Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB und der Absage des Champions-League-Spiels von Borussia Dortmund gegen den AS Monaco am Dienstag soll schnell wieder Normalität einkehren. Deswegen muss die Mannschaft heute Abend wieder auf den Platz. Wie können die Spieler nach diesem Schock damit umgehen? Wir haben mit dem Sportpsychologen Professor Jürgen Beckmann gesprochen.

Ein Interview

Professor Beckmann, ist es die richtige Entscheidung, dass die Spieler heute Abend gleich wieder aufs Spielfeld müssen?

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Jürgen Beckmann: Das ist eine schwierige Situation. Die Spieler werden unterschiedlich mit dem Ereignis umgehen und damit fertig werden. Es ist schwierig, dass Marc Bartra ausfällt, das ist eine Schwächung des Teams, die an sich schon Probleme bereitet.

Es wird aber auch Spieler geben, die so fokussiert sind, dass sie davon nicht beeinträchtigt sind. Generell wird es sicher einige Spieler geben, die, wenn sie wieder im Bus sitzen, das ganze Szenario vor Augen haben.

Das ist ein Anpassungsproblem, das viele haben werden - je nach Persönlichkeit. Das ist für die Spieler sehr belastend.

Wie werden die Spieler auf die Situation reagieren?

Nach den Ereignissen werden sich manche Spieler so fühlen, als hätten sie die Situation nicht im Griff und könnten sie nicht kontrollieren. Ein Spieler, der zum sogenannten katastrophisierenden Denken neigt, fragt sich dann auch "Wie sicher bin ich, wenn ich ins Stadion komme, wie sicher bin ich auf dem Spielfeld?". Solche Menschen sind noch einmal extra belastet und werden nicht frei aufspielen können.

Wie kann man so ein Ereignis als Team verarbeiten?

Man kann das Ereignis angehen, versuchen sich insgesamt mit der Situation auseinandersetzen und zu sehen, dass man für sich selbst versucht, mit den Ereignissen zurecht zu kommen. Sportpsychologen werden heute auch sicher das Team des BVB unterstützen. Allerdings sind die Ereignisse noch extrem frisch - das macht den Umgang damit nochmal schwierig.

Wie kann ein Sportpsychologe in so einer Situation helfen?

Der Psychologe muss versuchen, das Gespräch in einer richtigen Art und Weise zu führen. Es wäre falsch zu sagen "Kommt Jungs, das haken wir ab, wir gehen aufs Spielfeld und halten mit unserer Leistung dagegen" - das funktioniert natürlich nicht. Wir haben hier eine emotionale Betroffenheit und der muss man Raum geben.

Wenn man versucht, sie zu unterdrücken, kommt die Betroffenheit immer wieder hoch. Man muss den Spielern Raum geben, sich damit auseinanderzusetzen.

Werden die Spieler auch an langfristigen Schäden leiden?

Das kann ich schlecht beurteilen, es ist natürlich denkbar, besonders wenn wir an Bartra denken, der eine OP über sich ergehen lassen musste. In so einer Situation fühlt man sich sehr verletzlich und machtlos, das kann natürlich Probleme nach sich ziehen. Das ist genau wie wenn jemand in einen Verkehrsunfall verwickelt wird. Da stecken Dinge im Unterbewusstsein, die dann wieder hochkommen können.

Kann man die volle Leistung von den Spielern heute erwarten?

Das wird sehr unterschiedlich sein. Bei einigen Spielern wird man keinen Unterschied bemerken. Spieler, die sensibler sind, mehr zum Grübeln neigen - für die wird es schwieriger werden, sich wirklich auf das Spiel zu konzentrieren.

Professor Jürgen Beckmann leitet den Lehrstuhl für Sportpsychologie der TU München.
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