Der Ton zwischen Washington und Ankara wird schärfer. Von der zuletzt sich anbahnenden Männerfreundschaft zwischen Trump und Erdogan ist nach der Verhängung von US-Sanktionen gegen die Türkei nicht mehr viel übrig. Der Auslöser des Streits: Ein wegen Terrorvorwürfen in der Türkei verhafteter US-Pastor.

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"Ich mag den Kerl", soll Donald Trump laut "Süddeutsche Zeitung" noch beim Nato-Gipfel Mitte Juli über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gesagt haben.

Sogar per "fist bump", also Faust-auf-Faust statt Handschlag, sollen sich die beiden Staatschefs demnach begrüßt haben. Ganz wie alte Kumpels.

Da scheinen sich zwei gefunden zu haben - das war der Eindruck beim Treffen des größten Militärbündnisses der Welt.

Doch das ist Vergangenheit. Aktuell fliegen zwischen beiden Ländern verbal eher die Fäuste.

Der Ton verschärft sich

Nach den US-Sanktionen gegen zwei türkische Minister wegen eines in der Türkei festgehaltenen amerikanischen Pastors verschärft Ankara den Ton gegen Washington.

Der von den Sanktionen betroffene Innenminister Süleyman Soylu forderte Washington am Donnerstag mit der Erklärung heraus, die Türkei werde den als Putschverschwörer gesuchten islamischen Prediger Fethullah Gülen aus den USA "holen".

Die USA hatten am Mittwochabend Sanktionen gegen den türkischen Justizminister Abdülhamit Gül und Innenminister Soylu verhängt, weil sie "führende Rollen" im Fall des US-Pastors Andrew Brunson gespielt hätten. Durch die Sanktionen werden mögliche Vermögen der Minister in den USA eingefroren, außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen.

Türkischer Außenminister droht mit Vergeltung

Kurz nach der Entscheidung hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit Vergeltung gedroht, ließ aber zunächst offen, wie diese aussehen könnte. Die Sanktionen ließen das türkische Regierungslager und Teile der Opposition zusammenrücken.

Brunson war im Oktober 2016 - wenige Monate nach dem Putschversuch in der Türkei - in Izmir festgenommen und im darauffolgenden Dezember wegen Terrorvorwürfen verhaftet worden.

Vergangene Woche wandelte ein Gericht die Untersuchungshaft des 50-Jährigen wegen gesundheitlicher Probleme in Hausarrest um. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wies anschließend Medienberichte über etwaige Absprachen zwischen den USA und der Türkei zum Fall Brunson zurück.

Die Staatsanwaltschaft im westtürkischen Izmir wirft Brunson unter anderem Verbindungen zu Fethullah Gülen vor. Der in den USA lebende Kopf der Gülen-Bewegung (Fetö) ist nach Ansicht der Türkei Drahtzieher des Putschversuchs vom Juli 2016.

Soylu: "Wir haben in Amerika einen Besitz. Wir werden ihn holen!"

Soylu schrieb am Donnerstagmorgen auf Twitter, dass man sich aus den USA holen werde, was der Türkei gehöre. "Wir haben in Amerika einen Besitz: Fetö. Den werden wir nicht dort lassen. Wir werden ihn holen!"

Die Zeitung "Hürriyet" sprach von einer "skandalösen Entscheidung Washingtons", während die regierungskritische "Cumhuriyet" einen "historischen Bruch" in der Beziehung USA-Türkei sieht.

Wegen der Sanktionen stellten sich Teile der türkischen Opposition hinter die Regierungsallianz aus islamisch-konservativer AKP und ultranationalistischer MHP.

Opposition erklärt sich solidarisch mit Regierung

Am Donnerstagmorgen veröffentlichten AKP, MHP, die Mitte-Links Partei CHP und die nationalkonservative Iyi-Partei gemeinsam im Parlament eine Stellungnahme, in der sie die Sanktionen scharf kritisierten. Sie erklärten sich solidarisch mit allen Schritten, die die Regierung ergreifen werde. Die Minister seien in beispielloser Weise angegriffen worden, hieß es darin laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Wer diese Entscheidung getroffen habe, könne "äußerst ernste Probleme" zwischen den USA und der Türkei schaffen. Eine Sprecherin der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP im Parlament sagte der Deutschen Presse-Agentur, die AKP habe die HDP-Führung nicht gefragt, ob diese die Stellungnahme unterstützen wolle.

Verhaftungswelle in der Türkei

Nach dem Putschversuch wurden während des zwei Jahre andauernden Ausnahmezustands Zehntausende angebliche Gülen-Anhänger inhaftiert. Auch nach Ende des Notstands, der am 19. Juli ausgelaufen war, gingen die Verhaftungen in der Türkei weiter.

Am Donnerstag ordnete ein Gericht in Ankara nach Anadolu-Angabe die Festnahme von 27 hochrangigen Marinesoldaten an. Den Soldaten wird demnach vorgeworfen, mit Imamen der Gülen-Bewegung kommuniziert zu haben.

Türkische Lira bricht ein

Die türkische Lira brach nach Bekanntgabe der Sanktionen am Mittwochabend um 1,6 Prozent ein und notierte am Donnerstagmorgen bei 5,08 Lira zum Dollar. Sollte sich die Krise verschärfen, dürfte die Währung weiter unter Druck geraten, die bereits seit Monaten an Wert verliert.

Trotz der Talfahrt der Landeswährung Lira erwartet der türkische Finanzminister Berat Albayrak keine größeren Auswirkungen der US-Sanktionen auf die heimische Konjunktur.

Auch wenn die USA an dem "Fehler" festhielten, werde der Einfluss auf die türkische Wirtschaft "begrenzt" sein, erklärte Albayrak nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag in einer Stellungnahme. "Alle Versuche, in dieser Zeit mittels spekulativer Schritte ein negatives Klima auf den Märkten zu schaffen, werden erfolglos sein." Die türkische Wirtschaft werde in Zukunft "stabil und nachhaltig" wachsen. (szu/dpa/afp)

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