Ein versuchter Terroranschlag? Menschliches Versagen? Oder ein technischer Defekt? Noch immer bleibt der Absturz einer Helios Airways Maschine am 14. August 2005 eines der rätselhaftesten Unglücke in der Geschichte der Luftfahrt. Warum zerschellte das Flugzeug an einem Hügel bei Athen?

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Als die Boeing 737 der Helios Airways an jenem Sonntag in Zypern abhebt, deutet nichts auf eine Katastrophe hin. Niemand ahnt, dass schon Minuten nach dem Start der Funkkontakt abbrechen wird. Dass das Flugzeug später über Athen kreist, F-16 Kampfjets aufsteigen und die griechische Regierung mit einem Terroranschlag rechnet. Und dass der Flieger schließlich abrupt seinen Kurs ändert und an einem Hügel nahe Athen zerschellt.

Noch heute ist der Absturz vom 14. August 2005 mit 121 Toten einer der schlimmsten Unfälle der europäischen Luftfahrt – und einer der geheimnisvollsten. Helios Flug 522 geht als Geisterflug in die Geschichte ein. "Es war ein sicherer Flug in den Tod", zitierte die griechische Zeitung "Kathimerini" aus dem Abschlussbericht der Ermittler. Wir zeichnen das Unglück nach, bei dem noch immer vieles ungeklärt ist.

Ein bewusstloser Copilot – und ein Unbekannter im Cockpit

Es ist 09:07 Uhr, als die Helios-Maschine den Flughafen Larnaka auf Zypern verlässt. Mitten im August herrscht Hochsaison für Urlauber, an Bord sind viele Familien und 22 Kinder. Doch schon drei Minuten nach dem Start ist klar, dass dies keine gewöhnliche Kurzstrecke nach Athen wird. Etwas stimmt nicht mit dem Flugzeug, der deutsche Kapitän Hans-Jürgen Merten meldet der Bodenkontrolle ein Problem mit dem Kühlsystem. Jedoch erhält er nur die Anweisung zurück, auf 10.400 Meter Reiseflughöhe zu steigen. Kurze Zeit später bricht der Funkkontakt ab.

Es bleibt die letzte Kommunikation zwischen Flug 522 und dem Boden. Auch als der Flieger später im Autopilot über dem Athener Flughafen seine Warteschleifen zieht, antwortet an Bord niemand mehr. Nach mehr als einer Stunde beschließt die griechische Regierung zu handeln. Sie schickt zwei F-16 Kampfjets in die Luft, um Kontakt mit der Maschine aufzunehmen. Doch was die Piloten dann berichten, versetzt die Sicherheitsbehörden in helle Aufruhr: Die Passiere tragen Sauerstoffmasken, der Copilot ist über den Armaturen zusammengesunken, vom Piloten fehlt jede Spur – und im Cockpit hantiert eine unbekannte Person mit dem Steuer.

Regierung fürchtet einen Terroranschlag

Die Regierung fürchtet das Schlimmste: Wurde das Flugzeug entführt? Droht ein europäischer 11. September? "Unsere Quelle in der Regierung sagte, dass es ein Terroranschlag sei. Denn die Piloten der F-16-Jets, die direkt neben der Boeing flogen, sahen eine maskierte Person im Cockpit", erzählte der Fernsehreporter Paris Karvounopoulus später in einer Reportage. Was sollte die Luftwaffe also jetzt tun?

Diese Entscheidung muss sie nicht mehr fällen. Als Minuten später der Treibstoff zu Ende geht, fallen die Triebwerke nacheinander aus. Das Flugzeug steuert auf einen Hügel nahe Athen zu geht darin in Flammen auf. Alle Menschen an Board sterben.

Zur gleichen Zeit bricht Chaos in Athen und Larnaka aus. Angehörige strömen zu den Flughäfen und fragen, was passiert sei. Doch die Behörden wissen es nicht. "Alle schrien durcheinander, niemand konnte helfen", erinnert sich Artemis Charalambou, die Mutter des zyprischen Copiloten. Sofort beginnen Gerüchte die Runde zu machen: Die beiden F-16 hätten das Flugzeug abgeschossen lautet eine Verschwörungstheorie, die sich heute noch immer hartnäckig hält. Die Luftwaffe widerspricht umgehend. Aber warum stürzte Helios 522 tatsächlich ab? Was ging an Bord vor sich?

Eine fatale Kette von Fehlern

Nach allem was heute aus den Berichten der Ermittler bekannt ist, begannen die Probleme des Geisterflugs schon lange vor dem Start. Offenbar hatte ein Wartungsingenieur einen wichtigen Schalter auf "manuell" belassen und nicht auf "automatisch" gestellt. Die Piloten bemerkten dies weder bei ihren Checks vor dem Start noch in der Luft, als entsprechende Warntöne erklangen. Eine fatale Fehlerkette.

Denn der Schalter regelt das Ventil, das für den Druck an Board zuständig ist. Da er auf "manuell" stand, konnte das System den Druck nicht regulieren. Die Luft wurde immer dünner, Sauerstoffmasken fielen von der Decke. In solchen Fällen reicht der Sauerstoff jedoch stets nur für zehn bis 15 Minuten.

Eigentlich hätten die Piloten den Fehler mit einem einfachen Dreh auf "automatisch" beheben können. Doch vermutlich zeigte der Sauerstoffmangel bereits Wirkung und sie vermochten die entsprechenden Warnungen im Cockpit nicht mehr zuzuordnen: Bekommt das Gehirn nicht mehr genügend Sauerstoff, lassen auch die mentalen Fähigkeiten nach. Bei dieser Hypoxie wird man immer schläfriger, verliert allmählich das Bewusstsein und stirbt schließlich irgendwann. Das erklärt auch die Beobachtung der Kampfpiloten, dass der Copilot bewusstlos über den Armaturen lag. Wie sich später herausstellte, war auch der Pilot im Cockpit zusammengebrochen.

Nur ein Mann versuchte anscheinend der Hypoxie mit einer mobilen Sauerstoffflasche zu trotzen: ein 25-jähriger Steward, der selbst bereits Flugerfahrung gesammelt hatte. Sein Blut wurde später im Cockpit gefunden; er könnte die Gestalt gewesen sein, die nur Minuten vor dem Aufprall verzweifelt den Autopilot deaktivierte, um das Flugzeug notzulanden und zwei Mal den Notruf "Mayday" absetzte.

Viele Fragen bleiben wohl für immer offen

Wie im Fall des Mannes im Cockpit konnten die Ermittler im Laufe der Zeit viele Details zum Absturz klären. Auch dass die Menschen an Board tatsächlich durch den Aufprall starben. "Die Passagiere lebten noch beim Absturz, ihre Herzen und Lungen arbeiteten bis zum Zeitpunkt des Todes", erklärte der Gerichtmediziner Philipos Koutsaftis. Doch ebenso viele Fragen bleiben bis heute ungeklärt:

Wie konnten Pilot und Copilot den falsch gestellten Schalter bereits am Boden übersehen? Warum reagierten sie nicht auf den Warnton zum Druckabfall, zeigten ihnen die Instrumente möglicherweise widersprüchliche Daten an? Warum benutzten sie nicht ihre Sauerstoffflaschen? Und warum konnte der junge Steward so lange bei Bewusstsein bleiben, aber erst Minuten vor dem Absturz ins Cockpit gelangen?

Auf viele dieser Fragen wird es vermutlich nie eine Antwort geben. Doch je geheimnisvoller der Absturz bleibt, umso mehr Spekulationen heizt er auch bei anderen Katastrophen an – etwa der verschwundenen MH370-Boeing von Malaysian Airlines: Könnte es auch dort zu einem ähnlichen Druckabfall gekommen sein? Gerade erst wurde ein Wrackteil der Maschine zugeordnet. Vielleicht ist zumindest in diesem Fall irgendwann möglich, was bei Helios 522 nie gelang: das Rätsel um den Geisterflug vollständig zu lösen.

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