Der Polizist Christian Bültemann hat gesehen, wie ein 29-Jähriger am Montag mit einem Auto durch den Karnevalsumzug im hessischen Volkmarsen raste. 52 Menschen wurden verletzt, darunter viele Kinder. Unsere Redaktion veröffentlicht seinen Augenzeugenbericht.
Christian Bültemann ist seit mehr als 30 Jahren Polizist. Was er am Montag erlebte, haben aber sowohl er selbst als auch die allermeisten seiner Kollegen noch nie gesehen. Bültemann filmte und fotografierte privat beim Karneval im hessischen Volkmarsen, als ein Autofahrer durch den Umzug und durch die Zuschauermenge "pflügte", wie er es ausdrückt.
"Ich bin ihm gerade so von der Schippe gesprungen", sagt Bültemann im Gespräch mit unserer Redaktion. Denn der 29 Jahre alte Fahrer sei nur knapp an ihm vorbeigerast. "Gerade an dieser Stelle standen die Menschen sehr dicht", erinnert sich Bültemann.
Für seine private Website "nordhessen-journal.de" hat Bültemann einen Augenzeugenbricht verfasst, den wir mit seiner Genehmigung hier in Auszügen veröffentlichen:
Augenzeugenbericht eines Polizisten in Volkmarsen
"Es ist schon komisch. Da knallt ein Wahnsinniger nur 150 Zentimeter an mir vorbei, weil ich auf einer Verkehrsinsel stand und die wollte er ja nicht treffen, sondern möglichst viele Menschen – also weicht er dieser aus. Sonst wäre ich dran gewesen am heutigen Rosenmontag – komisches Gefühl sowas.
Ja, ich stand am heutigen Tag in Volkmarsen auf dem Steinweg, Ecke Arolser Straße und machte Bilder von einem fröhlichen Karnevalsumzug. "Schurri, Schurri", höre ich überall. Lustige, ausgelassene Menschen, die sich toll kostümiert hatten. (...)
Plötzlich höre ich hinter mir durchdrehende Reifen und drehe mich gerade noch rechtzeitig um. Tausende Gedanken schießen durch meinen Kopf. Was soll denn das? Wo kommt der denn her? Sieht der denn gar nicht die Leute? (...)
Da knallt dieser Mann mehr oder minder durch die Absperrung und direkt auf mich zu. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt lockere 70 bis 80 Kilometer pro Stunde drauf und beschleunigte. Dann hat mich das Fahrzeug passiert und rast auf einen großen Traktor zu, weicht aber nach links aus und zieht direkt in den Festzug rein. Männer, Frauen und Kinder fliegen durch die Luft.
Dann korrigiert das Fahrzeug nochmal die Richtung und zieht mehr nach rechts, bevor es endgültig vor dem Rewe zu stehen kommt.
Überall liegen Verletzte herum, man hört Menschen schreien. Viele Menschen laufen in die Richtung, um zu helfen und flüchten nicht in Panik. Der Apotheker dort geht geistesgegenwärtig sofort in seinen Laden und holt Verbandsmaterial und verteilt dieses. Alles lange bevor die Rettungskräfte vor Ort sind.
Die Polizisten ziehen Schutzkleidung an, weil sie zunächst auch nicht recht wissen, was nun vorliegt. Dann zerren sie den Fahrer aus dem Fahrzeug. Die ersten Rettungskräfte treffen ein und kümmern sich um die Leute.
Ich selbst bin noch ganz fassungslos, wie man sowas machen kann, denn eines ist sicher für mich, das war kein Versehen. Das war bewusst und gewollt.
Natürlich kenne ich einige der Menschen, die verletzt wurden und hoffe ganz inständig, dass sie und die anderen vielen verletzten Menschen wieder glücklich und gesund werden können."
Hunderte sahen Vorfall
Volkmarsen sei in Hessen eine Karnevalshochburg, sagt Bültemann. Er schätzt, dass im direkten Umfeld des Tatorts "ein paar Hundert Menschen" gestanden hätten. Die Zuschauer hätten in mehreren Reihen den Umzug angeschaut.
Er selbst habe nach der Tat vor Ort den Polizisten Hilfe angeboten und auch selbst bei einem jungen Mann Erste Hilfe geleistet. "Ich bin dann schnell nach Hause gefahren, um der Polizei meine Videos zu schicken."
Aufnahmen, die niemand anderes sehen soll. Bültemann betont: "Es war schockierend." Er ist froh, dass bei der Tat keine Menschen gestorben sind. (mf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.