Gesundheitsminister Jens Spahn will in der Corona-Pandemie bei weiter steigenden Infiziertenzahlen unter Umständen bundesweit Fieberambulanzen einrichten. Aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist das nur bedingt sinnvoll.
Es ist ein Versuch, um die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie im Herbst zu bremsen: Bundesgesundheitsminister
Er setze darauf, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen solche zentralen Anlaufstellen für Patienten mit Atemwegssymptomen anbieten, sagte Spahn der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Diese Ambulanzen sollten im Herbst "idealerweise flächendeckend zugänglich sein".
Spahn: Nicht im Wartezimmer anstecken
Am Montag konkretisierte der CDU-Politiker die Pläne: "Es geht darum, eine Infrastruktur zu haben, die sicherstellt, dass nicht im Wartezimmer sich die Menschen untereinander anstecken. Das macht Sinn für Corona und auch bei der Grippe und einer möglichen Grippewelle."
Der CDU-Politiker sprach von "Schwerpunktsprechstunden", "Schwerpunktpraxen" und "regionalen Fieberambulanzen", an die sich Patienten mit entsprechenden Symptomen künftig wenden können sollen.
Doch was sind Fieberambulanzen überhaupt? Und was hält die Kassenärztliche Vereinigung selbst von Spahn Vorstoß?
Fieberambulanz als COVID-19-Zentrum
Fieberambulanzen sind in der Regel öffentlich bekanntgegebene Praxen. Das können bestehende Arztpraxen sein, gerade in Großstädten wurden allerdings zur Hochphase der Pandemie auch extra Einrichtungen geschaffen. In vielen Bundesländern werden diese COVID-19-Zentren genannt, wie etwa in Berlin.
Aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stellen Fieberambulanzen nur eine von vielen Möglichkeiten dar, um flächendeckend das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten. "Fieberambulanzen müssen regional vereinbart werden. In Ballungszentren sind diese sinnvoll, auf dem Land halte ich es nicht für das richtige Instrument, weil sowohl Personal als auch Patienten fehlen", sagte KBV-Sprecher Roland Stahl im Gespräch mit unserer Redaktion.
In Bayern alle Fieberambulanzen wieder abgebaut
Beispiel Bayern: Dessen Staatsregierung hatte Ende März im Rahmen ihres Notfallplans für die ärztliche Versorgung angekündigt, Corona-Schwerpunktpraxen in jedem Landkreis einzurichten. Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns bestätigte unserer Redaktion auf Nachfrage, dass dies auch passiert sei - zumindest zum Teil .
Denn ob es tatsächlich Fieberambulanzen in jedem der 71 Landkreise sowie 25 kreisfreien Städte des Freistaats gab, vermochte der Sprecher aufgrund des zeitlichen Abstands nicht mehr zu sagen.
Klar ist nur: Alle Fieberambulanzen wurden mit Aufhebung des Katastrophenfalls in Bayern Mitte Juni wieder abgebaut.
Kassenärzte sehen Praxen "gut vorbereitet"
In einer Pressemitteilung betonen KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen und KBV-Vize Stephan Hofmeister, die Arztpraxen seien "gut vorbereitet für die kommenden Wochen und das vermehrte Auftreten von Erkältungskrankheiten, grippalen Infekten und potenziellen COVID-19-Fällen".
Neben eigens eingerichteten Fieberambulanzen könnten auch Fiebersprechstunden, die bereits zum Einsatz gekommen sind, durch Haus-, Kinder- sowie Fachärzte jederzeit wieder eingerichtet werden. Vielerorts könnten zwischenzeitlich aufgelöste COVID-19-Zentren jederzeit wieder reaktiviert werden. "Außerdem können wir wieder Sondermaßnahmen wie Karenztage oder die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einführen", erklärte Hofmeister.
Eine flächendeckenden Einrichtung von Fieberambulanzen, so wie es sich Spahn vorstellt, wird nicht nur durch Kosten, sondern vor allem auch durch die Anzahl des verfügbaren medizinischen Personals beschränkt. Dieses werde Stahl zufolge vor allem von den niedergelassenen Ärzten gestellt. (afp/dpa/mf)
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