Seit fast zwei Wochen erschüttern zahlreiche Erdbeben die Ägäis rund um die Urlaubsinsel Santorini. Uneinigkeit herrscht darüber, ob es noch zu einem großen Hauptbeben kommen wird. Nun haben Experten vulkanische Aktivität registriert.
Wissenschaftler haben beim Vulkan der Urlaubsinsel Santorini Aktivität festgestellt. "Es gibt eine leichte seismisch-vulkanische Erregung", sagte Geologe Dimitris Papazachos bei einer Krisensitzung des griechischen Bürgerschutzministeriums anlässlich der unheimlichen Erdbebenserie in der Region. Diese seien jedoch nicht ursächlich für die anhaltenden Erdbeben, wegen derer mittlerweile gut zwei Drittel der Inselbewohner aufs Festland geflohen sind.
Zu der Erdbebenserie, die seit fast zwei Wochen unablässig die Inseln Santorini, Ios, Amorgos und Anafi erschüttert, gibt es weit auseinanderklaffende Ansichten der Experten. Der Seismologe Akis Tselentis etwa vertrat zuletzt in griechischen Medien die Ansicht, die Erdbeben seien auch durch die Vulkane bedingt. Die Geologin Evi Nomikou von der Athener Uni widerspricht: Die Erdbeben hätten tektonische Ursachen, sagte sie bei der Krisensitzung. Offen blieb, ob umgekehrt die zahlreichen Erdbeben Ursache für die nun festgestellte Aktivität des Vulkans sein könnten.
Ruhe bewahren, Anweisungen befolgen
Wegen der andauernden Erdbebenserie nordöstlich der Ferieninsel Santorini haben mittlerweile zwei Drittel der rund 16.000 Einwohner die Insel verlassen. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat die Bewohner dazu aufgerufen, Ruhe zu bewahren und unbedingt den Anweisungen der Behörden zu folgen. Aus Sorge vor Plündereien werden die leeren Gassen der Ortschaften verstärkt von der Polizei kontrolliert, berichtete der Nachrichtensender ERTnews.
Das Ministerium für Bürgerschutz verstärkte derweil die Einsatzkräfte auf den betroffenen Inseln. Feuerwehrleute, aber auch Rettungskräfte mit Suchhunden sind vor Ort, ebenso Mitarbeiter der Elektrizitätswerke, die im Falle eines Stromausfalls nach einem starken Beben große Generatoren betreiben können.
Mögliche Szenarien
Weiterhin bebt die Erde im Minuten- bis Viertelstundentakt. Experten weisen auf unterschiedliche Prognosen zu einem möglichen Ende des Phänomens hin. Folgende Varianten werden diskutiert:
- Es ereignet sich ein Hauptbeben der Stärke 6 und mehr, wodurch sich die aufgebaute Spannung abbaut und langsam aber sicher Ruhe einkehrt.
- Die Erdbebenserie dauert wochen- oder sogar monatelang an und klingt irgendwann einfach langsam ab.
- Die Erdbebenserie mündet in einen gewaltigen Stoß der Stärke 7 und mehr - die Folge wären Tsunamis, schwere Schäden und womöglich Tote.
- Die ständigen Erdbeben wecken die zwei großen Vulkane der Region und es kommt zu Vulkanausbrüchen. Die Auswirkungen hängen dann davon ab, wie stark solch ein Ausbruch wäre.
Eins haben die verschiedenen Szenarien gemein: Niemand kann verbindlich sagen, wann sie eintreten.
Nicht alle flüchten
Trotz der unterschiedlichen Prognosen entscheiden sich nicht alle Bewohner, die Inseln zu verlassen. Einer von ihnen ist Vangelis Beltzenitis. Seine Frau und seine Kinder hat er aufs Festland geschickt, er aber bleibt.
"Wenn es so dröhnt, dann weißt du, gleich bebt es - aber du weißt nicht, wie stark", sagt Beltzenitis. Als ermüdend und nervtötend beschreibt der 55 Jahre alte Fotograf die Situation. Immerhin ist Beltzenitis selbst ruhiger, seit er seine Frau und seine beiden Kinder zur Familie aufs Festland geschickt hat. "Unser Haus ist erst acht Jahre alt, wir haben es selbst gebaut und sämtliche Erdbebenvorkehrungen getroffen." Dennoch: Was, wenn seinem acht Monate alten Baby auch nur ein Stück Putz auf den Kopf fällt? "In so einer Situation riskiert man nichts."
Einwohner wollen Hab und Gut nicht zurücklassen
Tausende Inselbewohner - vor allem Frauen, Kinder und Alte - sind in den vergangenen Tagen aufs Festland geflohen. Aber viele Männer bleiben. Warum?
"Es ist nicht so, dass man konstant in Panik lebt", erklärt Beltzenitis. Es sei einfach anstrengend: "Du sitzt abends auf dem Sofa und willst entspannen, schon kommt wieder ein Grollen und es bebt." Viele Einwohner wollten ihr Hab und Gut nicht alleine lassen. "Wenn wir alle gehen, beginnt es mit den Plünderungen." Schon jetzt patrouilliert die Polizei verstärkt in den leeren Gassen der Ortschaften.
Weil niemand die Dauer des Phänomens oder auch die Stärke eines möglichen Hauptbebens vorhersagen kann, ist die psychische Belastung groß. "Am schlimmsten wäre ein Vulkanausbruch - das wäre dann eine ganz andere Hausnummer", sagt Beltzenitis. Sorgen machen die Menschen sich aber auch um den Tourismus, falls die Beben andauern sollten. In der Hinsicht hat der 55-Jährige Glück: Er fotografiert Hochzeiten, hat aber viele Aufträge aus Italien und Spanien, sodass er nicht auf den Inselsommer angewiesen ist. (dpa/bearbeitet von skr)
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