser transportieren kann.

Informationelle Unterstützung meint jene Hilfe, bei der man anderen mit Tipps, Ratschlägen, Wissen zur Seite steht. Wenn der Arzt sich mal schnell den Fleck am Bein seines Nachbarn anschaut oder der Schreiner-Schwager einem erklärt, welcher Dübel in welche Wand gehört.

Und die emotionale Unterstützung ist jene Unterstützung, bei der man anderen zuhört, Verständnis zeigt, tröstet, ermutigt, sie nach einem Rückschlag oder in harten Zeiten wieder aufbaut.

"Aus psychologischer Sicht ist die emotionale Unterstützung [...] die wichtigste Form."

Jana Nikitin, Psychologie-Professorin

Die Psychologie-Professorin Jana Nikitin beschäftigt sich viel mit der Unterstützung durch Freunde, Familie, Kolleginnen oder Nachbarn. Sie hat eine klare Meinung, welche Art von Hilfe die effektivste ist: "Aus psychologischer Sicht ist die emotionale Unterstützung eigentlich die wichtigste Form der Unterstützung."

Vor allem für die Gesundheit: Wer darauf setzen kann, dass Familie, Freunde oder Bekannte in Notsituationen zur Hilfe eilen, hat weniger Stress im Leben, ist weniger ängstlich und hat generell weniger Depressionssymptome. Mit stressigen Situationen umzugehen, fällt leichter – etwa, wenn man erfährt, dass man eine chronische Krankheit hat und den Alltag umstellen muss.

Bei alten Menschen schwinden die kognitiven Fähigkeiten dann langsamer. Und wer Ehemann oder -frau verliert, bekommt kurz darauf seltener Herzprobleme, wenn sie oder er Freunde hat. Menschen, die auf Unterstützung anderer vertrauen können, kommen mit traumatisierenden Erfahrungen besser zurecht. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass der positive Effekt durch ein gutes soziales Netzwerk für die Gesundheit größer sein kann, als es die negativen Effekte von Rauchen, hohem Blutdruck, Übergewicht oder fehlender Bewegung sind.

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Zu wenig Unterstützung ist schlecht - zu viel aber auch

Forscherinnen und Forscher wie Nikitin haben Modelle und Theorien entwickelt, über welche Wege die emotionale Unterstützung ihre positive Wirkung entfalten könnte.

  • These eins: Wer viel emotionale Unterstützung bekommt, der hat meist auch gute soziale Beziehungen. Nachbarn leihen sich Werkzeug, Großeltern helfen bei der Kinderbetreuung, man trifft sich mit den Freunden zum Sport. Das allein reduziert den Alltagsstress und hilft, Krisen und Problemen von vornherein zu vermeiden.
  • These zwei: Eine solch gute soziale Einbindung steigert den Selbstwert und macht resilient. Kommen die Krisen, kann man diese so meist selbst schon besser durchstehen.
  • These drei: Ist die Krise schließlich da, können Menschen mit sozialen Kontakten die Freundin anrufen oder den Frust beim Gartenzaun-Schwatz abladen. "Wenn wir keine nahestehenden Menschen in unserem Umfeld haben und keine emotionale Unterstützung in Anspruch nehmen können, fühlen wir uns isoliert", sagt Jana Nikitin. "Das bringt, zum Beispiel mehr Stress und schlechtere Gesundheit mit sich."

Und dennoch ist nicht jede Unterstützung hilfreich. "Menschen, die unterstützt werden, nehmen diese Unterstützung nicht immer als gleich hilfreich war", sagt Nikitin. "Die ganzen positiven Effekte löst die Unterstützung aber nur dann aus, wenn Menschen sie als solche wahrnehmen." Gut gemeint – man kennt das – ist eben nicht automatisch gut gemacht. "Der beste Fall ist, wenn die Unterstützung, die wir bekommen, auch mit der Unterstützung übereinstimmt, die wir erwarten", sagt Nikitin.

"Wenn wir zu viel Unterstützung bekommen, kann sich das negativ auf unseren Selbstwert auswirken."

Jana Nikitin

Zu wenig Unterstützung ist schlecht, zu viel aber auch. "Wenn wir zu viel Unterstützung bekommen, kann sich das negativ auf unseren Selbstwert auswirken", sagt Jana Nikitin. "Denn wenn wir das Gefühl haben, andere wollen uns unterstützen, obwohl wir glauben, dass wir das in dem Maße gar nicht brauchen, dann denken wir vielleicht, dass die anderen uns für schwächer halten, als wir das selbst tun." Doch wie sollte man stattdessen am besten vorgehen?

Richtig zuhören ist wichtig

Hier kann die Psychologin Gertraud Stadler weiterhelfen. Seit vielen Jahren forscht sie schon zu der Frage, welchen Einfluss das soziale Netzwerk auf Menschen hat. Sie empfiehlt, den Gegenüber einfach zu fragen: "Erzähl mir, was los ist, wie geht es dir?" Und dann: zuzuhören, richtig zuzuhören.

Wichtig dabei: bei der Sache bleiben, den Ausführungen des anderen folgen, sich selbst zurücknehmen. Zwischenfragen sind okay, vor allem, wenn sie signalisieren, dass man zuhört. Also: "Und was hat er dann gesagt?" oder "Und wie war das für dich?" Weniger okay sind Ratschläge. "In unseren Studien haben wir gesehen, dass viele Teilnehmer erst mal gar keine Hilfe wollen, wenn sie gestresst sind", sagt Stadler. "Sie wollen einfach nur Raum, einfach mal erzählen, was sie beschäftigt."

Anschließend kann man sachte Hilfsangebote machen. "Wenn man vorher gut zugehört hat, dann kann man oft schon besser einschätzen, was der andere wirklich braucht", sagt Stadler. "Es lohnt sich, selbst nach gutem Zuhören immer nachzufragen, wie dem Gegenüber zu helfen wäre." Responsiv sein, nennt die Berliner Forscherin das, wenn sie meint, dass man flexibel in der Situation darauf achtet, dass sich der andere verstanden, wertgeschätzt und umsorgt fühlt.

Ein paar Beispiele: "Fehlt Zeit, könnte man auf die Kinder aufpassen. Fehlen Informationen, kann man zusammen im Internet recherchieren. Und fehlt emotionale Unterstützung, kann man weiter zuhören und weiter nachfragen." Hat man trotz guten Zuhörens keine richtig gute Idee, wie dem Gegenüber zu helfen sei, könne man aber auch einfach nachfragen: Kann ich dich unterstützen? Welche Hilfe wünschst du dir?

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Jemandem zu helfen, fühlt sich auch für den Helfenden gut an

"In Beziehungen ist es aber immer auch wichtig, auf eine ausgewogene Balance zwischen Helfen und sich helfen lassen zu achten", sagt Stadler. Wird es zu einseitig, bekommt der, dem geholfen wird, womöglich noch ein schlechtes Gewissen obendrauf und es geht ihm, trotz Hilfe, nachher eher schlechter.

Die Wiener Forscherin Jana Nikitin rät sogar, aus der Not einfach eine Tugend zu machen: "Jemandem zu helfen, fühlt sich nämlich immer auch für den Helfenden sehr gut an. Wenn man es also so hinbekommt, dass die Person, der ich helfe, auch das Gefühl hat, dass sie mir irgendwie geholfen hat, ist das am allerbesten." Nach dem anfänglichen Zuhören könne man also auch sachte mal selbst die eine oder andere Sache erzählen. So könne man zeigen: "Ich habe Verständnis für das, was du sagst, und ich habe auch ein paar Schwierigkeiten, vielleicht können wir uns da gegenseitig helfen."

Dass sich helfen gut anfühlt, ist ja einer der Gründe, warum man selbst gerne hilft. Es ist schön, einem Freund, dem es schlecht geht, wieder auf die Beine geholfen zu haben. Genau deswegen muss man beim Helfen aber gut aufpassen – auf das, was der Gegenüber sagt, aber auch auf sich selbst. Wie schnell ist dann doch der Lösungsvorschlag geäußert, ein Tipp gegeben, gut gemeint natürlich, und trotzdem gilt hier das Sprichwort: Ein Ratschlag, das ist immer auch ein Schlag.

Zu den Personen:
Jana Nikitin ist Psychologie-Professorin und forscht an der Universität Wien zur Psychologie des Alterns.
Gertraud Stadler ist Psychologin und Professorin für geschlechtersensible Präventionsforschung an der Berliner Charité.
Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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