• Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist an Silvester gestorben.
  • Für Papst Franziskus bedeutet das nun mehr Freiheit für die Reform der Kirche und auch in Bezug auf seinen eigenen möglichen Rücktritt.

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Für Papst Franziskus beginnt mit dem Tod seines emeritierten Vorgängers Benedikt XVI. ein neues Kapitel seines Pontifikats. Zum einen herrscht der Argentinier nun nicht mehr im Schatten seines konservativeren und intellektuell sehr geschätzten Vorgängers über die katholische Kirche. Zum anderen macht es der Tod von Benedikt XVI. dem 86 Jahre alten Franziskus leichter, seinerseits aus gesundheitlichen Gründen zurückzutreten, sollte er dies eines Tages wünschen.

Nach seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche im März 2013 war Franziskus nie alleiniger Papst, denn seiner Wahl war nicht wie üblich der Tod seines Vorgängers vorausgegangen. Vielmehr war der Deutsche Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. aus gesundheitlichen Gründen in einem höchst ungewöhnlichen Schritt als erster Papst seit 1415 zurückgetreten. In der Folge hatten immer wieder Spekulationen über voneinander abweichende theologische Sichtweisen der beiden Geistlichen für Unruhe gesorgt.

Der Tod von Benedikt XVI. bedeute "das Ende einer Ambiguität, einer Epoche, in der Ratzinger von den Gegnern von Franziskus instrumentalisiert werden konnte", sagt der Vatikan-Experte Marco Politi. Trotz der herzlichen persönlichen Beziehungen zwischen Papst Franziskus und seinem bayerischen Vorgänger sei "Ratzingers Präsenz mit seiner konservativen kirchlichen Lehrmeinung und seinem intellektuellen Format tatsächlich eine Quelle der Spannungen während des Pontifikats von Franziskus" gewesen.

Viel diskutiert wird aber auch eine andere Folge des Todes von Benedikt XVI. Solange Benedikt am Leben war, sei Franziskus ein Rücktritt praktisch verwehrt gewesen, sagt Politi. Schließlich sei es "undenkbar, drei Päpste zu haben".

Tritt Papst Franziskus eines Tages zurück?

Laut Politi hindert der Gesundheitszustand von Franziskus ihn derzeit nicht an der Ausübung seiner Amtspflichten für die 1,3 Milliarden Katholiken weltweit. Allerdings wirkt der 86 Jahre alte Papst in letzter Zeit müder und wegen seiner anhaltenden Kniebeschwerden nutzt er einen Rollstuhl.

Franziskus, dessen Wahl zum Papst sich im März zum zehnten Mal jährt, schließt einen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen nicht aus, sollte er seine Amtspflichten nicht mehr erfüllen können, zieht diese Möglichkeit nach eigenen Angaben derzeit aber nicht in Betracht. Tatsächlich hat er weiterhin ein großes Arbeitspensum. Für 2023 wurden bereits zwei Auslandsreisen angekündigt: Anfang Februar nach Afrika und im August nach Portugal.

Franziskus könnte seine Zeit zudem nutzen, um den Ruhestand von Päpsten genauer zu regeln. Bislang gebe es hier "ein juristisches Vakuum im Kirchenrecht", sagt Monsignor Patrick Valdrini, emeritierter Professor der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom. So könne Franziskus etwa den Titel "emeritierter Papst" für zurückgetretene Kirchenoberhäupter durch die Bezeichnung "emeritierter Bischof von Rom" ersetzen.

Widerstand gegen Reformen: Experte sieht "Bürgerkrieg" in der katholischen Kirche

Die Präsenz seines Vorgängers hat Franziskus nicht von seiner Reformagenda abgehalten. Er strukturierte die Kurie um, brachte Ordnung in die Finanzen des Vatikans und stellte mehrere katholische Organisationen wie den Malteserorden unter seine Aufsicht.

Gegen diese Reformen regte sich aber auch Widerstand. Dieser dürfte stärker werden, je mehr das Ende von Franziskus' Pontifikat absehbar ist. Vatikan-Experte Politi spricht von einem "Bürgerkrieg in der katholischen Kirche". Es gebe "Kräfte, die Franziskus zurücktreten sehen wollen und Einfluss auf das nächste Konklave" zur Wahl eines neuen Papstes nehmen wollten.

Wie die Kräfte zwischen Unterstützern und Gegnern von Franziskus verteilt sind, wird sich auch bei der Synode der katholischen Kirche zeigen, die derzeit weltweit stattfindet. Die Generalversammlung im Rahmen dieser Konsultationen zur Führung der Kirche, bei denen es um große Themen wie die Rolle der Frau, den Umgang mit Kindesmissbrauch in der Kirche sowie die Situation von geschiedenen Kirchenmitgliedern geht, findet im Oktober in Rom statt.

Dieser Dialog, der im kommenden Jahr abgeschlossen werden soll, ist Franziskus eine Herzensangelegenheit. Dies könnte ihn dazu bewegen, zumindest bis 2024 im Amt zu bleiben. (AFP/tas)

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