Ein Besuch des Stuttgarter Frühlingsfests sorgt bei vielen Gästen für Magen-Darm-Beschwerden: Erbrechen, Durchfall, Übelkeit. Alle Patienten haben eine weitere Gemeinsamkeit.

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Die Besucher des Stuttgarter Frühlingsfests sind vereinzelt verunsichert. "Wir würden ungern krank vom Wasen zurückkommen", sagte eine junge Frau, die auf dem Festgelände unterwegs war. Der Grund: Nach dem Besuch leiden deutlich mehr als 400 Menschen unter Magen-Darm-Beschwerden - bei vier Erkrankten sind Noroviren nachgewiesen worden.

Ein Sprecher der Kommune sagte, man gehe bei den Betroffenen von einer hohen Dunkelziffer aus, weil die Infektion sicherlich innerhalb der Familie weitergegeben werde.

Alle Betroffenen im selben Festzelt

Alle Betroffenen hätten am Wochenende dasselbe Festzelt besucht und danach über Erbrechen, Übelkeit und Durchfall geklagt, teilten die Behörden mit. Die Stadt sprach von einem größeren Ausbruchsgeschehen. Man habe Hinweise auf einige Hundert Magen‐Darm‐Erkrankungen erhalten.

Der Betreiber des betroffenen Zeltes "Göckelesmaier", Karl Maier, vermutete der "Heilbronner Stimme" zufolge, dass die Norovirus-Infektion auf Gäste zurückgeht. "Offensichtlich hat uns da jemand das Norovirus mitgebracht", sagte Maier der Zeitung. Eine infizierte Gruppe oder mehrere infizierte Menschen hätten am Samstag das Zelt besucht und andere Besucher angesteckt. Laut Maier fand die Infektionswelle am Samstag statt, seither "sind keine Fälle dazugekommen".

Bei der Hygiene und beim Essen habe es zu keiner Zeit Beanstandungen gegeben, so Maier gegenüber der Zeitung weiter. "Wir werden auf das Strengste kontrolliert." Die Stadt stehe mit Maier in Kontakt und habe die Hygienemaßnahmen bereits verschärft. "Was in unserer Macht steht, tun wir", wurde der Festwirt weiter zitiert. Das Zelt darf aber geöffnet bleiben, wie ein Stadtsprecher mitteilte. Der Betreiber sei sehr kooperativ.

Karl Maier sagte den "Stuttgarter Nachrichten" und "Stuttgarter Zeitung" (Donnerstag): "Wir hatten alle Abläufe gewissenhaft kontrolliert" - und fügte hinzu, "nach den Verdachtsfällen noch mehr als zuvor." Seit Tagen seien keine Krankheitsfälle mehr gemeldet worden. Es habe keine Stornierungen gegeben.

Auch Mitarbeitende des Festzelts betroffen

Nach Angaben des Sozialministeriums wurden bei vier Erkrankten inzwischen Noroviren in Stuhlproben festgestellt. Das Landesgesundheitsamt sei bereits im engen fachlichen Austausch mit dem Gesundheitsamt Stuttgart. Derzeit würden Stuhlproben von Erkrankten im Labor des Landesgesundheitsamtes auf Darm-Erreger untersucht. Das Landesgesundheitsamt stehe auch in enger Verbindung mit den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern Stuttgart (CVUA). Dort seien Untersuchungen von Lebensmittelproben angelaufen. Über das Landesgesundheitsamt würden alle Gesundheitsämter im Südwesten und das Robert Koch-Institut über das Ausbruchsgeschehen informiert, teilte das Sozialministerium weiter mit.

Die Symptome sprächen für eine virale Erkrankung, hatte die Stadt zuvor erklärt. Es verdichteten sich die Hinweise, dass es sich um das Norovirus handle. Unter den Betroffenen seien sowohl Besucher des Festes als auch Bedienstete des betroffenen Zeltes.

Lebensmittel im Festzelt waren nicht der Auslöser

Die Lebensmittelüberwachung und das Gesundheitsamt seien sofort nach Eintreffen der ersten Meldungen vor Ort gewesen und hätten in dem Zelt die Hygiene überprüft und Proben der Lebensmittel genommen.

Die Lebensmittel, die in dem Festzelt serviert wurden, haben das Virus wohl nicht verbreitet. Denn: Bei Proben von Essen, Besteck oder auch von Tellern wurde das Virus demnach nicht gefunden. Es werde davon ausgegangen, dass es die Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt sei. Das sofortige Einschreiten der Lebensmittelüberwachung und des Gesundheitsamtes habe eine weitere Ausbreitung verhindert. Der Betreiber des betroffenen Festzeltes tue alles, um die Hygiene zu gewährleisten. Es gebe eine tägliche Grundreinigung, und es werde alles unternommen, um ein Wiederauftreten des Virus zu verhindern.

Norovirus gilt als besonders ansteckend

Viele Menschen auf engem Raum in einem Festzelt sind nach Angaben eines Experten perfekte Bedingungen für die Verbreitung von Keimen - auch für Noroviren. "Das geht ziemlich schnell, das lehrt uns die Erfahrung", sagte Mediziner Manfred Schmid. Ihm zufolge wird das Virus über Berührungen und Speichel übertragen. "Also wenn man gemeinsame Gegenstände berührt, aus dem gleichen Glas trinkt und das gleiche Geschirr benutzt." Was in einem Festzelt auf der Bierbank öfter mal passiere. Desinfektionstücher seien da nur bedingt hilfreich, weil man ständig alles abwischen müsse.

Noroviren verursachen Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, sind sehr ansteckend und verbreiten sich rasend schnell - besonders an Orten, an denen viele Menschen zusammenkommen, etwa in Kindergärten, Altenheimen oder Krankenhäusern. Eine Infektion verläuft meist kurz und heftig. Betroffene fühlen sich schwach, haben oft Bauch-, Kopf- und Gliederschmerzen, manchmal leichtes Fieber.

Norovirus-Ausbrüche in großem Stile gebe es immer wieder. In Pflegeheimen seien bei einem Ausbruch häufig innerhalb von zwei Tagen ganze Stationen betroffen. Auch auf Kreuzfahrten werden große Ausbrüche beobachtet. Die Inkubationszeit betrage ein bis zwei Tage.

Die Stadt Stuttgart hatte den Betroffenen geraten, sich an das Gesundheitsamt und ihren Hausarzt zu wenden. Erkrankte sollten die empfohlenen Hygienemaßnahmen beachten, um die weitere Ausbreitung zu unterbinden. Das Zelt darf geöffnet bleiben, wie ein Stadtsprecher mitgeteilt hatte. Der Betreiber sei sehr kooperativ.

Etwas mehr Patienten im Klinikum Stuttgart

Ein Sprecher des Klinikums Stuttgart sagte, am Wochenende habe es ein leicht erhöhtes Aufkommen von Patienten mit Bauchschmerzen in der Notaufnahme gegeben. Von den Patienten wisse man vereinzelt, dass sie das Frühlingsfest besucht hätten. Alle Patienten seien nur ambulant behandelt worden.

Das 84. Stuttgarter Frühlingsfest hat am Samstag mit dem traditionellen Fassanstich begonnen. An 23 Tagen haben die Schausteller ihre Fahrgeschäfte, Buden und Imbisse geöffnet, in den Festzelten wird ausgeschenkt und aufgespielt. Die Veranstalter sind zurückhaltend und erwarten nach eigenen Angaben mehr als eine Million Besucher. "Wir sind eine Open-Air-Veranstaltung und vom Wetter abhängig", teilte die in.stuttgart Veranstaltungsgesellschaft im Vorfeld mit. Im vergangenen Jahr waren 1,4 Millionen Menschen gezählt worden, es war eines der bestbesuchten Frühlingsfeste der vergangenen Jahrzehnte. (dpa/phs/aks)

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