Im Netz kursiert aktuell die Behauptung, das Bundesfinanzministerium "rechne" bereits mit einem Lockdown bis Juni. Das belegten angeblich Grafiken des Ministeriums. Die stellen allerdings etwas ganz Anderes dar, wie eine Recherche von CORRECTIV.Faktencheck zeigt.

Diese Kolumne stellt die Sicht von CORRECTIV.Faktencheck - Fakten für die Demokratie und Till Eckert dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Maßnahmen der Bundesregierung im Kampf gegen das Coronavirus sind für viele Menschen aktuell Dauerbrenner-Thema. Die Schließungen von Geschäften und Restaurants zusammen mit Kontaktbeschränkungen, also der "Lockdown", zehren an den Kräften. Inmitten dieser spannungsgeladenen Zeit machen Webseiten mit Spekulationen und irreführenden Behauptungen Stimmung: So soll das Bundesfinanzministerium (BMF) angeblich längst schon mit einem Lockdown bis Juni 2021 kalkulieren.

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Belegen sollen das angeblich Grafiken des BMF, für Verwirrung sorgt dabei offenbar vor allem das Wort "Schließung" in Verbindung mit der Angabe des Zeitraums Januar bis Juni.

CORRECTIV.Faktencheck hat das geprüft. Das Ergebnis: Die Grafiken haben nichts mit einem geplanten Lockdown zu tun. Stattdessen sollen sie eine Übersicht geben, bis wann welche Unternehmen Überbrückungshilfen für ihren Umsatzrückgang beantragen können.

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Mit "Schließung" ist nicht Lockdown gemeint

So ist von Juni 2021 die Rede, weil das BMF die Überbrückungshilfen für Unternehmen im vergangenen November bis zu diesem Monat ausweitete und um die sogenannte Überbrückungshilfe III erweiterte.

Das Ministerium schreibt dazu auf seiner Webseite: "Sie [die Überbrückungshilfe III] steht einerseits für den Monat Dezember den seit dem 16. Dezember bundesweit geschlossenen Unternehmen zur Verfügung. Ab Januar 2021 gilt sie für alle Unternehmen, die von staatlichen Schließungsanordnungen betroffen sind – also sowohl für die jetzt im Dezember neu bundesweit geschlossenen Unternehmen wie auch für diejenigen, die im November oder Dezember die ‘November’- bzw. ‘Dezemberhilfe’ erhalten haben."

Gegenüber CORRECTIV.Faktencheck sagte ein Sprecher des Ministeriums: "Der Förderzeitraum der Überbrückungshilfe III umfasst grundsätzlich den Zeitraum von Januar bis Juni 2021, daher wird in der Grafik dieser Zeitraum genannt."

Grafiken stellen dar, wann welche Unternehmen Überbrückungshilfen beantragen können

Unter dem Begriff "Schließung" sollen die Unternehmen zusammengefasst werden, die von Schließungen betroffen waren oder noch betroffen sein könnten. Der BMF-Sprecher dazu: "Sollte es 2021 zu bundesweiten Schließungen weiterer Branchen kommen, wären auch diese Unternehmen im jeweiligen Schließungsmonat antragsberechtigt."

Aus der Grafik des Ministeriums lässt sich also nicht ableiten, dass ein Lockdown bis Juni geplant sei. Es wird lediglich davon ausgegangen, dass es zu erneuten Schließungen kommen könnte. Zwischenzeitlich änderte das Ministerium die Formulierung in der Grafik. Dort ist nun "Bei Schließung" zu lesen.

Die Faktenchecker von BR Faktenfuchs recherchierten ebenfalls zum Thema und erhielten von einem Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums folgendes Statement: "Die Hilfen knüpfen dabei allein an einen Umsatzrückgang an, unabhängig von der Frage, ob es konkrete Schließungsanordnungen gibt."

Daraus wird deutlich, dass die Übergangshilfen sich in erster Linie an Umsatzrückgängen ausrichten – nicht an Schließungen an sich. Das galt so auch im Sommer 2020, als es keine bundesweiten Schließungen gab. Berechtigt sind zudem auch Unternehmen, die lediglich "indirekt" von Schließungen betroffen sind. Laut Ministerium sind das Firmen, deren Umsätze zu mehr als 80 Prozent von geschlossenen Unternehmen kommen; also beispielsweise eine Wäscherei, die hauptsächlich für ab November geschlossene Hotels arbeitet.

Die Hilfen seien laut Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums verlängert worden, weil Ende 2020 "abzusehen war, dass sich die wirtschaftlichen Auswirkungen im Jahr 2021 fortsetzen werden". Um Prognosen zu möglichen Lockdowns geht es in den Grafiken also nicht – sondern um eine Übersicht, wann Unternehmen Überbrückungshilfen beantragen können.

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