- Kanzlerin Merkel und die 16 Länderchefs haben den Teil-Lockdown verlängert und einige Corona-Regeln verschärft.
- Die Reaktionen von Medizinern und Patientenschützern sind kritisch.
- Ihnen gehen die Beschlüsse teilweise nicht weit genug, sie befürchten einen neuen Anstieg der Fallzahlen im Januar.
Der Intensivmediziner Uwe Janssens hat sich besorgt über die Lockerung der Kontaktbeschränkungen geäußert, auf die sich Bund und Länder für Weihnachten verständigt haben.
"Bei allem Verständnis für Weihnachten und Familienfeiern müssen wir leider befürchten, dass in der Folge der partiellen Aufhebung der Einschränkungen um Weihnachten im Januar die Infektionszahlen wieder ansteigen", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag).
Weihnachtsfeiern mit maximal zehn Menschen erlaubt
Weihnachten soll aber gefeiert werden können - im engsten Familien- und Freundeskreise mit maximal zehn Menschen, Kinder bis 14 Jahre ebenfalls nicht eingerechnet. Schleswig-Holstein hält an seinen eigenen Kontaktregelungen fest.
Janssens kritisierte "das ewige Auf und Ab der politisch getroffenen Entscheidungen". In der Intensivmedizin stehe man mittlerweile in einigen Regionen mit dem Rücken zur Wand.
Patientenschützer sorgen sich um Risikogruppen
Die von Bund und Ländern geplanten weiteren Maßnahmen in der Coronakrise schaffen aus Sicht von Patientenschützern zudem noch keine ausreichende Sicherheit für Risikogruppen.
Pflegebedürftige, Klinikpatienten, Angehörige und Personal würden weiterhin nicht mit täglichen Schnelltests zusätzlich geschützt, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur.
"Mit 30 Schnelltests pro Monat kann es nicht gelingen, das Virus dort zu stoppen, wo es am härtesten zuschlägt." Zudem werde die Wirkung des Teil-Lockdowns erheblich geschmälert.
Ab 1. Dezember sollen je Pflegebedürftigem 30 Schnelltests pro Monat möglich sein, wie aus dem am Mittwochabend gefassten Beschluss (PDF, 142 kb)hervorgeht. Je nach Verfügbarkeit solle dieser Anspruch dann schrittweise erhöht werden. In Pflegeheimen sind bisher bis zu 20 Tests pro Monat und Bewohner möglich. Einrichtungen müssen dazu Test-Konzepte erstellen.
"Düsteres Weihnachtsfest für Pflegebedürftige und Schwerstkranke"
"Für pflegebedürftige, chronisch und schwerstkranke Menschen wird es wohl ein düsteres Weihnachtsfest", sagte Brysch. Hygienegrundschutz und klassische PCR-Test bräuchten die Ergänzung durch Schnelltests, sonst sei Einsamkeit in Heimen und Krankenhäusern programmiert.
Ungeklärt sei auch, wie Schnelltests Schutzbedürftige und Helfer unverzüglich erreichen sollen. Angehörige, Dienste und Einrichtungen könnten die Mammutaufgabe personell und finanziell nicht aus eigener Kraft stemmen - zumal drei Millionen Pflegebedürftige daheim lebten. Nötig seien unkonventionelle Wege. "Neben der Bundeswehr stehen auch hunderttausende Freiwillige der Sanitätsdienste bereit, um im Katastrophenfall zu unterstützen", schlug Brysch vor.
Weihnachtslockerung gut für die Akzeptanz der Maßnahmen?
Aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist die Ausweitung von Beschränkungen in der Coronakrise ein notwendiger Schritt, damit die Kliniken nicht überlastet werden.
"Wir werden im Laufe des Dezember voraussichtlich 5.000 bis 6.000 Intensivpatienten haben, die Situation ist angespannt, aber noch beherrschbar. Deshalb begrüßen wir sehr, dass nicht vorzeitig und voreilig gelockert wird", sagte Präsident Gerald Gaß der Deutschen Presse-Agentur.
Der Lockdown habe zwar den rasanten Anstieg der Infektionszahlen gebrochen. "Wir sind aber weiterhin auf hohem Niveau", so Gaß.
Mit Blick auf die Festtage Ende Dezember sagte Gaß: "Die Lockerungen zu Weihnachten sind sicherlich ein gutes Zeichen, um die breite Akzeptanz der Einschränkungen zu erhalten." Er glaube auch, "dass die Menschen so verantwortungsvoll handeln, dass die Feiertage nicht völlig unkontrolliert verlaufen und damit all das, was wir durch den Lockdown erreicht haben, wieder konterkarieren".
Kommunen beklagen fehlende Weitsicht
Städtetagspräsident Burkhard Jung hat mangelnde Weitsicht bei den Beschlüssen von Bund und Ländern beklagt. "Wir hätten uns in den Städten Klarheit für einen etwas längeren Zeitraum gewünscht", sagte der Leipziger Oberbürgermeister den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Die Menschen bräuchten eine Perspektive.
Es schmerze, dass der Teil-Lockdown fortgesetzt werden müsse, sagte der SPD-Politiker, die Corona-Lage lasse aber "derzeit nichts anderes zu". Er hoffe, "dass nach Beginn der Impfungen erste bundesweite Lockerungen möglich werden, sobald es das Infektionsgeschehen zulässt".
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält die Verlängerung des "Lockdown light" für eine richtige Maßnahme, spricht aber zugleich von einer "schweren" Einschränkung für die Menschen. Bund, Länder und Kommunen müssten immer wieder die Regeln und deren Anpassung je nach Infektionsgeschehen erklären und für Akzeptanz und Verständnis werben, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post" (Donnerstagsausgabe). "Ohne die Zustimmung der Mehrheit der Menschen verlieren wir den Kampf gegen die Pandemie." (hub/dpa)
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