Gegen- statt miteinander: Recep Tayyip Erdogan geht lieber gegen Kontrahenten vor, als die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Derweil versinkt sein Land im Chaos. In der Türkei gibt es so viele Infizierte wie in kaum einem anderen Land weltweit.

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Kein Land außerhalb Europas und der USA beklagt so viele Infizierte mit dem Coronavirus wie die Türkei. Nach offiziellen Zahlen waren es am Montag 90.000 Fälle mit mehr als 2.100 Toten. Und das vermutlich, weil die Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdogan das Ausmaß der Krise lange heruntergespielt hat.

So ließen regierungsnahe Medien mitteilen, dass Türken aufgrund ihrer Gene immun gegen das Coronavirus seien. Oder das Gesundheitsministerium etwa sagte den Bürgern, das Virus würde nach höchstens zwei Monaten wieder von selbst verschwinden. Von Ausgangssperren und Kontaktverbot war lange keine Rede.

Coronakrise: Innenminister darf nicht zurücktreten

Doch nun musste die türkische Regierung feststellen: Das Coronavirus lässt sich nur mit harten Maßnahmen bekämpfen. Und so verhängte Erdogan immerhin eine viertägige weitgehende Ausgangssperre für 31 Städte und Provinzen, die in der Nacht zu Mittwoch begann und am kommenden Sonntag endet.

Lediglich in der Hauptstadt Ankara wurden bereits zahlreiche Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus erlassen. So gilt etwa eine weitgehende Ausgangssperre für Menschen unter 20, Personen ab 65 Jahren und chronisch Kranke.

Seit zwei Wochen herrscht zudem eine 48-stündige Ausgangssperre über die Wochenenden in den betroffenen 31 Städten. Doch brachte die Anordnung zunächst nur eines: Panik. Die Bürger strömten in die Supermärkte, um letzte Einkäufe zu machen - wodurch sich das Virus vermutlich weiter ausbreitete.

Innenminister Süleyman Soylu trat wenig später wegen der chaotischen Szenen zurück - zunächst. Er war nach den kurzfristig verhängten Ausgehverboten in die Kritik geraten. Die Maßnahme war erst zwei Stunden vor Beginn der Frist bekannt worden und das zunächst ohne Details. Erdogan lehnte das Gesuch seines Innenministers jedoch ab: Soylu bleibt im Amt.

Zögern aus Sorge um die Konjunktur

Doch wie kann es zu einem derartigen Missmanagement überhaupt kommen? Warum wehrte sich die Türkei vehement dagegen, Kontaktverbote und Ausgangssperren zu verhängen?

Die Antwort ist einfach: aus Sorge um die Konjunktur. Die türkische Wirtschaft steckt in der Krise. Die Arbeitslosigkeit und die Inflation waren vor dem Ausbruch des Coronavirus auf einem Rekordhoch. Ein Lockdown könnte den Niedergang beschleunigen, befürchtet die Regierung.

Und: weil Erdogan Erdogan ist. Der türkische Präsident verfolgt lieber seine Kontrahenten und kämpft gegen die Opposition, statt gemeinsam in der Krise zusammenzuarbeiten.

So leitete das Innenministerium kürzlich Ermittlungen gegen die Bürgermeister von Ankara und Istanbul, Mitglieder der Oppositionspartei CHP, ein. Ihnen wird vorgeworfen, Spendengelder im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus eingesammelt zu haben. Damit versuche man als "Staat im Staat" vorzugehen, kritisierte Erdogan. (msc)

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • spiegel.de: "Erdogan bleibt sich treu"
  • bild.de: "Wie Erdogan die Corona-Krise ausnutzt"
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